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Schon bald wird Tokajew für den durch die Bevölkerung gewährten Vertrauenskredit zahlen müssen


Die Zentrale Wahlkommission Kasachstans hat am 22. November die offiziellen Ergebnisse zu den Präsidentschaftswahlen bekanntgegeben. Bei einer Anzahl der registrierten Wahlberechtigten von 11 953 465 Bürgern belief sich die Wahlbeteiligung am 20. November auf 69,44 Prozent. Den amtierenden Präsidenten Qassym-Schomart Tokajew unterstützten 81,31 Prozent der Wahlteilnehmer oder 456 492 Bürger. Ein wunderbares Ergebnis. Man kann den Politiker beglückwünschen, der am kommenden Montag (28. November) zu einem Treffen mit Russlands Staatsoberhaupt Wladimir Putin zusammenkommen wird. Er ist das erste Mal nicht als „Nachfolger“, als ein „Eingesetzter“, als „Mitglied eines Teams“ und in einer „Liste“ zu den Wahlen angetreten, sondern kandidierte als ein unabhängiger selbständiger Politiker, der eine große Schule des politischen Kampfes durchlaufen hatte und im Ergebnis überzeugend mit einem riesigen Vorsprung siegte.

Es wird viele begeisterte Beiträge, Wertungen und Demonstrationen für eine Unterstützung, für eine Anteilname geben – sowohl in als auch außerhalb Kasachstans. Die Wahlen verliefen wirklich hochorganisiert, was für dieses Land eine Norm ist. Der wohl einzige unangenehme Aspekt ist, dass der „Kandidat gegen alle“ vorab alle wenig bekannten Konkurrenten des Präsidenten übertrumpf hatte. Objektiv gibt es für die Bürger Kasachstans einfach keine Anlässe für irgendwelche Proteste. Die Offiziellen vermochten die notwendigen Bedingungen für eine freie Willensbekundung der Bürger schaffen. Der Teufel steckt aber, wie es so schön heißt, im Detail. (Und die ODIHR-Wahlbeobachter konstatierten gleichfalls nach dem Wahlsonntag, dass bei den Wahlen keine richtigen Konkurrenzbedingungen bestanden hätten. – Anmerkung der Redaktion).

Die einfache Mathematik zeigt, dass den wiedergewählten Präsidenten Kasachstans faktisch etwa 54 Prozent der Wähler unterstützten. Anders gesagt: Beinahe 46 Prozent der Bevölkerung der Republik über 18 Jahre hielten es nicht für möglich, aktiv und klar eine Unterstützung für Tokajew zu bekunden. Und die meisten von diesem Teil der Wähler sind die sozial-ökonomische und politische Basis des Staatsaufbaus. Für eine größere Objektivität kann man einige Prozent wegstreichen, die für die Wahlberechtigten stehen, die aufgrund objektiver Ursachen nicht votieren konnten. Aber bestimmt 40 Prozent haben die Position zumindest von abseitsstehenden Beobachtern eingenommen (und dies im besten Fall). Und es wichtig, dass dies das wiedergewählte Staatsoberhaupt begreift.

Die Wahlkampflosung von Qassym-Schomart Tokajew „Ein gerechtes Kasachstan – für alle und jeden“ bürdet ihm eine große Verantwortung auf. Wenn die Bürger im Verlauf der nächsten Jahre eben diese „Gerechtigkeit“ in Wirklichkeit nicht zu spüren bekommen, wird es schwierig werden, eine Prognose dafür anzustellen, wie sich die Stimmung dieser ca. 46 Prozent der Wähler verändern wird. Außerdem muss angenommen werden, dass von den 54 Prozent der Unterstützer einige offensichtlich diese Wahl „aus Trägheit“, „entsprechend der Tradition“ der Unterstützung für die zentralen Offiziellen oder als Gewährung eines Vertrauenskredits, den Kasachstans Präsident auch rechtfertigen muss, getroffen haben.

