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Stepanakert versucht, die Blockade zu durchbrechen


In Stepanakert, der Hauptstadt der nichtanerkannten Republik Bergkarabach, fand am 25. Dezember eine Volkskundgebung statt. Tausende Einwohner von Arzach (die armenische Bezeichnung von Bergkarabach) waren auf den zentralen Platz der Wiedergeburt mit der Forderung gekommen, den Latschin-Korridor zu deblockieren, der die Republik Bergkarabach mit Armenien verbindet. Die Trasse wird bereits zwei Wochen von aserbaidschanischen Aktivisten vollkommen blockiert.

In Bergkarabach beginnt man aufgrund der Blockade einen Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten zu spüren. Die Appelle der internationalen Gemeinschaft an die Adresse Bakus, die einzige Straßenverbindung, die Arzach mit der Außenwelt verbindet, freizugeben, blieben ohne eine Reaktion. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew unterstrich wieder, dass die Blockade des Latschin-Korridors eine innere Angelegenheit der Republik sei und keinerlei Aufrufe und Forderungen von außen die Situation beeinflussen würden.

Es macht Sinn anzunehmen, dass das Sonntagsmeeting Baku noch mehr verhärten kann. Schließlich hatte bei seiner Organisation der Staatsminister von Bergkarabach, Ruben Wardanjan, keine geringe Rolle gespielt. Er hatte sich an die Einwohner der nichtanerkannten Republik gewandt, auf den Platz der Wiedergeburt zu kommen. Baku verlangt seit kurzem die Ausweisung Wardanjans „vom Territorium Aserbaidschans“.

Ruben Wardanjan selbst erklärte in einem Interview für das italienische Blatt TEMPI, dass die Situation im Latschin-Korridor eine schwierige sei, aber die Armenier von Bergkarabach würden nicht beabsichtigen, sich zu ergeben, und weiterhin für ihr Recht kämpfen, auf dem Heimatboden zu leben. „Wir sind vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten und sind bereits mit einer Vielzahl humanitärer Probleme konfrontiert worden. In dieser Situation ergibt sich die Notwendigkeit der Einrichtung einer Luftbrücke“, sagte Wardanjan, wobei er daran erinnerte, dass die Blockade von Arzach im UN-Sicherheitsrat und im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte behandelt worden sei. Und laut der generellen internationalen Bewertung sei die Situation als eine unannehmbare anerkannt worden.

Bergkarabachs Staatsminister hat den eigentlichen Mechanismus der Blockade der nichtanerkannten Republik untersucht. Nach seinen Worten hätten ganz und gar nicht Ökologen die Trasse gesperrt, sondern Mitarbeiter der Geheimdienste Aserbaidschans. „Wir haben Baku vorgeschlagen, eine internationale Kommission zu bilden und zu untersuchen, gibt es irgendeinen ökologischen Schaden durch die Ausbeutung der (Erz-) Lagerstätten. Sie haben aber nicht zugestimmt. Das gesamte Geschehen ist sorgfältig geplant worden. Die Absicht der Aserbaidschaner ist eine politische und keine ökologische. Sie üben Druck auf das Volk von Arzach aus, damit es seinen Boden verlässt“, sagte Wardanjan.

Bei der Beantwortung der Frage nach einer Regelung des Bergkarabach-Konfliktes betonte der Staatsminister: „Die Armenier und Aserbaidschaner sind verschiedene Nationen. Sie haben eine unterschiedliche Kultur, verschiedene Werte. Sie müssen aber eine Form finden, in einer Region wie Nachbarn zu leben und nicht gegeneinander zu kämpfen. Eine Friedensvereinbarung zu erreichen, ist schwierig, aber möglich. Wichtig ist, dass Aserbaidschan Arzach anerkennt. Ich bin sicher, dass, wenn wir von diesem Punkt aus beginnen, wird eine Lösung gefunden werden“.

Auf die Frage nach der Verfolgung seitens Aserbaidschans antwortend, betonte Wardanjan, dass dies aufgrund dessen getan werde, dass er die Stimme des Volkes von Bergkarabach zu einer vernehmbareren machen könne. Und dies sei ein Problem für Baku.

Schon am Sonntag rief er die Einwohner von Arzach auf, „an dem Tag, an dem ein Teil der Welt Weihnachten feiert“, zum Meeting zu kommen. Seine Worte wurden erhört. Und nach 12 Uhr begann sich der Platz der Wiedergeburt nicht nur mit Einwohnern von Stepanakert, sondern auch aus anderen Ortschaften von Bergkarabach zu füllen.

Das Mitglied der Fraktion „Freie Heimat – Vereinigte Bürger-Allianz“ der Nationalversammlung der Republik Arzach, Aram Arutjunjan, der an der Kundgebung teilnahm, sagte der Nachrichtenagentur „Arzachpress“: „Es ist unmöglich, das Volk von Arzach zu brechen. Und wir stellen gleichfalls unsere Forderung an die internationale Gemeinschaft und alle Seiten, die die Deklaration vom 9. November unterschrieben haben, dass sie beibehalten wird. Die Trasse, die eine Verbindung der Einwohner von Arzach mit der Außenwelt gewährleistet, muss freigegeben werden. Wir müssen heute bei dem Meeting eine Entscheidung darüber treffen, was tun, und zu einer gemeinsamen Tagesordnung kommen. Diese Frage ist für uns eine existenzielle“.

Im Verlauf der Kundgebung teilte einer der Redner mit, dass die russischen Friedenstruppen laut seinen Informationen zugesagt hätten, dass ab dem 26. Dezember die deblockierte Trasse freigegeben werde. Wenn dem wirklich so ist, so kann die Deblockierung wahrscheinlich irgendwie mit dem informellen Gipfeltreffen der GUS-Staatsoberhäupter zusammenhängen, der am Montag, dem 26. Dezember in Sankt Petersburg begonnen hat und an dem sowohl Aserbaidschans Präsident als auch Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan teilnehmen.

Derweil ist der aserbaidschanische Politologe Agsin Kerimov der Auffassung, dass das Szenario für die Entwicklung der Ereignisse im Latschin-Korridor von drei Umständen abhänge. „Erstens können Baku und Moskau zu einem gemeinsamen Nenner in der Frage der Förderung der Bodenschätze auf dem Territorium, das von den russischen Friedenstruppen kontrolliert wird, gelangen. Zweitens verlangt Aserbaidschan die Verbannung von Ruben Wardanjan von seinem Territorium. Und Moskau ist verpflichtet, auf dieses Ersuchen zu antworten. (Freilich hat Ruben Wardanjan dieser Tage die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation aufgegeben, was in Moskau auch offiziell sanktioniert wurde. – „NG“). Drittens hat Russland eine Verpflichtung zum Abzug der armenischen bewaffneten Gruppierungen aus Bergkarabach übernommen… (gemeint ist die Armee zur Verteidigung von Arzach – „NG“). Nachdem diese drei Forderungen erfüllt worden sind, wird die Aktion im Latschin-Korridor beendet“, sagte Kerimov Journalisten.

Die armenische Seite hält derartige Forderungen für absurde.