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Tadschikistan hat sich dem Wettrüsten angeschlossen


In Tadschikistan wird eine Konzeption für die nationale Verteidigung ausgearbeitet. Dies erklärte der Präsident der Republik, Emomali Rachmon, der vor dem Jahreswechsel mit einer Jahresbotschaft an das Parlament aufgetreten war. Er betonte die Notwendigkeit einer Verstärkung des Kampfes gegen Straftaten terroristischer und extremistischer Ausrichtung, darunter unter Einsatz von Informationstechnologien. Das Staatsoberhaupt beauftragte das Verteidigungsministerium zusammen mit den anderen bewaffneten, Sicherheits- und Rechtsschutzstrukturen, ein Dokument zur Verstärkung der Verteidigungskraft des Landes vorzubereiten und vorzulegen.

Emomali Rachmon erläuterte, dass die schwierige Situation in der Welt nötige, der Verteidigung Aufmerksamkeit zu schenken. Nach Aussagen des tadschikischen Staatschefs würden die terroristischen und extremistischen Gruppierungen neue Methoden nutzen, um für ihre Reihen Anhänger zu gewinnen, darunter junge Menschen. Er beauftragte die zuständigen Ministerien, die Koordinierung in diesem Bereich zu aktivieren, wobei den Terrorismusgefahren durch eine aufklärerische Arbeit und die Erziehung der Jugend im Geiste einer Treue gegenüber dem Volk und der Heimat vorgebeugt werden solle. Zwecks Unterbindung der Straftaten, die einen extremistischen und terroristischen Charakter tragen und unter Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien verübt werden, erteilte das Staatsoberhaupt den Auftrag, ein Einheitliches Informationszentrum zu schaffen.

Alexander Knjasew, Doktor der Geschichtswissenschaften und leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für internationale Studien der Moskauer Diplomatenhochschule MGIMO des russischen Außenministeriums, sagte der „NG“, dass die akzentuierte Aufmerksamkeit gerade für eine Verteidigungsdoktrin und Modernisierung der Streitkräfte durch die Aktualität von zwei Richtungen in der Militärpolitik Tadschikistans erklärt werden könne. „Erstens durch das Bestehen des Militärkonflikts mit Kirgisien. Und solch eine erhöhte Aufmerksamkeit kann von einer Vorgabe zur Fortsetzung des Konfliktes und eine Ausdehnung dessen Dimension zeugen. Vom Prinzip her war das Ausbleiben eines Strebens der tadschikischen Seite nach einer Beilegung dieses Konfliktes auch früher offensichtlich, wie im Übrigen auch seitens der kirgisischen Seite. Zweitens sind die erhöhte Aufmerksamkeit Duschanbes für die Situation an der Grenze mit Afghanistan und das ständige Ansprechen der Frage nach den Gefahren, die vom afghanischen Territorium gerade für Tadschikistan ausgehen, bekannt. Dieses Thema ist bereits zu einem spekulativen geworden. Und man kann keinen Zweifel hegen, dass es in der neuen Doktrin seine Neuauflage erleben wird. Wichtig ist aber auch Anderes. Die Fragen der Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität sind schon seit langem zu einem Dreh- und Angelpunkt für die ganze Arbeit der politischen Führung Tadschikistans zur Konsolidierung der Gesellschaft um die Herrschenden geworden. Gleichzeitig wird die Verstärkung des Potenzials der bewaffneten, Sicherheits- und Rechtsschutzstrukturen wie auch einst auf eine Bewahrung in erster Linie der Stabilität des politischen Regimes an sich ausgerichtet sein. Was besonders in der Situation wichtig ist, in der sich aufgrund verschiedenartiger Ursachen – sowohl objektiver als auch subjektiver – der Prozess zur Vorbereitung auf einen Machttransit in Tadschikistan zu sehr in die Länge gezogen hat. Eventuell bestehen für den Präsidenten Tadschikistans auch Gründe für eine Beschleunigung dieses Prozesses, was auch den Bedarf an einer Mobilisierung und Konzentration aller Ressourcen des Regimes – und in erster Linie der der bewaffneten Organe – auslöst“, meint Knjasew.