Man muss große Aufmerksamkeit auf jene Tatsache lenken, dass in den drei bevölkerungsreichsten Städten Kasachstans die Wahlbeteiligung erheblich geringer als in den anderen Regionen gewesen war. In Astana und Almaty, wo die Anzahl der Menschen mit einer Hochschulausbildung proportional erheblich größer als sonst noch irgendwo in der Republik ist, sind die Werte die folgenden: 48,6 bzw. 28,72 Prozent. Gleichfalls wesentlich geringer als die durchschnittliche war die Wahlbeteiligung in einer der drei Städte mit einer Bevölkerung von mehr als eine Million Menschen – in Tschimkent: 59,79 Prozent. Dies ist ein recht besorgniserregendes Signal für die Offiziellen. In diesen Orten sind rund 25 Prozent der gesamten Bevölkerung Kasachstans konzentriert.

In seiner jüngsten Ansprache an das Volk skizzierte Tokajew Pläne für große Veränderungen im Leben der Republik. Die Bürger erwarten signifikante Veränderungen gerade in der innerstaatlichen Komponente der Politik der Herrschenden. Die große Unterstützung der für Tokajew votierenden Kasachstaner ist mit den Erwartungen baldiger Verbesserungen im Leben der Durchschnittsbürger zu erklären.

Zweifellos verstärkt die Aktivität von Kasachstans Präsident in der internationalen Arena die Wiedererkennbarkeit der Republik in der Welt, hebt das Ansehen von Politikern an, beeinflusst aber direkt schwach das Leben der einfachen Menschen. Doch logische Ketten von Wechselbeziehungen zwischen diesen Erscheinungen herzustellen, ist ein Teil der Wähler der Republik nicht in der Lage.

Wenn in deinem Land über 25 große internationale Konzerne Energieressourcen, Metalle, Uran und andere Rohstoffe fördern, wenn sich rund 70 Prozent der Wirtschaft unter der Kontrolle der Angelsachen befinden (andere Experten sprechen von etwa zwei Drittel – Anmerkung der Redaktio0n, Quelle: https://ia-centr.ru/experts/vyacheslav-shchekunskikh/zapadnyy-investor-ne-gost-a-khozyain-v-kazakhstane/), ist die Position des professionellen Diplomaten Qassym-Schomart Tokajew, die von ihm formuliert wurde: „… Wir sind einfach verpflichtet, eine – wie es heute üblicherweise heißt – eine Mehrvektoren-Außenpolitik zu verfolgen…“, verständlich und erklärbar. Aber das historische Gesetz, das von uns (in Moskau – „NG“) jüngst entdeckt wurde, lautet: Das Ergebnis einer Mehrvektoren-Politik ist stets ein Staatsstreich. Und es scheint sehr, dass dies aus russischer Sicht nicht einmal ein historisches Gesetz, sondern ein Axiom ist.

Im ersten Halbjahr des kommenden Jahres sollen laut Plan des wiedergewählten Präsidenten vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden. Und dies wird das letzte Mal sein, dass Tokajew von der Bevölkerung einen „Vertrauenskredit“ erbitten wird. Weiter sind die Kredite zurückzuzahlen.

Tokajew hat nur ganze sieben Jahre. Und wenn das Volk von Kasachstan nicht erneut Veränderungen an der Landesverfassung vornimmt, wird der Präsident bereits in fünf Jahren zu einer „hinkenden Ente“ selbst bei Vorhandensein eines Nachfolgers, genauer gesagt: besonders bei seinem Vorhandensein. In eben jener Zeit wird es die Opposition schaffen, sich gründlich vorzubereiten. Und ihre Wege können unterschiedliche sein – von offenkundigen und offensichtlichen bis zu verdeckten Handlungen. Der Osten ist eine diffizile Angelegenheit. Bisher ist die Situation im Land weit von einer unbewölkten entfernt. Ungeachtet des überzeugenden Sieges von Qassym-Schomart Tokajew hat sich fast die Hälfte der Bevölkerung, indem sie nicht an die Wahlurnen gekommen war, womit sie letztlich „gegen alle“ und für wenig bekannte Kandidaten votierte hatte, von einer Unterstützung für die heutigen Offiziellen selbst distanziert.