Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Tadschikistan ist zu einem Übungsgelände für Militärs aus den USA, aber nicht aus Russland geworden


Tadschikistan hat sein Territorium für die Manöver „Regionale Zusammenarbeit-2022“ unter dem Kommando der USA und mit Beteiligung von Angehörigen der amerikanischen Armee bereitgestellt. Die Manöver werden am 20. August abgeschlossen. An ihnen nehmen Militärs aus Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan, aus der Mongolei und aus Pakistan teil. Die Vereinigten Staaten sind bestrebt, die eingebüßten Positionen in der Region nach dem Abzug aus Afghanistan wiederherzustellen.

Dies sei ein Beleg dafür, dass die Führung Tadschikistans nicht ganz adäquat das Geschehen in der Welt wahrnehme, meint Dr. sc. hist. Alexander Knjasew, leitender Mitarbeiter des Instituts für internationale Studien an der Moskauer Staatlichen Hochschule für internationale Beziehungen des russischen Außenministeriums. „Die geopolitische Konfrontation, die sich in der Welt einerseits zwischen den USA und andererseits Russland, China und noch einer Reihe von Ländern ergeben hat, wird sich für lange Zeit hinziehen.

Die Offiziellen Tadschikistans begreifen nicht, dass sich die Welt verändert hat, und sind der Annahme, dass die Doktrin für eine Politik mit mehreren Vektoren auch weiterhin funktionieren wird. Für einige Länder wird sie noch wirken, aber nicht für Tadschikistan“, behauptete Alexander Knjasew gegenüber der „NG“. Nach Meinung des Experten könne sich derzeit nur Usbekistan erlauben, eine Mehrvektoren-Politik zu verfolgen, „wenn wir uns auf die Region von Zentralasien beschränken“. Die Republik verfüge über ein mächtiges Potenzial – ein geografisches, Ressourcen-, Kommunikations- und Wirtschaftspotenzial. Tadschikistan gehöre aber zu jenen Ländern, die sich in der nächsten Zeit in einer sackgassenartigen Situation wiederfinden könnten, indem sie versuchen würden, zwischen den globalen Machtzentren zu lavieren.

„Weder in Moskau noch in Peking wird man wohl kaum offen auf die gegenwärtigen Handlungen von Duschanbe reagieren. Dies „gelangt“ aber in die „Sparbüchse des Negativen“ in den Beziehungen mit Russland und China. Allerdings auch in den Beziehungen mit dem Iran, die Tadschikistan wiederherzustellen versucht und die heute für Duschanbe wichtig sind. Solch eine Politik Duschanbes ist eine vorübergehende. Und sie belastet nur die Situation Tadschikistans mit jenen Ländern, die für dieses entscheidende sind“, nimmt Knjasew an, wobei er die Auffassung vertritt, dass dies ebenfalls sowohl Kasachstan als auch Kirgisien betreffe, die sich gleichfalls auf eine Annäherung mit den USA einlassen würden. Der Unterschied bestehe nur darin, dass derartige Handlungen von Nur-Sultan in den oben ausgewiesenen Hauptstädten sensibler aufgenommen werden würden.

Es sei daran erinnert, dass im Vorfeld der Manöver die US-Botschaft in Tadschikistan deren Beginn angekündigt hatte, wobei sie mitteilte, dass sie durch das zentrale Kommando der Vereinigten Staaten organisiert worden seien. „Die Manöver sind auf eine Festigung der regionalen Sicherheit und Stabilität, die Erhöhung der Möglichkeiten der Länder zur Unterbindung einer Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, von Terrorismus und des Drogenhandels, aber auch auf die Hilfe für die Entwicklung regionaler Verteidigungskräfte bei internationalen Friedensoperationen und auf einen Informationsaustausch ausgerichtet“, hieß es in einer Erklärung der US-amerikanischen Botschaft in Tadschikistan. Mitgeteilt wurde gleichfalls, dass die amerikanischen und tadschikischen Militärs getrennt bilaterale Feldmanöver im Ausbildungszentrum Fachrabad trainieren würden. Bei der Eröffnung der Manöver wandte sich der US-Botschafter in Tadschikistan, John Mark Pommersheim, mit einem Grußwort an die Teilnehmer. „Als größte Militärmanöver der USA mit einer Beteiligung von Ländern Zentralasiens stellen die Manöver „Regionale Zusammenarbeit – 2022“ eine einmalige Möglichkeit dar, die Beziehungen mit unseren Partnern in dieser Region zu verstärken“, sagte er.

Zuvor hatte im Juni der Kommandierende des Zentralen US-Kommandos (US Central Command) Michael Kurilla Duschanbe besucht. Mit Landespräsident Emomali Rachmon und Verteidigungsminister Scheralij Mirso hatte er gemeinsame Anstrengungen zur Festigung der Sicherheit der Grenzen, Beseitigung regionaler Gefahren und Gewährung von Unterstützung für die Streitkräfte Tadschikistans erörtert. Nach Aussagen von Kurilla hätten die USA in den letzten dreißig Jahren Tadschikistan Hilfe im Sicherheitsbereich über eine Summe von mehr als 330 Millionen Dollar bereitgestellt.

Wie Alexander Knjasew betonte, würde man wahrscheinlich auch in Kabul negativ auf diese Manöver reagieren. Da klar sei, welche äußeren Bedrohungen für Tadschikistan existieren. Dies ist vor allem Afghanistan. „Wenn dies – einmal angenommen – Antiterror-Manöver wären, die auf eine Neutralisierung terroristischer Erscheinungen innerhalb der Region abzielen, so wäre dies eine andere Sache. Da aber diese Manöver die Abwehr von Bedrohungen von außen her vorsehen, bedeutet dies, dass die Taliban (die offiziell in der Russischen Föderation verboten sind, aber auch auf offizieller Ebene seit jüngster Zeit als Gesprächspartner akzeptiert werden) zu interpretieren berechtigt sind, dass gerade sie die Hauptbedrohung für Tadschikistan seien. Und die Militärmanöver sind eine Demonstration für sie“, unterstrich der Experte.

