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«Strafrechtliche Haftung des Management für die Befolgung westlicher Sanktionen


Am 7. April 2022 wurde der russischen Staatsduma Gesetzentwurf Nr. 102053-8 vorgelegt. Der Gesetzentwurf schlägt Ergänzungen zu Teil 2, Artikel 201 Strafgesetzbuch der Russischen Föderation (im Folgenden „StrafGB RF“) (Missbrauch von Befugnissen) über die Haftung von Personen, die Leitungsfunktionen in gewerblichen Organisationen ausüben, für die „Befolgung eines Beschlusses eines anderen Staates, einer Vereinigung anderer Staaten bzw. einer internationalen Organisation über die Einführung von einschränkenden Maßnahmen gegen die Russische Föderation“, also für die Befolgung von Sanktionen vor.

 

Das Wesen der im Artikel 201 StrafGB RF festgelegten Straftat besteht darin, dass die Person, die Leitungsfunktionen in einer gewerblichen bzw. einer anderen Organisation wahrnimmt, ihre Befugnisse entgegen den Interessen der Organisation, zu Zwecken der Erlangung irgendwelcher Vorteile für sich bzw. andere Personen oder zu Zwecken der Zufügung eines Schadens Dritten nutzt. Dabei ziehen diese Handlungen seitens dieser Person die Zufügung eines erheblichen Schadens Rechten oder Interessen anderer Bürger oder Organisationen bzw. gesetzlich geschützten Interessen der Gesellschaft und des Staates nach sich.

 

Der zweite Teil des Artikels enthält den Tatbestand mit erschwerenden Umständen, wodurch in der geltenden Fassung die Haftung für die oben bezeichnete Tat, die schwere Folgen nach sich gezogen hat, festgelegt wird. Falls die vorgeschlagenen Änderungen im StrafGB RF genehmigt werden, wird der in Teil 2, Artikel 201 StrafGB RF strafrechtlich belangt.

 

TATBESTAND GEMÄSS TEIL 2, ARTIKEL 201 STRAFGB R

Tatbestand ist die Gesamtheit der durch das Strafgesetz festgelegter objektiver und subjektiver Merkmale, durch die die gesellschaftsgefährliche Tat als konkrete Straftat charakterisiert wird. Der Tatbestand umfasst immer vier Elemente: Objekt, objektive Seite, Subjekt und subjektive Seite der Straftat.

 

Nun betrachten wir näher das Objekt, objektive Seite und Subjekt der Straftat.

 

OBJEKT DER STRAFTAT

 

Bei der Analyse von Artikel 201 StrafGB RF werden in der Regel zwei Objekte dieser Straftat abgesondert: Hauptobjekt und zusätzliches Objekt. Als Hauptobjekt gilt die normale Leitungstätigkeit von gewerblichen oder anderen Organisationen. Als zusätzliche Objekte gelten dabei rechte und gesetzmäßige Interessen von Bürgern und Organisationen sowie gesetzlich geschützte Interessen der Gesellschaft und des Staates. Dabei haben beide Teile von Artikel 201 StrafGB RF dasselbe Objekt.

 

Objektive Seite der Straftat ist die gesellschaftsgefährliche Tat selbst.

 

Unter Berücksichtigung der im Gesetzentwurf Nr. 102053-8 vorgesehenen Ergänzungen besteht die objektive Seite der in Teil 2, Artikel 201 StrafGB enthaltenen Straftat aus drei Elementen:

 

Nutzung durch die Person, die Leitungsfunktionen in einer gewerblichen oder einer anderen Organisation wahrnimmt, ihrer Befugnisse entgegen den gesetzlichen Interessen dieser Organisation (Tat);
Folgen in Form eines erheblichen Schadens, der Rechten und gesetzmäßigen Interessen von Bürgern oder der Organisation bzw. gesetzlich geschützten Interessen der Gesellschaft und des Staates hinzugefügt wurde, oder schwere Folgen (gesellschaftsgefährliche Folgen);
kausaler Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Angestellten und diesen Folgen.

 

 

Unter den schweren Folgen gemäß Teil 2. Artikel 201 StrafGB RF werden insbesondere die Zufügung eines für die Organisation erheblichen materiellen Schadens, der zur Beendigung ihrer Tätigkeit führt, bzw. das Treiben der Organisation in die Zahlungsunfähigkeit in Bezug auf bestehende Kreditverbindlichkeiten verstanden.

 

 

In der geltenden Fassung von Teil 2, Artikel 201 StrafGB RF sind nur schwere Folgen vorgesehen, die Analyse des Textes des Gesetzentwurfs gestattet es jedoch, die Schlussfolgerung über den alternativen Charakter dieser Folgen zu ziehen (insbesondere ist dies mit der Erweiterung der subjektiven Seite verbunden, worauf im Folgenden näher eingegangen wird).

