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Russlands Register der „Volksfeinde“ soll rückwirkend erweitert werden


Die Staatsduma (das Unterhaus des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) beginnt mit einer Erörterung von Änderungen für das Strafgesetzbuch und das Ordnungsstrafrecht der Russischen Föderation, die die Haftung aufgrund einer Verletzung der Gesetzgebung über die sogenannten ausländischen Agenten verschärfen sollen. Erklärt wird dies mit der Notwendigkeit, jene zu ermitteln und zu bestrafen, die von diesem Status abgehen oder nicht öffentlich über dessen Bestehen informieren. Und das Register der „ausländischen Agenten“ soll rückwirkend um zwei Kategorien erweitert werden – jener, die beabsichtigten, als solche zu agieren und bereits agieren. Dies werden Rechtspersonen und Bewegungen, Massenmedien und Bürger, aber auch gewisse „andere Vereinigungen von Personen“ sein.

Die Gesetzesänderungen hat genau die gleiche Gruppe von Abgeordneten vorgestellt, die zum Autor auch des Gesetzes „Über die Kontrolle der Tätigkeit der Personen, die sich unter einem ausländischen Einfluss befinden“ – sozusagen eines Kodexes für ausländische Agenten – geworden war. Ihr Chef ist der Vorsitzende des Staatsduma-Ausschusses für Sicherheitsfragen, Wassilij Piskarjow (Kremlpartei „Einiges Russland“, der zur gleichen Zeit auch die Kommission zur Untersuchung von Tatsachen einer Einmischung ausländischer Staaten in die inneren Angelegenheiten der Russischen Föderation leitet.

Die Vorlage der entsprechenden Initiativen hatte er bereits vor einigen Tagen angekündigt, aber betont, dass dort vor allem Verbote für ausländische Agenten, Wahlen zu behindern, und entsprechende Haftungsmaßnahmen dafür sein würden.

Die Gesetzesvorlagen über die Vornahme von Änderungen am Artikel 330-1 des StGB der Russischen Föderation und an einer Reihe von Normen des Ordnungsstrafrechts sind jedoch tatsächlich ganz und gar nicht darüber. Vom Prinzip her hätte man die Korrektor der Strafrechtsnorm noch als eine technische Angelegenheit ansehen können, da dort sowohl der Begriff des böswilligen Umgehens einer Erfüllung des Gesetzes über ausländische Agenten als auch die Regel einer ordnungsrechtlichen Präjudiz (richtungsweisender Gerichtsentscheid, der die Rechtsprechung der untergeordneten Gerichte besonders beeinflusst – Anmerkung der Redaktion) präzisiert werden. Dies ist, wenn man irgendwen zuerst entsprechend dem Ordnungsstrafrecht bestraft und erst dann schon ein ernsthaftes Verfahren einleitet. Aber der Vorschlag der Abgeordneten zur Erneuerung des Ordnungsstrafrechts an sich kann aber schon nicht mehr als ein technischer Aspekt angesehen werden.

Es sei daran erinnert, dass das Basisgesetz gegen ausländische Agenten, das seit diesem Sommer gilt, mit dem Durcheinander und der Unübersichtlichkeit der Register und der Mannigfaltigkeit der Grundlagen für eine Aufnahme von NGOs und Medien, von natürlich und Rechtspersonen russischer und ausländischer Herkunft Schluss gemacht hatte. Die Kodifizierung wurde dabei auch durch eine Erweiterung der Liste der Kategorien heutiger „Volksfeinde“ begleitet. So ist es möglich geworden, einfach einen Bürger zu einem ausländischen Agenten zu erklären, um ihn in das Verzeichnis ausländischer Medien, die als ausländische Agenten gelabelt wurden, aufzunehmen. Außerdem wurde der Begriff „natürliche Personen, die mit ausländischen Agenten affiliiert sind“ eingeführt, aber mit der Klausel, dass sich auf solche keinerlei Restriktionen und Belastungen für ihre Schirmherren erstrecken werden. Und natürlich wurde noch ein Teil der politischen ausländischen Agenten endlich klar normalen Agenten des Auslands gleichgestellt. Gemeint sind jene, die es wagen, Informationen zu sammeln, darunter militärische und Verteidigungsinformationen, die der Sicherheit der Russischen Föderation einen Schaden zufügen können, die man aber bisher nicht hart einer Spionage bezichtigen kann.

Und da hat sich nun herausgestellt, dass die sogenannten Volksvertreter rückwirkend eine Erweiterung des Feldes der Figuren des Basisgesetzes vornehmen, wobei sie freilich vorerst keine entsprechenden Änderungen an ihm vornehmen. Zwei neue Kategorien werden etabliert. Erstens wird es um Personen gehen, die beabsichtigen, als ein ausländischer Agent zu handeln. Und zweitens wird es um Personen gehen, die „als ein ausländischer Agent handeln“. Als solche wird man sowohl Rechtspersonen unabhängig vom Rechtsformat und der staatlichen Herkunft als auch natürliche Personen unterschiedlicher Staatsbürgerschaft ernennen können. Dieser Präzisierung ist auch eine der jüngst ins Gesetz aufgenommenen gesellschaftlichen Gruppen nicht entgangen – die der Bewegungen, die ohne die Bildung einer Rechtsperson handeln. Aber die größte Erfassung potenzieller ausländischer Agenten soll – allem nach zu urteilen – wohl hinsichtlich gewisser „anderer Vereinigungen von Personen“ erfolgen.

Dabei kann man noch die Definition „Personen, die beabsichtigen, als ein ausländischer Agent zu handeln“ verstehen. Im Basisgesetz über die Kontrolle ist die aus dem analogen Gesetz – des Foreign Agents Registration Acts (FARA) (deutsch: Registrierungsgesetz für Auslandsvertreter, ein 1938 verabschiedetes Gesetz der Vereinigten Staaten, das Personen, die in den USA politisch oder semi-politisch (wirtschaftlich) für ausländische Rechtspersonen tätig sind, vorschreibt, diese Tätigkeit anzumelden, zu dokumentieren und genehmigen zu lassen – Anmerkung der Redaktion) – übernommene Norm über die Pflicht der künftigen ausländischen Agenten, die Behörden über ihre Absichten in Kenntnis zu setzen. Dies betrifft unter anderem auch die sattsam bekannten Light-Spione. Hier wird die Feinheit des Gesetzes darin bestehen, dass die Personen, die sich mit der Absicht tragen, einfach noch keinen offiziellen Status erhalten haben. Was das aber ist „als ausländische Agenten Handelnde“ und wodurch sie sich eigentlich von ausländischen Agenten unterscheiden, ist nicht zu verstehen. In der Gesetzesvorlage werden keinerlei Definitionen gegeben. Augenscheinlich muss man auf Präzisierungen im Basisgesetz warten. Man kann jedoch schon jetzt annehmen, dass die beiden neuen Kategorien auf maximale Weise gefragt sein werden. Zu diesen wird man zuerst alle rechnen, die organisiert gegen die Herrschenden kämpfen, später – diejenigen, die konsequent die Offiziellen kritisieren, und danach schon einfach jeden beliebigen Unzufriedenen.