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Sollen die Medien die Nationalität von Straftätern ausweisen


Der Vorsitzende des Ausschusses des Föderationsrates (des Oberhauses des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) für Verfassungsgesetzgebung, Andrej Klischas („Einiges Russland“), hat erklärt, dass die vom Parlament Tschetscheniens vorgeschlagene Gesetzesvorlage, die den Massenmedien verbieten soll, die Nationalität von Straftätern zu nennen, „eine ernsthafte öffentliche Diskussion erfordert“. Der Senator selbst unterstützt die vorgeschlagene Vorgehensweise. Ein Straftäter habe nach seinen Worten „weder eine Nationalität noch eine Religion“.

Die Autoren des Gesetzentwurfs haben erläutert, was sie befürchten. Nach ihrer Meinung könnten die Massenmedien, indem sie die Nationalität von Straftätern nennen, eine negative Haltung zu einer bestimmten ethnischen Gruppe ausprägen. „Jedes nichtdurchdachte und unvorsichtig geäußerte Wort kann zum Detonator einer sozialen Explosion werden“, meinen die tschetschenischen Parlamentarier, „zum Schüren zwischennationaler und interkonfessioneller Feindschaft führen“. Erwartungsgemäß hat Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow („Einiges Russland“) die Gesetzesvorlage unterstützt. Er wandte sich an die Kritiker dieser Initiative und erklärte: „Wollen Sie eine völlig absolute Pressefreiheit? Nun los! Nennen Sie ab dem morgigen Tag alle – ein Russe, ein Baschkire, ein Kosake, ein Tatar, ein Jude, ein Udmurte, ein Burjate, ein Jakute… Ausnahmslos alle! Nebenbei erfahren wir, wer am meisten das Gesetz übertritt“.

Kritik am Gesetzentwurf wird aus dem Rat für Menschenrechtsfragen beim Präsidenten der Russischen Föderation laut. Der Vorsitzende des Journalistenverbands Moskaus Pawel Gusjew bezeichnete unter anderem die vorgeschlagene Änderung am Gesetz über die Massenmedien als eine überflüssige. Er ist der Auffassung, dass ein Journalist mitunter einfach kein Recht hat, das Thema der Nationalität nicht zu tangieren, besonders wenn es um ethnische, territoriale und Militärkriminalität gehe. Nach Aussagen der Journalistin und Menschenrechtlerin Eva Merkatschjowa habe jeder Mensch ein Geschlecht, ein Alter, eine Bildung. Irgendwo sei er geboren worden. Indem die Massenmedien diese Informationen mitteilen, würden sie zu verstehen geben, warum das eine oder andere Verbrechen begangen werden konnte, und „ein Nachdenken und eine Prophylaxe“ fördern.

Zweifellos kann die Reaktion auf die Informationen eine unterschiedliche sein. Wenn ein Mensch im Internet liest, dass „X-Men“ (hier kann man jegliche Ethnie nennen) irgendwen in der Metro zusammengeschlagen haben, könne in ihm ein schlummernder, latenter Nationalismus erwachen. Fremdenfeindliche Gruppen sammeln oft solche Meldungen und gestalten auf deren Grundlage ihr radikales Narrativ. Aber solch ein Geist ist so bizarr entwickelt, dass er bereit ist, aus den allgemeinsten Materialien die nötigen Informationen herauszufischen und tendenziös auszulegen – über die Aggression Zugereister, über „Verschwörungen“, um dem russischen Volk zu schaden usw.

Möchte man ungern solche Menschen ein unnötiges Mal in Aufregung versetzen? Natürlich. Dies ist aber kein Anlass, alle Bürger in einem Verfassungsrecht einschränken, und zwar dem auf den Zugang zu Informationen. Wenn eine ethnische Gruppe ein Verbrechen verübt, wenn dies regelmäßig erfolgt und der Journalist über gewisse Menschen ohne Charakteristika schreibt, ergibt sich, dass er den Leser betrügt, gegen die Prinzipien seines Berufs verstößt sowie intellektuelles und moralisches Misstrauen gegenüber jener Gesellschaft demonstriert, in der er lebt.

Wenn sich in den USA oder in Europa Unruhen auf zwischennationaler Ebene oder auf der Grundlage von Konflikten zwischen den Rassen ereignen, hören wir oft von unseren Offiziellen, dass in Russland Frieden, Harmonie und eine Freundschaft der Völker herrschen würden. Wenn man jedoch der Logik der Autoren des Gesetzentwurfs über das Verbot, die Nationalität von Straftätern zu nennen, folgt, ergibt sich, dass dieser Frieden und diese Harmonie sehr zerbrechliche sind. Man soll sie bewahren, indem man die Wahrheit verschleiert. Es ist interessant: Was für eine Reaktion der Gesellschaft kann es auf ein derartiges Verschweigen geben? Sie ist an und für sich eine recht informierte, sie spürt, wenn man ihr irgendetwas verheimlicht, und wird dennoch die nötigen Angaben, und dies in der radikalsten Form, erhalten.

Die Worte, wonach Straftäter keine Nationalität und Religion hätten, sind hübsche. Sie führen aber vom Wesen weg. Veranlassen zu denken, dass Verbrechen gewisse Menschen ohne eine Biografie, ohne Eigenschaften verüben. Eben jene „X-Men“, fast Außerirdische. Einen Verbrecher muss man einfach von der Gesellschaft entfernen, wobei weder ausführlich darüber berichtet wird, wer er ist, noch darüber, was er getan hat. Dies ist eine gefährliche Illusion. Sie hilft nicht, weder das Wesen des Verbrechens zu untersuchen noch dies zu bekämpfen.

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Bischof Sawwa (Tutunow) kritisierte den Gesetzentwurf über das Verbot, in den Medien die Nationalität von Straftätern auszuweisen

Andrej Melnikow

Der Vikar des Patriarchen von Moskau und Ganz Russland, Bischof Sawwa (Tutunow) hat den Gesetzentwurf über das Verbot, in den Massenmedien die Nationalität und konfessionelle Bindung von Verbrechern auszuweisen, kritisiert. Nach Meinung des Geistlichen gebe es historisch in Russland keine Islamophobie. Und der Vertreter der Russischen orthodoxen Kirche bemerkt sie auch nicht in unseren Tagen. „Eine negative Reaktion (darunter solch eine Erscheinung wie das Akzentuieren der nationalen Zugehörigkeit bei der Verübung der einen oder anderen Handlungen) ergibt sich als Antwort auf eine deutlich ausgeprägte Ablehnung, sich in die russische Gesellschaft zu integrieren (darunter, wenn das Verüben von Straftaten mit einem Ausbleiben einer Integration in unseren rechtlichen und kulturellen Raum verbunden ist), oder auf markant ausgeprägte separatistische regionale Tendenzen (solch wie beispielsweise das Ignorieren der Staatsflagge durch nationale Sportler oder ein Leben entsprechend den Gesetzen des gewohnten regionalen Rechts und nicht entsprechend den Gesetzen des Staates)“, schrieb Tutunow in seinem Telegram-Kanal. Mehrere moslemische Funktionäre haben dagegen zu harten Maßnahmen gegen Journalisten aufgerufen, wenn sie weiter die ethnische oder religiöse Zugehörigkeit derjenigen ausweisen würden, die das Gesetz übertreten haben.