 

 

Subjekt der Straftat ist die Person, die eine gesellschaftsgefährliche strafbare Tat begangen hat und die gemäß dem Gesetz dafür haften kann. Artikel 201 StrafGB RF sieht ein spezielles Subjekt vor — dies ist die Person, die Leitungsfunktionen in einer gewerblichen oder einer anderen Organisation ausübt, und zwar die Person, die die Funktionen des Einzelexekutivorgans oder eines Mitglieds des Direktorenrates oder eines anderen kollektiven Exekutivorgans ausübt, oder die Person, die permanent, vorübergehend oder auf Grundlage einer speziellen Befugnis organisatorische Verfügungsfunktionen oder Verwaltungs- und Betriebsfunktionen in diesen Organisationen ausübt.

 

Die Analyse der Rechtsprechung zeigt, dass Liquidatoren von Gesellschaften ebenso unter diese Definition fallen können.

 

Dabei wird es laut der Erläuterung zum Gesetzentwurf Nr. 102053-8 für die strafrechtliche Belangung einer Person auf Grundlage von Teil 2, Artikel 201 StrafGB RF notwendig sein, dass die beiden oben bezeichneten Ziele gleichzeitig vorliegen, d.h. falls die Person, die Leitungsfunktionen in einer gewerblichen oder einer anderen Organisation wahrnimmt, ihre Befugnisse entgegen den gesetzlichen Interessen dieser Organisation und zu Zwecken der Erlangung von Nutzen und Vorteilen für sich bzw. andere Personen oder zu Zwecken der Zufügung eines Schadens Dritten, sowie zu Zwecken der Befolgung eines Beschlusses eines anderen Staates, einer Vereinigung anderer Staaten bzw. einer internationalen Organisation über die Einführung von einschränkenden Maßnahmen gegen die Russische Föderation nutzt, was Rechten und gesetzlichen Interessen von Bürgern oder der Organisation bzw. gesetzlich geschützten Interessen der Gesellschaft und des Staates erheblichen Schaden zufügt, wird diese Person auf Grundlage von Teil 2, Artikel 201 StrafGB RF strafrechtlich belangt. Das Eintreten nämlich schwerer Folgen ist nicht erforderlich, falls die Person den Zweck der Befolgung ausländischer Sanktionen verfolgte.

«Strafrechtliche Haftung des Management für die Befolgung westlicher Sanktionen «

 

In seinem Bericht von 26 April deutsche juristische Firma Rödl&Partner berichtet über Gefahren für die deutschen Unternehmer in Russland

 

DAS VERFAHREN ZUR EINLEITUNG EINES STRAFVERFAHRENS AUF GRUNDLAGE VON TEIL 2, ARTIKEL 201 STRAFGB RF

 

Die Besonderheiten der Einleitung eines Strafverfahrens auf Grundlage dieses Artikels sind in Erlassen des Plenums des Obersten Gerichts enthalten. Die Strafverfolgung wegen der in Artikel 201 StrafGB RF vorgesehenen Tat, durch die ausschließlich einer gewerblichen oder einer anderen Organisation, die kein Staats- bzw. Kommunalunternehmen und keine Organisation ist, an deren Stammkapital der Staat oder die Kommune beteiligt ist, Schaden zugefügt wurde, kann nur auf Antrag bzw. mit Zustimmung des Leiters dieser Organisation erfolgen.

 

In einem anderen Erlass hat das Oberste Gericht außerdem darauf hingewiesen, dass „im Fall der Zufügung des Schadens Interessen anderer Organisationen (z.B. einer nichtgewerblichen Organisation, eines Staats- bzw. Kommunalunternehmens) sowie Interessen von Bürgern, der Gesellschaft oder des Staates die Strafverfolgung wegen des Missbrauchs von Befugnissen in einer gewerblichen oder einer anderen Organisation auf allgemeinen Grundlagen erfolgt“.

 

Unter Berücksichtigung der durch Gesetzentwurf Nr. 102053-8 einzubringenden Änderungen kann Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Einleitung eines Strafverfahrens auf Grundlage des oben bezeichneten Artikels für das Begehen der entsprechenden Tat zum Zweck der Befolgung von Sanktionen nämlich auf allgemeinen Grundlagen erfolgen wird, denn der Missbrauch von Befugnissen in diesem Fall Rechten und Interessen von Bürgern, der Gesellschaft und des Staates im Ganzen Schaden zufügen wird.