In der zweiten Dezemberhälfte werden in der Russischen Föderation Entscheidungen gefällt, die ihr Rechtsfeld verändern werden. QR-Codes und das einheitliche System der öffentlichen Macht werden offensichtlich eine Welle von Änderungen der Gesetzgebung auslösen. Aus einem Report des Instituts für Probleme der Rechtsanwendung (IPR) folgt: Je mehr normative Akte desto weniger sind sie selbst für Juristen verständlich. Da sich viele der Normen für konkrete Bedürfnisse der Offiziellen und Behörden ergeben würden, sei es nach Aussagen der Experten für die Anwender unwichtig, wie dies formuliert wurde. Es sei ausreichend, dass die Gesetze Probleme markieren, für die sie verfasst worden sind. Was aber mit ihnen getan werden muss, diktieren die Offiziellen, die versuchen, über eine Verschärfung der Gesetze Gefahren zu kupieren – mögliche und eingebildete.
Die Sprache der normativen Akte wird immer verzwickter, was den Dialog und das gegenseitige Verstehen zwischen dem Staat und der Gesellschaft erschwert, heißt es in der Untersuchung des IPR.
Diese Organisation verfolgt die Dynamik der Qualität der gesetzgeberischen Akte aus der Sicht ihrer angenommenen Lesbarkeit. In der letzten Zeit sind die Rechtsdokumente vor allem voll von langen und verzwickten Sätzen, „werden durch eine komplizierte linguistische Struktur und juristische Technik charakterisiert“, was ihr Verstehen selbst für Profis erschwert. Von daher ergibt sich die Notwendigkeit einer Auslegung der Gesetze auf einer unteren Ebene, beispielsweise durch Schreiben der regulierenden Institutionen.
Dabei gilt in Russland überhaupt seit 2014 eine Konzeption für die Offenheit der föderalen Machtorgane, in der Prinzipien für eine Verständlichkeit und Transparenz der normativen und rechtlichen Regulierung deklariert worden sind. Im Übrigen ist die Vereinfachung der Sprache offizieller Dokumente ein genereller internationaler Trend (der offensichtlich an Russland vorbeigeht – Anmerkung der Redaktion). In den USA wurde beispielsweise im Jahr 2010 dazu ein spezielles Gesetz verabschiedet. Und in Irland zum Beispiel befasst sich damit eine spezielle Kommission zur Reformierung der Gesetzgebung, die bereits mehrere hundert Gesetze modernisierte.
In der Russischen Föderation nehme, wie in der Untersuchung des IPR ausgewiesen wird, die Anzahl der verabschiedeten gesetzgeberischen Initiativen unablässig zu. Praktisch alle Arten von Rechtsakten erweitern ihre Umfänge. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres sind beispielsweise beinahe genauso viele Rechtsakte veröffentlicht worden wie im gesamten Jahr 2018 und mehr als in jedem Jahr bis 2016. „Die Zunahme des Gesamtumfangs der Gesetzgebung bedeutet eine Zunahme der Anstrengungen dafür, um sie zu verstehen. Die Anwender brauchen ein Heer von Juristen, um die Veränderungen zu verfolgen“, heißt es im Report. Die Verschlechterung der Lesbarkeit der Gesetze aber sei eine Folge des Scheiterns der sogenannten „regulierenden Guillotine“ – einer großangelegten, aber nicht erfolgten Revision der gesetzgeberischen und nachgeordneten Regulierung, aber auch der Inkompetenz und der Furcht vor einer Verantwortung gegenüber den höherstehenden Vorgesetzten.
Der föderale Richter im Ruhestand Sergej Paschin bestätigte der „NG“, dass die Qualität der gesetzgeberischen Normen eine „schwache ist, und die Wirkung durch sie ist eine wenig voraussagbare und bei weitem nicht immer fruchtbare“. Dies erfolge, weil das heutige Gesetzesschaffen in vielem ein momentanes und situatives sei. Das Auftauchen neuer Akte sei oft durch eine Reaktion nicht auf die Herausforderungen der Zeit, sondern auf bestimmte Reizfaktoren ausgelöst worden, die hier und jetzt entstehen. Im Strafrecht zum Beispiel dominiert hauptsächlich das Formulieren von „Kautschuk-Formulierungen“, die erlauben, selbst aufgrund recht harmloser Handlungen einen zur Verantwortung zu ziehen. In den übrigen Bereichen des Rechts, unter anderem im Arbeits- und Zivilrecht haben „Kulturlosigkeit und das Ausbleiben eines professionellen Redigierens“ das Sagen. Jetzt würden viele Gesetze mit der heißen Nadel gestrickt, beklagte sich Paschin, sobald ein Kommando vom Alten Platz (Sitz der Präsidialadministration in Moskau) komme. Und da wird rasant ein Entwurf verfasst, der auch auf maximal schnelle Art und Weise verabschiedet werde. Diese Tendenz halte an, da man den höherstehenden Chefs eine fieberhafte Arbeit zeigen müsse.
