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Sandu hat die Mitbürger zum Sturz des Parlaments aufgerufen


In Kischinjow hat am Montag am Gebäude des Verfassungsgerichts eine Protestaktion gegen die Handlungen des Parlaments hinsichtlich eben dieses Verfassungsgerichts begonnen. Zu kommen und das Verfassungsrecht auf vorgezogene Parlamentswahlen zu verteidigen, hatte Präsidentin Maia Sandu die Menschen aufgerufen. Sie wandte sich an die Generalstaatsanwaltschaft mit einer Klage gegen die parlamentarische Mehrheit, die zuerst im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie den Ausnahmezustand ausgerufen und am Vorabend einen Beschluss über einen Wechsel des Vorsitzenden des Verfassungsgerichts verabschiedet hatte. Die Abgeordneten werfen dem Verfassungsgericht die illegale Entscheidung über die Auflösung des Parlaments auf Bitten der Präsidentin vor. Das Verfassungsgericht beabsichtigt am Mittwoch, die Legitimität der Verhängung des Regimes eines Ausnahmezustands im Land zu erörtern.

Das, was in Moldawien geschieht, kann man als einen geplanten Umsturz bezeichnen. Die von Präsidentin Maia Sandu angeführten rechten Parteien schicken sich an, die linke Front in Gestalt der Partei der Sozialisten, deren Vertretung im Parlament die größte ist, zu neutralisieren. Sandu hofft, dass bei den vorgezogenen Wahlen die Präsidenten-Partei PAS eine Unterstützung der Mehrheit der Wähler erhält. Öffentlichen Meinungsumfragen nach zu urteilen wird jedoch nicht eine der Parteien, die ins Parlament einziehen werden, eigenständig eine parlamentarische Mehrheit bilden können. Der Gewinner wird mit noch irgendwem eine Allianz eingehen müssen.

Im Grunde genommen war dies so auch im Jahr 2019, als die siegende Partei der Sozialisten eine Koalition mit dem Block rechter Parteien ACUM eine Koalition bildete. Diesem Block gehörten zwei Parteien an, von denen eine die PAS von Maia Sandu war. Die im Jahr 2019 etablierte parlamentarische Mehrheit bildete eine Regierung unter Führung von Maia Sandu. Nach der Wahl Sandus zur Präsidentin stiegen die rechten Parteien aus der Koalition mit den Linken aus. Die Sozialisten bildeten aber eine neue Mehrheit, zuerst mit den Demokraten und dann mit der Partei „Schor“ (benannt nach dem Oligarchen Ilan Schor – Anmerkung der Redaktion). Jetzt versucht Maia Sandu, ein neues Parlament zu bilden, das auf die EU und die USA orientiert ist. Die heute herrschenden Sozialisten mit Ex-Präsident Igor Dodon an der Spitze haben nach Russland orientiert. Folglich kann ein Parlamentswechsel in Moldawien eine Änderung des geopolitischen Kurses bedeuten, sagte Anatol Țăranu, Leiter des Kischinjower Zentrums für strategische Forschungen und politisches Consulting „Politicon“, gegenüber der „NG“.

Am Montag begann Sandu eine Attacke gegen das derzeitige Parlament, indem sie ihre Anhänger zum Gebäude des Verfassungsgerichts rief. Am Vorabend hatte sie die Möglichkeit von Massen-Protestaktionen mit der Forderung nach einer schnellstmöglichen Organisierung vorgezogener Wahlen nicht ausgeschlossen. „Ich möchte den Bürgern sagen, dass sie bereit sind — ich hoffe, dass dafür keine Notwendigkeit bestehen wird, aber im Bedarfsfall – dass sie bereit sind, zu kommen und unser Verfassungsrecht auf Wahlen zu verteidigen“, sagte Maia Sandu. Am Montag schien es, dass die Präsidentin einen Bedarf an der Unterstützung des Volkes hat. Und Sandus Anhänger kamen zum Verfassungsgericht.

Es sei daran erinnert, dass die Partei der Sozialisten und „Schor“ eine Deklaration über eine Machtusurpation durch drei Richter des Verfassungsgerichts, die für eine Auflösung des Parlaments auf Bitten der Präsidentin gestimmt hatten, verabschiedeten. Der Führer der Sozialdemokratischen Partei Viktor Schelin sagte der „NG“, dass das Verfassungsgericht entgegen dem Gesetz gehandelt habe, indem es solch eine Entscheidung traf. Dabei betonte er aber, dass es unmöglich sei, die Richter des Verfassungsgerichts abzusetzen, da in der Landesverfassung dafür nur ein Anlass ausgewiesen wird – die Verübung eines Verbrechens.  Und es gebe keine Beweise für ein Verbrechen, das durch die Richter verübt wurde, genauso wie es auch keine Beweise für einen kriminellen Komplott zwischen ihnen gebe, sagte Schelin.

