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Russlands Haushaltsloch kann sechs Billionen Rubel erreichen


Die Höhe des Discounts für russisches Erdöl nimmt weiter zu und hat bereits die 40-Prozent-Marke überschritten, informierte das Finanzministerium. Das russische schwarze Gold wird um 20 Dollar billiger als die Orientierungswerte des Etats verkauft. Im vergangenen Jahr hatte das russische Finanzministerium ein Haushaltsdefizit für das Jahr 2023 in einem Umfang von fast drei Billionen Rubel oder rund zwei Prozent des BIP geplant. Experten sehen jedoch Risiken hinsichtlich einer Zunahme des Haushaltsloch bis zu sechs Billionen Rubel. Solange sich die Discounts für das russische Erdöl nicht stabilisieren, sei es praktisch sinnlos, die Höhe des Defizits vorauszusagen, gestehen Wirtschaftsexperten ein.

Der Durchschnittspreis für Erdöl der Marke Urals (die wichtigste russische Sorte – Anmerkung der Redaktion) pendelte sich im Januar dieses Jahres im Bereich von 49,48 Dollar je Barrel ein, was um etwa 40 Prozent weniger als im Jahr zuvor ist, informiert das Finanzministerium. Dabei hielt sich der Durchschnittspreis für Erdöl der Marke Brent im gleichen Monat Januar auf einem Stand von 84 Dollar je Barrel.

Somit machte der Discount beim Verkauf der russischen Sorte Urals gegenüber den durchschnittlichen Weltmarktpreisen für die Sorte Brent zu Jahresbeginn rund 35 Dollar oder 41 Prozent aus.

Die Situation hinsichtlich der Förderung von Erdöl und seinem Export aus Russland sei ungeachtet der von der Europäischen Union und den G-7-Ländern verhängten Sanktionen stabil, erklärte der zuständige russische Vizepremier Alexander Nowak. Die Preisnachlässe für russisches Erdöl bleiben tatsächlich stabil hohe. Sie entsprechen nicht nur nicht dem vom Westen festgelegten „Preisdeckel“, sondern schaffen auch die reale Gefahr einer Zunahme des Haushaltsdefizits der Russischen Föderation.

Zuvor hatte das Finanzministerium der Russischen Föderation mitgeteilt, dass der Durchschnittspreis für Öl der Marke Urals vom 15. Dezember bis einschließlich 14. Januar 46,82 Dollar je Barrel bei einem mittleren Preis der Sorte Brent von rund 81,50 Dollar im gleichen Zeitraum ausmachte. Somit erreichte die Preisschere 35 Dollar oder 43 Prozent. Im vorangegangenen Monitoringszeitraum vom 15. November bis einschließlich 14. Dezember machte der Preisnachlass bezüglich der russischen Sorte 32 Prozent aus.

In den vorausgegangenen Monaten hat sich der Discount für die russische Öl-Sorte Urals sogar vergrößert. Laut Angaben des Ministeriums von Anton Siluanow (Russlands Finanzminister) hatte der Preisnachlass für russisches Erdöl im Oktober 24 Prozent ausgemacht, und im November – fast 27 Prozent. Es sei angemerkt, dass das Finanzministerium den Preis für das russische Erdöl der Sorte Urals auf der Basis der CIF (Cost, Insurance and Freight, das heißt, der Preis sieht eine Bezahlung der Kosten für das Verladen der Ware auf das jeweilige Schiff, den Transport und der Versicherung bis zum Zielort zu Lasten des Verkäufers vor) berechnet.

In der Agentur für Preise „Argus“ teilte man mit, dass der Preis für Öl der Marke Urals auf der Basis von FOB (Free on board – „die Ware, die für den Kunden verschifft wurde“ – „NG“) im Januar im Durchschnitt 42,80 Dollar je Barrel ausmachte, was um 1,2 Prozent weniger als im Monat zuvor war. Dabei hat der Preisnachlass für die russische Sorte im Vergleich zur Marke Brent im vergangenen Monat von 37 Dollar je Barrel bis auf 40 Dollar zugenommen. Urals gemäß FOB Novorossiysk verzeichnete im Januar eine Zunahme von 44,30 Dollar je Barrel im Dezember bis auf 44,40 Dollar. Die Differenz gegenüber der Muster- bzw. Vergleichssorte vergrößerte sich bis 38,50 Dollar.