Außerdem gebe es eine Vielzahl von Pseudoproblemen, unterstrich der Experte, die man mit Hilfe von Gesetzen zu lösen versuche. Auf jeden Fall im Bereich des Straf- und des Strafprozessrechts. „Von daher ergeben sich Normen, die von wenig Bildung zeugen. Und all dies wird nicht getan, weil es ein Problem gibt, sondern weil PR gebraucht wird. Irgendwelche Fragen erregen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, und da tun die Abgeordneten auch so, dass sie die irgendwie lösen würden“. Das beliebteste Vorgehen der Offiziellen ist aber eine Verstärkung der Verantwortung für hypothetische Gefahren, die Einführung neuer Tatbestände für Straftaten und ordnungswidriger Vergehen. „Die Abgeordneten und Institutionen kämpfen nicht für eine Lösung realer Probleme, sondern für die Schaffung komfortabler Bedingungen für sich und für die Herrschenden, darunter die allerhöchsten. Natürlich wird der Vektor vom Alten Platz vorgegeben. Es gibt auch die Tendenz für ein Anziehen der Daumenschrauben. Und erfordern die Texte weder eine Berechnung noch Intellektualität. Sie werden im Fließbandverfahren hervorgebracht. Es gibt da eine sehr einfache Sache, sagen wir einmal, dass man einfach die Dauer der Bestrafung verlängert. Und wenn ein Gesetz ein „kautschuk-, ein gummiartiges“ ist, um beispielsweise unter dem Begriff „Gewalt gegen einen Vertreter der Staatsmacht“ sowohl einen geworfenen Pappbecher als auch hypothetisch eine mögliche Granate aufzufassen, so kann auch die Gerichtspraxis in Abhängigkeit von der Stimmung der politischen Führung schwanken und verschärft werden. Was sich bei uns jetzt auch vollzieht“, merkte Paschin an.
Das Problem könnte nach seiner Meinung eine reale Teilung der Gewalten global lösen, der Herrschenden, die bei ehrlichen Wahlen gewählt werden. Aber „mitunter helfen zumindest die Erarbeitung eines Plans für die gesetzgeberischen Arbeiten und eine gute Redaktions- und Verlagsabteilung des Parlaments mit großen Vollmachten. Insgesamt aber könne das Geschehen zu einer fiktiv-demonstrativen Gesetzgebung führen, „bei der die Menschen Gesetze ohne Berücksichtigung dessen zusammenschustern, wie sie real wirken werden“. Oder aber umgekehrt, mit einem Setzen darauf, dass man den bewaffneten, Rechtsschutz- und Sicherheitsinstitutionen sowie Gerichten frei Hand lassen müsse.
Wie Dr. sc. jur. Ilja Schablinskij, Mitglied der Moskauer Helsinki-Gruppe, der „NG“ sagte, „ist das Gesetzesschaffen schon lange nicht mehr das, was es war“. „Gewöhnlich ist dies eine operative Reaktion, sagen wir es einmal so: von Stäben, das heißt von unterschiedlichen Gruppen und Ebenen verschiedener Administrationen auf konkrete politische Situationen oder die Umsetzung direkter Anweisung der Chefs“. Die Abgeordneten beispielsweise, dies seien nicht einmal Vollstrecker, sondern eher Statisten aus einem Heer von eben solchen Statisten, obgleich auch mit keinem geringen Salär. Schablinskij erinnerte daran, wie man beispielsweise im Jahr 2014 auf einmal beschlossen hatte, die Blogger Journalisten gleichzustellen. Das heißt, „damals hatte es solch eine nervöse Reaktion irgendeiner Gruppe (eines Stabes) gegeben. Aber nach drei Jahren hatte man das Gesetz bereits vergessen“.
Jewgenij Gerschberg, kommunale Abgeordnete der Partei „Jabloko“ aus Moskau, erklärte die lawinenartige Zunahme der Anzahl von Gesetzen mit dem Ausbleiben einer politischen Konkurrenz und öffentlicher Diskussionen zu von den Offiziellen unterbreiteten Akten, was auch die Prozeduren für ihre Annahme vereinfachte. „Übrigens, die Staatsduma hat keine Vollmachten oder die Pflicht, ein neugebackenes Gesetz auszulegen. Im Ergebnis dessen distanzieren sich die Abgeordneten oft von einer weiteren Rechtsanwendungspraxis“, erinnerte sie. Es gebe auch solch eine Meinung, sagte der „NG“ der Aktivist für Städtebaufragen Alexej Jegorkin, dass es den Offiziellen zum Vorteil gereiche, in den Gesetzen „mehr Verwirrendes zu haben, weshalb der Sinn des Niedergeschriebenen verloren geht“. Denn so sei es einfacher, die Bürger zu desorientieren und die Kenntnisse über ihre eigenen Rechte zu minimieren. Und natürlich rechtfertige die Menge an Gesetzen die Unterhaltung der riesigen Armee von Beamten. „Derzeit arbeitet in Russland der gesetzgeberische Fluss für eine Bewahrung und weitere Verstärkung der Korruption“, ist sich Jegorkin sicher.