Dennoch votierte die parlamentarische Mehrheit dieser Tage für das Entziehen des Mandats der Richterin des Verfassungsgerichts Domnica Manole und benannte einen neuen Verfassungsrichter. Diese Entscheidungen löste scharfe Kritik seitens der Opposition aus, deren Vertreter am Gebäude des Verfassungsgerichts zusammengekommen sind. Und die Abgeordneten der Partei PAS legten Protest gegen die verabschiedeten Beschlüsse ein.

Am späten Abend wurde bekannt, dass das Verfassungsgericht die Entscheidungen über die Entlassung von Frau Manole als Verfassungsrichterin und die Ernennung von Boris Lupașcu an ihre Stelle aussetzte.

Präsidentin Maia Sandu wandte sich an die Generalstaatsanwaltschaft mit der Bitte, die Handlungen der parlamentarischen Mehrheit der Partei der Sozialisten und von „Schor“ aus der Sicht einer Usurpation der Staatsgewalt zu untersuchen. In der Generalstaatsanwaltschaft beabsichtigt man, die Frage kurzfristig zu prüfen.

„Gemäß der gesetzlichen Grundlagen kann das Parlament keinen Richter des Verfassungsgerichts entlassen. Nach dieser verfassungswidrigen Abstimmung folgte noch eine verfassungswidrige Handlung – der Versuch, eine andere Person zum Richter des Verfassungsgerichts zu ernennen. Es gibt in diesem Parlament Abgeordnete, die in keiner Weise vor ein Gericht der Bürger geraten wollen“, erklärte Maia Sanda im öffentlichen Fernsehen.

Sie bat die Rechtsschutzorgane, keine Destabilisierung der Situation im Land zuzulassen. „Ich habe ein klares Signal an die Rechtsschutzorgane gesandt, nicht an der Umsetzung von der Verfassung und den Gesetzen widersprechenden Befehlen teilzunehmen. Sondern die Verfassungsordnung zu gewährleisten, darunter die Sicherheit der Mitglieder des Verfassungsgerichts“, sagte Sandu. Um das Verfassungsgericht wurde dementsprechend eine Bewachung aufgestellt.

Der Sozialisten-Führer Igor Dodon rief die PAS und die Präsidentin zu einem Dialog auf. In der Präsidentenpartei hat man jedoch Konsultationen mit den Sozialisten abgelehnt. Der PAS-Abgeordnete Igor Grosu teilte mit, dass die Maßnahmen drei Tage, bis zum 28. April andauern würden, „wenn den Richtern des Verfassungsgerichtes bevorsteht, eine Entscheidung über die Legitimität der Verhängung des Ausnahmezustands in unserem Land zu treffen“.

Die ausländischen Partner der Republik Moldowa haben Maia Sandu unterstützt. Der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel bezeichnete „als eine Attacke die Handlungen der Abgeordneten der Partei der Sozialisten der Republik Moldowa und der Partei „Schor“, für die Annahme der Beschlüsse gegen das Verfassungsgericht und mehrere Richter gestimmt hatten“. Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen erklärte: „Ich bekunde den Anstrengungen von Maia Sandu zur Reformierung und Gewährleistung der Achtung der Hoheit des Rechtes volle Unterstützung“. Die Botschaften Frankreichs, Deutschlands und Rumäniens in Moldawien bekundeten Besorgnis über die Versuche, die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts zu verändern.

„Wir unterstützen vollkommen die demokratisch gewählte Präsidentin Maia Sandu und das moldawische Volk in dem Bestreben, mit legalen Mitteln die Hoheit des Rechts zu verteidigen“, schrieb der ukrainische Außenminister Dmitrij Kuleba auf Twitter.

Die politische Krise in Moldawien geht weiter. Sie kann aber gelöst werden, wenn Maia Sandu die Möglichkeit erhält, einen Erlass über die Auflösung des Parlaments herauszugeben. Dies erfolgt, wenn das Verfassungsgericht am Mittwoch den Ausnahmezustand im Land aufhebt.