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Russlands Moslems reagierten eigenartig auf das Blutbad von Nizza


Das katholische Erzbistum in Russland hat am vergangenen Freitag bekanntgegeben, dass bis zum 4. November die Kirche des Heiligen Ludwig von Frankreich in Moskau geschlossen wird, Als Grund sind „prophylaktische Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Gläubigen ausgewiesen worden. Dieses katholische Gotteshaus, das in der Umgebung von Gebäuden des FSB (russischer Inlandsgeheimdienst – Anmerkung der Redaktion) gelegen ist, hatte selbst zu Sowjetzeiten gewirkt. Hier werden Expats aus Frankreich seelsorgerisch betreut. Doch in der vergangenen Woche wurden an die Adresse der Franzosen Drohungen laut.  

Staatsbürger und Diplomaten Frankreichs hatte am Donnerstag eine nichtgenehmigte Demonstration an der Botschaft dieses Landes durch nichtidentifizierte junge Menschen erschreckt, die gegen die Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten Mohammed protestierten. Zuvor hatte Tschetscheniens Mufti Salach Meschijew Frankreichs Präsidenten als Terrorist Nummer 1 aufgrund dessen bezeichnet, dass Emmanuel Macron für eine Unterstützung der Meinungsfreiheit bis hin zu einer Kritik an Religionen plädiert hatte. Am Freitag diskutierten die Medien die Erklärungen des Muftis, dass, wenn die in Russland lebenden Franzosen Macron unterstützen, sie auch Feinde des Islams seien. Die Geistliche Verwaltung der Moslems der Tschetschenischen Republik unternahm später den Versuch, die Journalisten davon zu überzeugen, dass ein Drohen und das Erklären zu Feinden des Islams nicht ein und dasselbe seien. 

Die Geistliche Verwaltung der Moslems der Russischen Föderation verbreitete am Freitag eine Erklärung ihres Präsidiums im Zusammenhang mit den Terrorakten in Frankreich. Man rief die Rechtgläubigen Russlands zur Ruhe auf und bezeichnete die Teilnehmer der Überfälle in Nizza und Lyon als selbsternannte „Verteidiger des Islams“. „Keinerlei Appellieren an ihren Glauben und ihre Religiösität sowie die Vorbehalte, dass sie sich für die Religion „rächten“, seien inakzeptabel und nichtig angesichts des Gesetzes, dass sie übertreten haben“, meint man in der Geistlichen Verwaltung der Moslems der Russischen Föderation. „Wir rufen eindringlich die Imams auf, unter den Bedingungen des entfesselten Informationskrieges gegen den Islam jedes ihrer Worte, das in der Öffentlichkeit – in den Moscheen und Gebetssälen, in den Medien und in Privathäusern – geäußert wird, zu prüfen“, heißt es in dem Dokument. In dieser Anmerkung kann man eine unterschwellige Polemik mit den kaukasischen Funktionären vernehmen, die nicht mit Schimpfworten an die Adresse Macrons sparen.    

Die Befürchtungen, dass der Konflikt Russland tangieren kann, sind nicht grundlos. Buchstäblich die Aktionen der Terroristen in Frankreich kopierend, überfiel am Freitag ein 16jähriger Teenager ein Polizeirevier in Tatarstan mit einem Messer und Molotow-Cocktail. Der Angreifer wurde erschossen. Am Samstag wurde sein Stiefvater festgenommen, bei dem es sich um einen früher verurteilten Islamisten handelte. Wie die Medien dieser russischen Teilrepublik berichteten, hatte er 1999 im Bestand einer Bande den Versuch eines Sprengstoffanschlags gegen eine Gaspipeline unternommen. Tatarstans Mufti Kamil Samigullin schrieb in den sozialen Netzwerken, dass der Angreifer gegen die Polizei „eine hinterhältige Missetat begangen hat, indem er Frevel am Namen Allahs auf den Lippen verübte“. 

Das Vorgefallene bezeichnete Samigullin als eine Provokation. Solch ein Wort erklingt auch in der Erklärung der Geistlichen Verwaltung der Moslems der Russischen Föderation. Es ist zu spüren, dass die Muftis in Russland bestürzt und verwirrt sind. In der Tat, die Enthauptung des Lehrers Samuel Paty, mit der eine neue Runde des islamistischen Terrors begonnen hat, sieht wie eine vorab geplante Provokation aus. Es sei betont, dass sich der Überfall auf die Redaktion des Magazins „Charlie Hebdo“ im Jahr 2016 drei Tage nach dem Feiertag Mawlid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten, ereignet hatte. Der Zwischenfall mit dem Lehrer in einem Pariser Vorort erfolgte erneut im Umfeld des Feiertags Mawlid an-Nabi und nicht zum Jahrestag des Blutbades in der Redaktion. Erinnert sei, dass es auch einen „angeblichen“ Versuch gegeben hat, das Feuer zu entfachen, als am 25. September ein Terrorist zwei Passanten an der ehemaligen Redaktion von „Charlie Hebdo“ verletzte. Die Verbrecher haben gleichsam einen Anlass gesucht. Und haben ihn im Oktober gefunden, als Paty zu seinem Unglück beschlossen hatte, mit den Schülern über die Redefreiheit zu sprechen. Ein neuer „Karikatur-Skandal“ wurde gerade zu den diesjährigen Feiern des Geburtstages des Propheten, der auf den 28. Oktober fiel, losgetreten. Nicht ein Rechtgläubiger wird zu diesem Zeitpunkt gleichgültig gegenüber Spötteleien in Bezug auf den Religionsstifter bleiben.