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Russlands Staatsbeamte werden als erste auf Fake-Impfungen überprüft


Das Stimulieren der Anti-Corona-Vakzinierung in der Russischen Föderation wird zu einer staatlichen Pflicht. Premierminister Michail Mischustin hat den Auftrag erteilt, die Impf-Bescheide der föderalen Beamten usw. zu überprüfen. Differenzen in den Berichten mit der Realität gibt es nicht nur unter den Staatsbeamten. In vielen Regionen ist die Vakzinierung von Staatsangestellten eine obligatorische. Viele Impfungen sind aber nur auf dem Papier vorgenommen worden. Experten sind der Auffassung, dass eine totale Vakzinierung der Beamten den Anteil der geimpften Bevölkerung erhöhen könne. Möglich ist jedoch auch eine Zunahme der gegen die aufgenötigten Impfungen gerichteten Proteste.

Michail Mischustin beauftragte das Gesundheitsministerium, „über den Verlauf der Vakzinierung der Mitarbeiter der föderalen exekutiven Machtorgane, der nicht vom Etat erfassten staatlichen Fonds, deren territorialen Behörden und nachgeordneter Organisationen Bericht zu erstatten“. Außerdem sind, wie sich aus einem Dokument ergibt, über das der Telegram-Kanal „Mai-Erlass“ berichtete, das Gesundheitsministerium und der Rentenfonds beauftragt worden, zusammen mit der Stadtregierung Moskaus „eine Überprüfung des Anteils der vakzinierten Mitarbeiter der föderalen staatlichen Machtorgane, der nicht vom Etat erfassten Fonds und nachgeordneten Einrichtungen“, die auf dem Territorium der Hauptstadt arbeiten, vorzunehmen. Die Kopie des Auftrags von Premier Mischustin veröffentlichte der Telegram-Kanal „Mai-Erlass“.

Dabei erinnerte am Donnerstag auch die Vorsitzende des Föderationsrates (des Oberhauses des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) Valentina Matwijenko, dass die Vakzinierung der Bevölkerung in der Russischen Föderation ausschließlich freiwillig erfolge. Am Mittwoch hatte auch Russlands Präsident erneut darüber gesprochen. Eine offizielle Statistik der Anzahl der in der Russischen Föderation vakzinierten Staatsangestellten wird bisher nicht veröffentlicht. Die verbalen Erklärungen über den Anteil der Geimpften unterscheiden sich aber oft. Vor zwei Wochen hatte der Vorsitzende der Staatsduma (des Unterhauses des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) Wjatscheslaw Wolodin mitgeteilt, dass 14 Prozent der Parlamentarier sich nicht einer Impfung unterzogen hätten. Dabei seien nach seinen Aussagen in der KPRF 36 Prozent der Abgeordneten nicht geimpft worden, in der Partei „Neue Leute“ 33 Prozent, in der Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“ 25 Prozent, in der LDPR 13 Prozent. Unter den Vertretern der Kremlpartei „Einiges Russland“ hätten sich nur ganze acht Prozent der Abgeordneten nicht impfen lassen. Die Angaben des Duma-Chefs deckten sich aber nicht mit den Berichten der Parlamentarier an sich. In einem Interview des Hörfunksenders „Business FM“ berichtete der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“ Oleg Nilow, dass ein Vertreter der Faktion keine Impfung erhalten hätte. Aus den Angaben Wolodins ergab sich aber, dass es sieben solcher Personen geben würde. Und in der Fraktion der KPRF teilte man mit, dass man keine derartige Statistik führe.

Derweil hatte Wolodin bereits im Oktober in einem Interview der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti gesagt, dass in der regierenden Partei nur fünf Prozent der Abgeordneten nicht geimpft worden seien. Nach Aussagen Wolodins würden heute 92 Prozent der Abgeordneten und 97 Prozent der Mitarbeiter des Apparats des Unterhauses eine Immunität hinsichtlich des Coronavirus besitzen.

In vielen Regionen ist die Vakzinierung der Staatsangestellten eine obligatorische, genauso wie auch für andere Beschäftigte, die in aus dem Staatshaushalt finanzierten Einrichtungen und Institutionen tätig sind. Die Beamten sind jedoch nicht bereit, offen die Kampagne für eine generelle Vakzinierung anzuführen. Die Offiziellen des Verwaltungsgebietes Tscheljabinsk hatten beispielsweise im Oktober darüber Bericht erstattet, dass in einer Reihe von Kreisen des Gebietes über 80 Prozent der Mitarbeiter des Bildungsbereichs und des Sozialwesens gegen das Coronavirus geimpft worden seien, während der Impfstand unter den Beamten der Gebietsadministration 70 Prozent ausgemacht hätte. Der durchschnittliche Vakzinierungsstand in den Kommunen wurde mit über 60 Prozent geschätzt.