Die Situation um die russischen Kohlenwasserstoffe wird durch die Festlegung der Preis-Obergrenzen für sie seitens der westlichen Länder belastet. So ist seit dem 5. Dezember 2022 den europäischen Unternehmen untersagt worden, russisches Erdöl zu kaufen. Außerdem haben die G-7-Länder und die der Europäischen Union ihren Unternehmen verboten, russisches Erdöl zu transportieren und mit dessen Transport verbundene Leistungen zu erbringen, wenn die Kohlenwasserstoffe nicht entsprechend dem festgelegten Preisdeckel verkauft werden (seit dem 5. Dezember – 60 Dollar je Barrel). Die Russische Föderation hat dagegen ihren Unternehmen verboten, Erdöl zu realisieren, wenn in den Verträgen die Bedingung einer Obergrenze vorgesehen wurde. „Im Fall von Verstößen werden Maßnahmen zum Verbot von Exportlieferungen gegenüber jenen Vertragspartnern ergriffen, die die speziellen Maßnahmen hinsichtlich eines Preisdeckels anwenden, die von den europäischen, den westlichen Ländern verhängt wurden“, sagte der russische Vizepremier Alexander Nowak. Experten sind aber der Meinung, dass es extrem schwierig werde, die Umsetzung dieser Anweisungen für die russischen Unternehmen an sich zu kontrollieren.

Bereits am 5. Februar soll ein Verbot für den Transit russischer Erdölprodukte über das Territorium der EU- und G-7-Länder in Kraft treten. Die westlichen Unternehmen können Tanker mit russischen Erdölprodukten abfertigen und versichern, wofür sie nur in dem Fall eine Freistellung vom Embargo erhalten, wenn sie Erdölprodukte zu einem Preis unterhalb der festgelegten Obergrenze befördern. Die Obergrenze für diese Preise waren bis zum Freitag noch nicht bestätigt worden, wie im russischen Staatsfernsehen mitgeteilt wurde. Die Nachrichtenagentur Bloomberg meldete, dass es die G-7-Länder vorziehen würden, eine Obergrenze für Diesel aus der Russischen Föderation im Bereich von 100 bis 110 Dollar je Barrel festzulegen. In der EU plädiert man für die 100-Dollar-Marke je Barrel. Zuvor hatte die Agentur unter Berufung auf eigene Quellen gemeldet, dass die Offiziellen der EU einen Plan für eine Obergrenze für Diesel von 100 Dollar je Barrel und für Produkte mit einem geringen Mehrwert (z. B. Schweröl) von 45 Dollar je Barrel prüfen würden.

Die hohen Preisnachlässe beim Export der russischen Kohlenwasserstoffe bedeuten zusätzliche Probleme für das Auffüllen unserer Staatskasse. Der russische Haushalt ist auf der Basis der Prognose für die Preise von Erdöl der Sorte Urals im Jahr 2023 in einer Höhe von durchschnittlich 70 Dollar je Barrel ausgearbeitet worden. Dabei sollte das Defizit zwei Prozent des BIP oder rund drei Billionen Rubel ausmachen. Die Realität unterscheidet sich aber stark von derartigen Prognosen. Daher verstärken sich die Risiken einer Zunahme des Haushaltslochs.

