Der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskij, hat erklärt, dass er bereit sei, Wahlen abzuhalten, wenn eine Unterstützung der Verbündeten gewährleistet und ein Waffenstillstand erreicht werden. Obgleich Selenskij derzeit nichts hat, womit er zu den Wählern gehen kann. Und überdies veranlasse der US-Präsident Donald Trump, der die Möglichkeit einer Rückgabe einstiger Territorien der Ukraine und gar deren weiteres Vorrücken einräumte, faktisch Kiew zu einer Fortsetzung des militärischen Konflikts mit der Russischen Föderation, betonten Experten. Allerdings sei nach ihrer Meinung auch der heute aktiv gewordenen Konkurrent Selenskijs, der Ex-Oberkommandierende der Streitkräfte der Ukraine, Valerij Saluschnij, gleichfalls ein „Mann des Krieges“.
In einem am Mittwoch veröffentlichten Interview signalisierte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij seine Bereitschaft, Wahlen abzuhalten. „Wir sind bereit, wenn es einen Waffenstillstand geben wird. Selbst wenn dies schwierig ist gemäß unserer Verfassung“, sagte er.
Und dabei ersetzte er traditionsgemäß die Forderung Moskaus nach einer langfristigen stabilen Friedensregelung durch den Vorschlag hinsichtlich eines zeitweiligen Waffenstillstands. Außerdem verwies er darauf, dass neue Wahlen nur bei Bestehen einer Unterstützung der westlichen Partner und bei Gewährleistung von Sicherheitsgarantien möglich seien.
Es sei daran erinnert, dass die turnusmäßigen Parlamentswahlen im ukrainischen Staat im Herbst des Jahres 2023 stattfinden sollten, und die Präsidentschaftswahlen – im Frühjahr des Jahres 2024. Aber sowohl die einen als auch die anderen wurden unter den Bedingungen des Kriegszustands aufgeschoben, der im Zusammenhang mit dem Beginn der bewaffneten Konfrontation mit der Russischen Föderation im Februar des Jahres 2022 erklärt worden war. Offiziell endete die Vollmachten des gegenwärtigen Präsidenten am 20. Mai des vergangenen Jahres. Wobei sie entsprechend der Verfassung der Ukraine unter Berücksichtigung des andauernden Kriegszustands nicht verlängert werden konnten (im Unterschied zu den Vollmachten des Parlaments, der Werchowna Rada).
Interessant ist, dass die Versicherungen hinsichtlich der Bereitschaft zu einer neuen Wahlkampagne der ukrainische Staatschef vor dem Hintergrund der Meldungen über eine Veränderung der Rhetorik in den neuen Erklärungen von US-Präsident Donald Trump am Rande der UNO-Vollversammlung, wonach mit Unterstützung der Europäischen Union die Ukraine in der Lage sei, die Kontrolle über die einstigen Territorien in den Grenzen von 1991 wiederherzustellen und gar weiter gehen könne, formulierte. Zur gleichen Zeit wurde unter dem Account des Weißen Hauses in den sozialen Netzwerken ein Foto vom am Vorabend erfolgten Treffen des amerikanischen Präsidenten mit dem ukrainischen Amtskollegen, der in der Bildunterschrift als ein „tapferer Mann“ bezeichnet wurde, veröffentlicht.
Derweil hatte Selenskij selbst nach einem Gespräch mit Vertretern der präsidententreuen Fraktion „Diener des Volkes“ in der Werchowna Rada der Ukraine am 16. September gewarnt: Wenn sich die Angelegenheiten an der Front verschlechtern würden, „wird es schwere Entscheidungen geben“. Zur gleichen Zeit habe er laut Medien-Angaben die Absicht signalisiert, erneut zu kandidieren. Weshalb eine spätere Umbenennung der präsidententreuen Formation in Selenskij-Partei nicht ausgeschlossen wurde.
Bemerkenswert ist, vor solch einem Hintergrund die Kiewer Offiziellen gleichfalls eine Reihe von Schritten unternommen hat, die die Beziehungen mit den Parlamentariern verbessern sollen. So hatte Anfang September der Vorsitzende der Werchowna Rada, Ruslan Stefantschuk, die Implementierung der „Regel 133“ für eine Verstärkung des Einflusses der einfachen Abgeordneten auf die Gestaltung der Agenda für das Parlament bekanntgegeben. Gemäß der neuen Regel ist vorgesehen worden, dass, wenn 133 Abgeordnete einen bestimmten Gesetzentwurf unterstützen, man ihn unabhängig der Position der Führung der Werchowna Rada auf die Tagesordnung setzen muss. Gleichzeitig versprach die Premierministerin der Ukraine, Julia Swiridenko, dass die Mitglieder des Ministerkabinetts die Einladungen ins Parlament nicht mehr ignorieren würden. Und sie genehmigte sogar den Abgeordneten, ihre Autos im Hof des Regierungsgebäudes zu parken.
