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Steuern und die Banken verringern die Einkommen der Bürger entgegen den Versprechen der Regierung


Die Inflation ist nicht die einzige Ursache für den Rückgang der real zur Verfügung stehenden Einkommen der Bevölkerung. Ein anderer Faktor ist die wachsende Belastung in Form von obligatorischen Beiträgen und Zahlungen, unter denen die Summen zur Tilgung von Krediten zu einem wesentlichen Posten werden. Laut dem russischen Statistikamt Rosstat hat der Anteil der obligatorischen Beiträge in der Struktur der Nutzung der Einkommen Mitte des Jahres 15 Prozent überschritten. Laut Angaben der Zentralbank haben innerhalb eines Jahres die Schulden der Haushalte gegenüber Banken einen Rekordstand erreicht, nachdem sie um 20 Prozent angestiegen sind, was die Inflationsrate in den Schatten stellt, und die Dynamik der Einnahmen überholt hat. Abgeordnete rufen die Finanzbehörden auf, der zunehmenden Belastung der Bevölkerung durch Kredite Beachtung zu schenken.

Die Schulden der Haushalte gegenüber Banken haben mit Stand von Anfang Juli einen Rekordwert erreicht, wobei sie beinahe 24 Billionen Rubel ausmachten. Im Vergleich zum analogen Zeitraum des Vorjahres haben sie sich um mehr als 20 Prozent erhöht, folgt aus einer Statistik, die durch die Zentralbank vorgelegt wurde. Solch eine Zunahme der Kreditbelastung hat auch die Inflationsrate bestimmt, die im Juni beispielsweise 6,5 Prozent – hochgerechnet auf das Jahr – ausmachte. Aber auch die Dynamik der Einnahmen der Bevölkerung, die entsprechend den Ergebnissen des ersten Halbjahres nominell um 8,7 Prozent im Vergleich zu diesem Zeitraum des Vorjahres angestiegen sind, real aber – etwa um zwei Prozent. „In absoluten Zahlen erreicht die Verschuldung neue maximale Werte“, betonten Spezialisten des analytischen Kanals Macro Markets Inside (MMI). Die Kreditbelastung werde zu einem ernsthaften Problem.

Einerseits machte laut Angaben des Nationalen Büros für Kreditgeschichten im zweiten Quartal dieses Jahres der Anteil der Kreditnehmer, die Schwierigkeiten bei der Schuldentilgung haben, im Land mindestens zwölf Prozent gegenüber beinahe 13 Prozent im analogen Zeitraum des Vorjahres aus. Andererseits entfielen, wie Rosstat-Daten zeigen, in der Struktur der Nutzung der Einkommen der Bevölkerung entsprechend den Ergebnissen des ersten Halbjahres 15,2 Prozent auf obligatorische Zahlungen und Beiträge. Dies sind unter anderem Steuern und Gebühren, Versicherungszahlungen, Beiträge an gesellschaftliche und Kooperationsorganisationen sowie Kreditzinsen.

Wenn man sich den langfristigen Trend anschaut, nimmt der Anteil aller obligatorischen Beiträge in der Struktur der Nutzung der Einkommen der Bevölkerung zu. Mitte des Jahres 2018 machte er beispielsweise 14,4 Prozent aus. Mehr noch, jetzt befindet er sich ebenfalls auf historischen Höchstwerten, präzisierten die MMI-Analytiker.

Die real zur Verfügung stehenden Einkommen der Bevölkerung sind jene Einkommen, die in den Geldbörsen der Bürger nicht nur nach Berücksichtigung der Inflation, sondern auch nach der Vornahme aller verbindlichen Zahlungen verbleiben. Und die größten unter ihnen sind gerade die Steuern und Kreditzinsen, betonten die Experten.

Folglich leistet die Regierung einerseits, wie die Analytiker erläuterten, ihren „Beitrag“, indem sie die Steuern anhebt und den Maßstab aller möglichen Gebühren und Strafen erweitert. Aber andererseits ist die Bevölkerung gezwungen, immer mehr Kredite aufzunehmen, um ein akzeptables Lebensniveau beizubehalten. Und dies hilft ihr möglicherweise, die laufenden Bedürfnisse zu befriedigen, führt aber zum Auftreten langfristiger Probleme. Schließlich vollzieht sich keine wesentliche Zunahme der Einkünfte. Für die jeweiligen Familien ergeben sich jedoch Belastungen in Gestalt von Krediten. Ergo ist die Inflation eine wichtige, aber nicht die einzige Ursache für das Stagnieren der Einnahmen der Bürger.