Die Offiziellen der Verwaltungsregion Krasnodar meldeten, dass die Vakzinierung gegen das Coronavirus unter den Mitarbeitern einzelner Bereiche 94 Prozent ausmachen würde. Während jedoch in den Betrieben des Dienstleistungsbereichs der Vakzinierungsplan zu 113,7 Prozent realisiert wurde, in den Einrichtungen des Bildungswesens zu 112,7 Prozent und im Gesundheitswesen zu 111,4 Prozent, so war der Vakzinierungsplan unter den Staatsangestellten und den kommunalen Beamten nur zu 87 Prozent umgesetzt worden. Im Kuban-Gebiet liegt der Vakzinierungsstand unter den Staatsangestellten bei 74 Prozent. (Zum Vergleich: Laut Angaben der Nachrichtenagentur Associated Press haben 95 Prozent der amerikanischen Staatsangestellten eine komplette Vakzinierung durchlaufen.) Im Amur-Verwaltungsgebiet soll bis zum 15. Dezember eine 100-%-ige Vakzinierung gegen das Coronavirus unter den Staats- und kommunalen Angestellten erreicht werden, teilte der dortige Pressedienst mit. Forderungen hinsichtlich einer obligatorischen Vakzinierung der Staats- und kommunalen Angestellten sind auch in anderen Regionen der Russischen Föderation gestellt worden.

Ein Nachprüfen der Angaben über die Vakzinierung der Staatsangestellten könne zu einem Beispiel für die Regionen, staatlichen Unternehmen und die Bevölkerung werden, meinen Experten der „NG“. „Die Handlungen der föderalen Regierung werden als ein Beispiel und als eine Handlungsanleitung wahrgenommen. Die Erfahrungen der föderalen Regierung werden auf die Beamten in den Kommunen, in den Gebiets- und Kreisverwaltungen ausgedehnt. Und die Erfahrungen werden auch große und mittelständische Unternehmen übernehmen“, meint Pawel Sigar, 1. Vizepräsident der Unternehmervereinigung „Stütze Russlands“. Nach seiner Meinung werde die Überprüfung der Vakzinierung der Staatsangestellten allen zeigen, wie wichtig die Frage der Pandemiebekämpfung derzeit ist, und zu einem Stimulus für eine Zunahme der Zahl der Vakzinierten im ganzen Land werden.

„Diejenigen, die beschlossen haben, sich vakzinieren zu lassen, haben dies bereits getan. Ungeimpfte Bürger Russlands zu einer Vakzinierung zu veranlassen, ist heute sehr problematisch“, sagte die Senior-Analytikerin des analytischen Zentrums „Alpari“ Anna Bodrowa. Die Beamten zur Vakzinierung zu veranlassen ist möglicherweise einfacher als andere Bürger. Schließlich würden die Staatsangestellten in der Regel ihre Ämter sehr schätzen.

In vielen Unternehmen und Organisationen ist die Impfung zu einer obligatorischen Bedingung für eine Fortsetzung der Arbeit geworden. So wurden alle Mitarbeiter der Moskauer staatlichen Universität, die eine Vakzinierung ablehnten, von einer Arbeit mit den Studenten suspendiert worden, teilte am Mittwoch Viktor Sadownitschij, Rektor der Universität, mit. Über eine Suspendierung der ungeimpften Mitarbeiter des Flugzeugbaubetriebes „Progress“ in Samara von der Arbeit hatte zuvor die Agentur RIA Novosti berichtet.

Dabei werden in mehreren Unternehmen Antivakzinierungsproteste spürbar. So erklärte der Vorsitzende der überregionalen Gewerkschaft „Arbeiter-Assoziation“ in Sankt Petersburg, Igor Temtschenko, dass, wenn Betriebe beginnen werden, Mitarbeiter wegen der Ablehnung, sich impfen zu lassen, zu suspendieren, Arbeitskonflikte auftreten werden. Er lenkte die Aufmerksamkeit darauf, dass sich in der Gewerkschaft die meisten hätten impfen lassen. Innerhalb der Belegschaften seien die Meinungen aber auseinandergegangen. „Rund 40 bis 45 Prozent wollen sich nicht vakzinieren lassen. Da beginnt beinahe ein Bürgerkrieg“, sagte er. Die protestierenden Arbeitnehmer nutzen unterschiedlichste Formen. Beschäftigte des Autowerkes „Ural“ haben so im Verwaltungsgebiet Tscheljabinsk einen Flashmob veranstaltet, bei dem sie einen mehrere Quadratmeter großen QR-Code demonstrierten.