Wenn entsprechend den Ergebnissen des Jahres 2023 der tatsächliche Preis für russisches Erdöl 50 US-Dollar je Barrel beträgt, so werde das Finanzministerium weitere zwei Billionen Rubel weniger verbuchen. Und das gesamte Defizit werde bis auf fünf Billionen Rubel ansteigen, meinen Experten des Telegram-Kanals MMI. Eine Verringerung des durchschnittlichen Jahrespreises für Urals um jede zehn Dollar werde dem russischen Haushalt rund 15 Milliarden Dollar kosten, berechnete Elina Rybakowa vom Institut für internationale Finanzen. „Wenn man die Verluste von 1,5 Millionen Barrel je Tag und den geringen Preis für das Erdöl nimmt, so verliert Russland zwei bis drei Billionen Rubel von den etwa neun Billionen Rubel der geplanten Erdöl- und Erdgas-Einnahmen. Wenn wir eben diese zwei, drei Billionen Rubel verlieren, so werden wir auch einen recht erheblichen Teil der Deviseneinnahmen verlieren“, urteilte Alexander Isakow, Wirtschaftsfachmann der Nachrichtenagentur Bloomberg Economics. Nach seinen Prognosen bestehe die Gefahr einer Zunahme der Inflation im Jahr 2023.

„Wenn der Durchschnittspreis für Erdöl der Marke Urals im Jahr 2023 im Bereich von 45 bis 50 Dollar je Barrel bleibt, können bei einer Stabilisierung der Förderung auf einem Stand von zehn Millionen Barrel am Tag die Haushaltseinnahmen aufgrund von Erdöl und Erdgas 2,3 bis 2,8 Billionen Rubel weniger ausweisen. Gemäß diesem Szenario kann das Haushaltsdefizit im laufenden Jahr 3,5 Prozent des BIP übersteigen und wird sich praktisch auf dem Stand von 2020 befinden“ sagte Natalia Lawrowa, Chef-Volkswirtin der Investitionsfirma „BKS Welt der Investitionen“. Die Erdöl- und Erdgas-Einnahmen des Haushalts würden im Endergebnis keine 7 bis 7,5 Billionen Rubel übersteigen, prognostiziert Mark Goichman, Chefanalytiker von TeleTrade.

„Wenn der Januar-Preis für Urals im Verlauf des gesamten Jahres gewahrt bleibt, so kann der Umfang der ausbleibenden Erdöl- und Erdgas-Einnahmen bei einem Volumen der Tagesförderung von etwa zehn Millionen Barrel rund zwei Billionen Rubel ausmachen. Das heißt, das Haushaltsdefizit könnte an die fünf Billionen Rubel herankommen“, sagte die Leiterin der Abteilung für makroökonomische Analyse der Investitionsfirma „Finam“, Olga Belenkaja. Sie erwartet, dass sich der Preis für Urals im Bereich von 50 bis 70 Dollar je Barrel im Verlauf des Jahres stabilisieren werde, und dann würden die ausbleibenden Erdöl- und Erdgas-Einnahmen rund eine Billionen Rubel ausmachen. „Der Prognose für den Etat ist ein durchschnittlicher Jahreskurs des Dollars gegenüber dem Rubel im Bereich von 68 Rubel zugrunde gelegt worden. Bei höheren Werten für den Dollarkurs kann der Umfang der ausbleibenden Erdöl- und Erdgas-Einnahmen im Rubeläquivalent geringer sein“, betonte die Analytikerin.

Die Sanktionen gegen den russischen Öl- und Gas-Sektor seien vor relativ kurzer Zeit in Kraft getreten, und der Prozess zur Anpassung an sie habe erst begonnen, meint Sergej Chestanow, Berater des Generaldirektors der Firma „Otkrytie Investitionen“. „Dieser Prozess wird durch erhöhte Discounts für Produkte des russischen Exports begleitet. Entsprechend der Anpassung ist eine Verringerung der Höhe der Discounts zu erwarten. Es ist schwer, das Tempo des Absinkens der Discounts zu prognostizieren“, gesteht er ein. Der Wirtschaftsexperte schließt einen Sequester (Beschneidung) der Haushaltsausgaben nicht aus. Solange sich die Höhe des Discounts nicht stabilisiere, sei es nutzlos, das Haushaltsdefizit vorauszusagen, meint der Experte.