Die Bewertungen für die Situation unterschieden sich stark. Im Ministerium für Wirtschaftsentwicklung lenkte man beispielsweise die Aufmerksamkeit darauf, dass sich in Russland die Kreditbelastung der Bevölkerung im Vergleich zu anderen Ländern auf einem geringen Niveau befinde. In der Russischen Föderation macht die Verschuldung der Bürger weniger als 20 Prozent des BIP aus, während sie in den Entwicklungsländern auf einem Stand von 30 bis 50 Prozent liegen kann, und in den entwickelten – sogar auf einem Stand von 70 bis 90 Prozent. Solche Daten nannte unter anderem der stellvertretende Minister für Wirtschaftsentwicklung Ilja Torosow in einem Interview für die Moskauer Zeitung „Izvestia“.

Wie jedoch am Mittwoch der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für den Finanzmarkt Anatolij Aksakow („Gerechtes Russland“) erklärte, so sei, wenn man von einer Tendenz spreche, „sie nicht die positivste, denn die Bevölkerungseinkommen fallen. Und die Bürger machen den Verlust ihrer Einkünfte für den Erwerb von Waren wett, indem sie Verbraucherkredite nutzen“. Und es ergebe sich die Frage, ob die Bevölkerung unter den Bedingungen der sich verringernden Einkünfte ihre Verbindlichkeiten hinsichtlich der erhaltenen Kredite erfüllen könne, erläuterte er in einem Interview für den Parlamentsfernsehkanal „Duma TV“. Aksakow rief die Zentralbank unter Führung von Elvira Nabiullina auf, die Situation aufmerksam zu verfolgen und Schritte zu unternehmen, damit die Kreditbelastung der Bevölkerung nicht zunimmt.

Wobei das Problem des Einflusses der Kreditbelastung der Bevölkerung auf deren Einkünfte mehrfach durch die Regierung erörtert wurde. Auf dieses hatte man beispielsweise vor einigen Jahren im Finanzministerium hingewiesen. Wie der Leiter des Ministeriums Anton Siluanow erklärte, sei einer der Gründe für den Rückgang der Realeinkommen der Bevölkerung die hohe Kreditbelastung der Bürger. Und als zweiten Grund nannte er den Aspekt des Graubereichs der Wirtschaft.

„Die Bank Russlands (Zentralbank – Anmerkung der Redaktion) fixiert eine Zunahme der Kreditbelastung der Bürger. Und dadurch nimmt der Anteil ihrer Ausgaben für die Bedienung (Tilgung) von Krediten zu. Es wächst auch die Nachfrage nach zweifelhaften Finanzprojekten“, bestätigte Artjom Tusow, Exekutivdirektor des Departments für Kapitalmärkte der Investitionsfirma „Univer Capital“.

„Die realen zur Verfügung stehenden Bevölkerungseinkünfte gehen zurück. Dies wird nicht nur durch den Anstieg der Preise für Waren verursacht, sondern auch durch jene Zahlungen, die die Bürger vornehmen müssen. Die Dienstleistungen der kommunalen Wohnungswirtschaft sind ab 1. Juli teurer geworden. Daneben konnten auch die Verwaltungsfirmen selbst die Preise für ihre Leistungen anheben. Die Kredite sind teurer geworden“, pflichtete die Dozentin Maria Jermilowa aus der Russischen G.-V.-Plechanow-Wirtschaftsuniversität bei.

Obgleich es korrekter zu behaupten wäre, wie der Generaldirektor des Finanz-Marketplaces „Unicom24“ meint, dass vom Prinzip her die Ausgaben der Bürger Russlands für die verbindlichen Zahlungen zugenommen haben. Die Kredite seien aber nach seiner Meinung in geringerem Maße schuld. „Im Unterschied zu den anderen Zahlungen ist der Kreditnehmer berechtigt, selbst die erträgliche monatliche Zahlung hinsichtlich der Kreditsumme und Kreditlaufzeit zu bestimmen“, erläuterte er. „Zum heutigen Zeitpunkt liege die durchschnittliche Summe zur Tilgung von Krediten im Bereich von 8000 bis 9000 Rubel. Im vergangenen Jahr ist dieser Wert um fünf Prozent gestiegen, was durchaus akzeptabel sei“.

Die Schulden der Bürger Russlands, die an Gerichtsvollzieher zur Zwangseintreibung übergeben worden sind, haben im ersten Halbjahr dieses Jahres mehr als 2,3 Billionen Rubel ausgemacht, meldeten Nachrichtenagenturen unter Verweis auf Daten des Föderalen Dienstes der Gerichtsvollzieher. Im Januar befanden sich bei den Gerichtsvollziehern Angelegenheiten zur Zwangseintreibung von Kreditschulden über insgesamt 1,8 Billionen Rubel, wobei nicht ausgewiesen wurde, wie viele Bürger dies konkret betraf.