Nach Auffassung des Militärexperten Viktor Litowkin „muss jeder ordentlicher Staat eine nationale Verteidigungskonzeption besitzen. Dies ist offensichtlich“. „Dies sind grundlegende direktive Dokumente, auf die sich die gesamte Tätigkeit im Bereich der Verteidigung stützen muss, und dabei nicht nur im militärischen, sondern auch im wirtschaftlichen, sozialen und in anderen Bereichen. Es ist wichtig zu sehen, ob sich Tadschikistan auf die eigenen Kräfte stützen wird oder von einer kollektiven Verteidigung, von einem Bündnis mit der Russischen Föderation, von einer Tätigkeit im Rahmen der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit und der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit sprechen wird. Sich selbst zu verteidigen, ist Tadschikistan nicht in der Lage“, sagte Litowkin der „NG“. Die Ursache bestehe darin, dass Tadschikistans Armee zahlenmäßig eine kleine sei. Das Land weise ein schwieriges gebirgiges Relief auf, und es gebe Probleme an der Grenze: Einerseits sei da Afghanistan, andererseits – die nichtdemarkierte und delimitierte Grenze mit Kirgisien, an der permanent bewaffnete Konflikte aufflammen. Daher müsse Tadschikistan nach Aussagen Litowkins eine Konzeption für die Lösung dieser Probleme ausarbeiten.

Parvis Mullodschanow, ein unabhängiger Experte aus Tadschikistan, nannte der „NG“ potenzielle Gefahren für das Land. Dies sei vor allem die Situation in Afghanistan, mit dessen Herrschenden die Beziehungen Duschanbes kühle bleiben würde. In Nordafghanistan hätten sich Jihadisten-Gruppen aus Tadschikistan und Mittelasien verschanzt, die gleichfalls die Sicherheit des Landes bedrohen würden. Und der Grenzkonflikt mit dem benachbarten Kirgisien. „In seiner Ansprache sprach das Staatsoberhaupt ebenfalls von der Notwendigkeit einer Modernisierung der militärischen Struktur und einer Abwehr der Propaganda radikaler extremistischer Organisationen. Aller Wahrscheinlichkeit kann man annehmen, dass Tadschikistan unter den Bedingungen des in der Region begonnenen Wettrüstens auch moderne Waffen kaufen wird. In erster Linie geht es um Mittel für den funkelektronischen Kampf und um Luftverteidigungssysteme, die gegen Drohnen arbeiten könnten. Kirgisien kauft derzeit aktiv Drohnen in der Türkei ein. Es gibt gleichfalls Angaben darüber, dass auch andere Länder Zentralasiens, darunter auch Tadschikistan, Drohnen erwerben. Heute haben alle begriffen, dass jene Struktur und jene Ausrüstung der Streitkräfte, die aus der sowjetischen Zeit zurückgeblieben sind, unter den neuen Bedingungen nicht arbeiten. Dies hat die Situation in der Ukraine gezeigt. In Beiträgen regionaler Massenmedien, die Militärfragen gewidmet sind, wird das Thema des Wettrüstens aktiv diskutiert“, sagte Parvis Mullodschanow.

Viktor Litowkin denkt, um moderne Waffen zu besitzen, muss man ausgebildete Menschen haben, die mit diesen Waffen umgehen werden. Dies zum einen. „Zweitens muss man Waffen erwerben, die der Region entsprechen, den Herausforderungen und Gefahren, die es rund um Tadschikistan gibt. Außerdem muss man Waffen für ein Entgegenwirken haben. Wozu braucht Tadschikistan beispielsweise S-500- oder S-400-Komplexe? Gegen wen wird die Republik mit solchen Systemen kämpfen? Für Duschanbe ist es ausreichend, zum Beispiel „Buk“- oder „Thor“-Luftabwehrraketen-Komplexe zu besitzen. Das heißt Systeme mit einer kürzeren Reichweite, aber wirksame. Dann darf man nicht vergessen, dass sich auf dem Territorium von Tadschikistan der 201. Militärstützpunkt Russlands befindet, der den Hauptteil der Verteidigungsfunktionen zum Schutz Tadschikistans übernimmt. An der tadschikisch-afghanischen Grenze waren russische Berater gewesen. Duschanbe arbeitet aber in der letzten Zeit hinsichtlich der Grenzfragen in größerem Maße mit den USA und China zusammen. Ungeachtet dessen, dass Tadschikistan eine Mehrvektoren-Politik verfolgt, darunter auch im militärischen Bereich, darf nicht vergessen werden, dass es Mitglied der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit ist. Zumal die Waffen, die sowohl im Rahmen dieser Organisation als auch auf einer bilateralen Grundlage mit Russland geliefert werden, durchaus für den eigenen Schutz ausreichend sind“, meint Viktor Litowkin.