Der Ost-Ausschuss unterstützt ausdrücklich die Position der Bundesregierung, russische
Energielieferungen von Sanktionen auszunehmen. Dies ist insbesondere im Hinblick auf
die deutsche Gasversorgung wichtig. Ein kurzfristiger Stopp der Gaseinfuhren aus
Russland würde die Wettbewerbs- und Funktionsfähigkeit ganzer Industriezweige
gefährden — mit Auswirkungen auf alle nachgelagerten Branchen — und das Risiko eines
massiven Konjunktureinbruchs bergen. Zudem wäre die Wärmeversorgung spätestens
ab der nächsten Heizperiode nicht gesichert.
Sanktionen gegen die Einfuhr russischer Energieträger — insbesondere von Gas — stellen
eine Herausforderung für die Versorgungssicherheit Deutschlands dar. Der mit einer
Sanktionierung verbundene weitere Anstieg der weltweiten Energiepreise könnte
zudem die globale Konjunktur erheblich beeinträchtigen, mit entsprechenden negativen
Rückwirkungen auf die exportabhängige, weltweit verwobene deutsche Wirtschaft.
Gerade jetzt brauchen wir eine leistungsfähige Wirtschaft, um die konjunkturellen
Folgen der Corona-Pandemie zu überwinden und die Mittel für die forcierte
Energiewende sowie die verbesserte Ausstattung der Bundeswehr zu erwirtschaften.
Eine wirtschaftliche Rezession würde die Umsetzung dieser Aufgaben erheblich
erschweren und verzögern sowie den sozialen Frieden gefährden.
Mit einem Anteil von ca. 27 Prozent am Primärenergieverbrauch stellt Erdgas den
zweitwichtigsten Energieträger in Deutschland dar. Aktuell machen die russischen
Gasimporte rund die Hälfte des Gasverbrauchs in Deutschland aus. In der Industrie ist
Erdgas vor Strom der wichtigste Energieträger. Die Versorgung Deutschlands mit Erdgas
für Haushalte und Industrie kann kurzfristig nicht anders sichergestellt werden. Die
deutschen Gasspeicher sind derzeit nur zu einem Viertel gefüllt.
Insbesondere sind alternative Beschaffungsrouten für Erdgas kurzfristig nicht
leistungsfähig genug, um eine vollständige Versorgung und Speicherbefüllung für den
kommenden Winter sicherzustellen. Diskutierte Alternativen (Laufzeitverlängerung
AKW, Nutzung Kohlereserven, Steigerung der Gasproduktion in den Niederlanden,
Fracking in Deutschland, Ausbau Erneuerbarer Energien u.a.) können den drohenden
Gasmangel kurzfristig nicht ausgleichen. LNG-Terminals und -angebot sind in
Deutschland und Westeuropa nur unzureichend verfügbar und nicht ausreichend für
den kurzfristigen Ersatz von russischem Gas.
Anders ist die Situation bei Erdöl. Zwar bezieht Deutschland 33 Prozent seiner Ölimporte
aus Russland. Anders als der Gasmarkt ist der Weltmarkt für diesen Energieträger aber
grundsätzlich liquide. Zusätzliche Mengen könnten grundsätzlich von anderen
Förderländern bereitgestellt werden. Der Export von Erdöl aus Russland ist bereits ohne
Sanktionierung durch die EU erheblich beeinträchtigt, nachdem die USA, Kanada und
Großbritannien einen Importstopp verhängt haben und viele Händler und Reeder
russisches Erdöl wegen des Embargorisikos nicht mehr kaufen/transportieren.
Im Gegensatz zu Erdgasimporten ließe sich auch der Ersatz von russischen
Steinkohleimporten vergleichsweise einfach realisieren. Wegen des grundsätzlich
liquiden Weltmarkts lässt sich Steinkohle auch in anderen Märkten beschaffen.
Braunkohle und Braunkohlekraftwerke sind als Ergänzung national verfügbar.
Kohlekraftwerke könnten reaktiviert bzw. deren geplante Abschaltung verschoben
werden.
Die deutsche Wirtschaft unterstützt eine mittel- bis langfristige Substituierung
russischer fossiler Energieträger im Interesse der Versorgungssicherheit und des
Klimaschutzes. Dazu gehören der Ausbau der Erneuerbaren Energien ebenso wie eine
Diversifizierung der Lieferländer und -wege für fossile Energie, Wasserstoff und andere
klimaschonendere Energieträger.
Statement des Ost-Ausschuss-Vorsitzenden Oliver Hermes zur Diskussion um russische Energieimporte
15:37 11.03.2022