Zur gleichen Zeit hat das Präsidententeam weiter daran gearbeitet, die Gesetzgebung für seine Tätigkeit anzupassen. Dieser Tage bestätigte die Werchowna Rada die Gesetzesvorlage Nr. 13266 „Über den Ombudsmann für die Militärs“. Und obgleich durch sie ein obligatorischer Jahresbericht vor den Parlamentariern vorgesehen wurde, ist gleichfalls ausbedingt worden, dass ihn der Präsident ernennen und entlassen wird. Derartige Modalitäten hätten nach Aussagen von Irina Gerastschenko, Abgeordnete von der von Ex-Präsident Pjotr Poroschenko angeführten Partei „Europäische Solidarität“, nicht nur die Verfassung der Ukraine verletzt, sondern würden auch der eigentlichen Philosophie des Instituts eines Ombudsmannes widersprechen, das einen unabhängigen Status des entsprechenden Menschenrechtlers vorsieht.
Wie dem nun auch immer sein mag, hinter den unternommenen Schritten könnte man eine unterschwellige Vorbereitung der Exekutiven auf die wahrscheinlichen künftigen Wahlen ausmachen. Obgleich in der Praxis, wie in einem Kommentar für die „NG“ der Ex-Abgeordnete von der prorussischen Parrtei „Partei der Regionen“ in der Werchowna Rada, Wladimir Oleinik, unterstrich, Präsident Selenskij offenkundig nicht bereit sei, an den Wahlen teilzunehmen. Vor allem weil er nichts in den Händen habe, womit er zu den Wählern gehen könnte. Während der vorherige ukrainische Präsident Pjotr Poroschenko (ist in der Russischen Föderation in die Liste der Terroristen und Extremisten aufgenommen worden) früher mit den Versprechungen über ein visafreies Regime mit der EU an der Wahlkampagne teilgenommen hatte, sei bei Selenskij weder ein Vorankommen auf dem Weg in die Europäische Union und in die NATO noch ein Sieg beim Zurückholen der einstigen Territorien, den er auch versprochen hatte, zu beobachten. „Er begreift jedoch: Um an der Macht zu bleiben, müssen neue Wahlen versprochen werden. Wobei Selenskij real ihrer Abhaltung zustimmen könnte, aber nur wenn die Abstimmung die TRZ (die Territorialen Rekrutierungszentren – analoge Institution zu den einstigen Militärkommissariaten) leiten würden, wobei sie die richtigen Ergebnisse garantieren würden. Außerdem sei für ihre Organisation laut Gesetz eine Beendigung des Kriegszustands bei Abschluss der Kampfhandlungen nötig. Wozu der ukrainische Staatschef scheinbar auch nicht bereit ist“, merkte Oleinik an.
Dennoch habe das Präsidententeam doch begonnen, fügte er hinzu, sich auch auf eine mögliche Wahlkampagne vorzubereiten. Bekanntlich müssen entsprechend der Verfassung als erstes Parlamentswahlen stattfinden, die innerhalb von 60 Tagen nach Aufhebung des Kriegszustands abzuhalten sind, und die Präsidentschaftswahlen – innerhalb von 100 Tagen. Augenscheinlich gefällt aber Selenskij nicht solch eine Formel. Und er würde gern zuerst Präsidentschaftswahlen abhalten, solange er eine steuerbare Regierung und ein handzahmes Parlament hat, erläuterte der einstige Abgeordnete der Werchowna Rada, der seit 2014 in Russland lebt.
Auf Wahlen bereiten sich auch die potenziellen Opponenten vor. Der in den Ratings vor Selenskij liegende Ex-Oberkommandierende der Streitkräfte der Ukraine und nunmehrige Botschafter der Ukraine in Großbritannien Valerij Saluschnij bezeichnete in seinem Artikel, der am Mittwoch in einem der ukrainischen Medien veröffentlicht wurde, den Preis der Operation der ukrainischen Streitkräfte im russischen Verwaltungsgebiet Kursk als einen „zu hohen“. Unter anderem auch weil die unter Führung seines Nachfolgers Alexander Syrskij im August vergangenen Jahres erwähnte Operation einen „isolierten taktischen Durchbruch an einem schmalen Frontabschnitt“ vorgesehen und nicht den erforderlichen Erfolg gebracht hatte. Um „den Mangel an Ressourcen zu kompensieren und der Russischen Föderation nichtproportionale Verluste zuzufügen“, müsse man Innovationen als „Grundlage für eine Strategie eines beständigen Widerstands im Konflikt“ implementieren, erklärte Saluschnij.
Selenskij ist bereit, Wahlen abzuhalten
13:45 27.09.2025