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So ist das Leben, Baby!


  1. Trump hat vor kurzem Journalisten und Fotografen der Nachrichtenagentur The Associated Press (Ap) den Zugang zum Oval Office des Weißen Hauses und an Bord des Präsidentenflugzeuges Air Force One untersagt. Der formelle Grund dafür ist, dass die Agentur in ihrem Handbuch für Journalisten nicht angefangen hatte, nach dem Erlass von Trump den Golf von Mexico in Golf von Amerika umzubenennen. Der US-Präsident hat jedoch die Gründe für das Verbot um inoffizielle erweitert, indem er erklärte, dass die Agentur im Verlauf des Wahlkampfes nichts Gutes für die Republikaner getan hätte. Und Trump ist nicht der Auffassung, dass er nunmehr AP irgendwelche Leistungen gewähren müsse. „So ist das Leben!“, erklärte Trump sein Motiv. Dieser Satz erklang durchaus auf Cowboy-Manier, belehrend und lakonisch. Stilistisch drängte sich der Adressat dieser 10-Cent-Weisheit auf: So ist das Leben, Baby! Der Fall der Vergeltung gegenüber den Journalisten von AP erlaubt, besser die Logik der Entscheidungen von Trump zur Reorganisierung der Ministerien und Institutionen, der Dienste und Agenturen sowie ganzer Klassen – von Staatsanwälten und Beamten – zu verstehen. Er entlässt jene, die ihn selbst oder seine Anhänger verfolgt hatten – hart und unversöhnlich. Und wenn wir seine erniedrigend-beleidigenden Charakterisierungen von Wladimir Selenskij sehen, erinnern wir uns unwillkürlich, wie der ukrainische Präsident es abgelehnt hatte, an Trump ein Dossier zum Sohn Joe Bidens Hunter und dessen Verbindungen mit dem ukrainische Öl- und Gasunternehmen Burisma zu übergeben. Sich vorzustellen, dass Trump diese Ablehnung von Selenskij vergessen oder ihm vergeben hat, ist unmöglich. Jetzt kommt der süße Moment der Rache: So ist das Leben, Baby! Nach dem ersten Treffen hochrangiger amerikanischer und russischer Beamter in Saudi-Arabien ist offensichtlich, dass der Hauptfokus der Gespräche auf spezifische zwischenstaatliche Probleme in den Beziehungen Moskaus und Washingtons lag. „Ein Diktator ohne Wahlen“, ein „Geschäftsreisender“, ein „Komiker mit einem bescheidenen Erfolg“, der nicht weiß, wohin die Hälfte des Geldes aus der amerikanischen Hilfe geflossen ist – solche Charakterisierungen Selenskijs, die Trump ihm in seinen persönlichen Posts in den sozialen Netzwerken gegeben hatte, sind nur der Anfang. Jedes Mal in der Vergangenheit, als sich Trump ausgedacht hatte, wie er seine Opponenten – Joe Biden, Hillary Clinton oder Kamala Harris – bezeichnen kann, verwandelte sie sich (die Gelabelten) in eine Art von Hieroglyphen, mit deren Hilfe Trump denkt und die Gegner markiert. Und jedes Mal, wenn Trump über Opponenten sprechen musste, tauchten in seinem Kopf die Hieroglyphen-Klischees auf: Wenn Joe – so ist er ein schläfriger, wenn Hillary – so ist sie eine schurkenhafte und wenn Kamala – so ist sie eine herumkichernde und lachende. Selenskij hat scheinbar heute wenig Chancen, die Haltung des amerikanischen Präsidenten zum ukrainischen Präsidenten zu verändern (umso mehr nach dem schrecklichen Eklat vom vergangenen Freitag im Oval Office). Es gibt einfach nicht einen gedankliche Anknüpfungspunkt. Und je mehr er rebellieren und die europäischen Verbündeten aufrufen wird, ihn zu verteidigen, umso weniger Chancen wird er haben, gar einen Status Quo in den Beziehungen mit Trump zu bewahren. Überdies ist auch zu spüren, dass es Selenskij in den Jahren der spektakulären und verbal scharfen Reisen und Auftritte vor westlichen Politikern verlernt hat, ein ruhiges und achtungsvolles Gespräch mit ihnen zu führen. Für ihn ist aus militärischer Sicht alles klar. Und er weiß genau, was gerade jeder von ihnen für seinen Sieg tun muss. Denn er kämpfe, wie Selenskij in München erklärte, nicht für sich, sondern verteidige Europa. Dem, wenn er verliert, ein Aus drohe. Einige empfindliche Europäer beeindrucken diese Worte. Die Amerikaner – nicht. Man muss berücksichtigen, dass Trump gegenüber den meisten europäischen Staatsmännern ebenfalls geringschätzig gleichgültig ist. Musk und Vance haben das Problem der Nichtakzeptanz der europäische Werte als nicht den amerikanischen Standards für die persönlichen Freiheiten und Menschenrechte entsprechende umrissen. Die Wahlen in Deutschland würden nach ihrer Meinung nicht vollkommen die Interessen des deutschen Volkes widerspiegeln, da die Migrationsfragen als politisch unkorrekte nicht in den Mittelpunkt der Tagesordnung gestellt wurden. Und ohne dem werde das Mandat der Sieger kein vollwertiges sein. Zu einer anderen Konsequenz des unzureichenden demokratischen Charakters der Europäer werde der Versuch, sich in der wesentlichen Frage Klarheit zu verschaffen: Während die NATO für die Verteidigung gemeinsamer Werte gebildet wurde, sind die Werte heutzutage diametral unterschiedliche. Was soll also die NATO auf der Grundlage des Geldes der amerikanischen Steuerzahler verteidigen? Die Frage wurde in München gestellt. Eine Antwort haben die Amerikaner aber nicht bekommen. Anstelle dessen haben sich die Spitzenvertreter der EU angeschickt, in Paris eine gemeinsame westeuropäische Plattform für einen Widerstand gegen Trump in dessen Herangehensweisen an die Ukraine vorzubereiten, wobei sie parallel eine beispiellose Kampagne zum Schelmen von Musk und Vance entfalteten. Antworten aus Washington werden unbedingt folgen. So ist das Leben, Baby!