Dr. sc. hist. Alexander Kobrinskij, Direktor der Agentur für ethnonationale Strategien, ist der Meinung, dass die eigentliche Tatsache der Manöver ohne eine Teilnahme Russlands auf dem Territorium von Tadschikistan bereits unter Berücksichtigung dessen gewisses Erstaunen auslöse, dass gerade Russland die Sicherheit der Republik Tadschikistan vor äußeren Gefahren gewährleiste. Und dessen 201. Militärstützpunkt bewahre die Souveränität und Stabilität der Republik. „Die für die Manöver ausgewählte Zeit ist für die USA ideal und zweifelhaft aus der Sicht der Öffentlichkeit Russlands und – ich bin mir dessen sicher – Chinas. Trainings von amerikanischen Soldaten selbst in einer Anzahl von 60 bis 100 Mann vor der Haustür von gleich drei Ländern – Russlands, Chinas und Afghanistans – unter den Bedingungen der offenkundigen direkten Konfrontation Russland – USA, USA – China und USA – Afghanistan erscheinen als unangebrachte, wenn sich Tadschikistan als einen Verbündeten Russlands und Partner Chinas ansieht“, sagte Kobrinskij der „NG“.

Der Experte ist der Annahme, dass zu einer Zeit, in der Russland und Usbekistan die Beziehungen mit Afghanistan „ausgleichen“, auf eine positive Note einstellen würden, Tadschikistan es vorziehe, sich den USA in der inoffiziellen antiafghanischen Gruppe anzuschließen und zu einem Brückenkopf für Handlungen der Vereinigten Staaten zu werden, die auf eine destruktive Linie in den Beziehungen mit Kabul ausgerichtet sind. Diese Linie verfolge wiederum das Ziel, sowohl Russland als auch China nicht zu einer konstruktiven Arbeit mit Kabul kommen zu lassen, wofür die USA Anstrengungen für eine ständige Destabilisierung der Lage in diesem Land unternehmen werden.

„Nicht aus dem Blick gelassen werden darf das Bestreben der Angelsachsen, einen Bogen der Instabilität von Europa bis nach Zentralasien zu schaffen. Zu einem Zeitpunkt, als sich die Lage in Serbien für eine gewisse Zeit stabilisiert hatte, sind US-Militärs nach Tadschikistan gekommen. Und ein paar Wochen davor erfolgte in Kirgisien eine Beratung von Führungskräften von Geheimdiensten – und auch ohne eine Teilnahme unseres Landes, dafür aber mit einer Beteiligung der Türkei, einem NATO-Land. Zu dieser Zeit waren auch Verdachtsmomente über den Verkauf alter sowjetischer Waffen an Großbritannien, die Slowakei und Tschechien durch Kasachstan aufgekommen. Es ist offensichtlich, dass diese Waffen in die Ukraine gehen werden“, betonte Kobrinskij (der in der jüngsten Vergangenheit bereits mehrfach dadurch aufgefallen ist, antikasachische Ressentiments zu wecken – Anmerkung der Redaktion).

Er nimmt an, dass die früher gestellte Prognose, wonach „die Angelsachsen danach streben werden, die Republiken Zentralasiens von Russland loszureißen und empfindliche Stiche China in Zentralasien zu verpassen, eine Bestätigung findet“. „Die Prognose für das Weitere ist für Russland eine negative, die voraussagt, dass man kurzfristig die Methoden der Zusammenarbeit und des Wirkens in Zentralasien ändern muss. Die Berater von Emomali Rachmon aber, die die Interessen der USA lobbyieren, riskieren, Tadschikistan in ein Chaos und Bruderkrieg zu stürzen. Eine Mehrvektoren-Politik bedeutet letztlich stets einen Staatsstreich“, resümierte der Experte.

Derweil nimmt Alexander Knjasew an, dass die Länder der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit vor die Tatsache einer Verschärfung der Pflichten im Rahmen dieses Militärblocks und möglicherweise auch der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit in ihren außenpolitischen Kontakten gestellt werden würden, umso mehr in solch einem Bereich wie den militärischen. „Im Format der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit und im Format der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit wird die Tendenz dazu aufkommen, die Beteiligung der Mitgliedsländer bei Kontakten mit Drittländern, die nicht an diesen Blöcken teilnehmen und umso mehr unfreundliche Länder für die führenden Länder – für Russland und Weißrussland — in der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit und für Russland und China in der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit – sind, einzuschränken“, meint Knjasew. Nach seiner Meinung müsse Tadschikistan auf die Bereitstellung seines Territoriums für die Abhaltung US-amerikanischer Manöver unter den aktuellen Bedingungen verzichten. „Eine Reizung Moskaus und Pekings müssen gar einfach militärtechnische Kontakte mit den USA auslösen. Toleranter ist die Haltung zu den Kontakten mit der Türkei, die zwar auch Mitglied der NATO ist, aber heute weder für China noch für Russland kein feindseliges ist. Militärische Hilfe von den Ländern, die potenzielle Gegner jeglichen Mitgliedslandes der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit sind, sieht nicht ganz adäquat aus und ist ein bestimmter Mangel der Organisation. Ich denke, dass es in der nächsten Zeit einen Trend dahingehend geben wird, um dies zu beheben“, resümierte Knjasew.