Je näher die Amtseinführung des Präsidenten für die fünfte Amtszeit heranrückt (am 7. Mai – Anmerkung der Redaktion) nimmt die Anzahl der Versionen hinsichtlich der Zusammensetzung des neuen Ministerkabinetts rasant zu. Im Bestreben, ihre Patience-Karten wirkungsvoll auszulegen, unternehmen sowohl anonyme Telegram-Kanäle, für die das Spekulieren in Bezug auf politische Prognosen schon längst ein Modus Operandi geworden ist, als auch offizielle Massenmedien nicht wenige Anstrengungen.
Die Begründungen werden willkürlich und aus dem Stand heraus ausgewählt. Im Großen und Ganzen stützen sich aber alle, wie dies üblicherweise der Fall ist, auf Quellen, die der höchsten Führungsriege unterschiedlich nahestehen und über deren Pläne verschiedenartig informiert sind.
Es ist klar, dass zu besonderen Faktoren für die anstehenden Veränderungen im Kabinett die militärische Sonderoperation Russlands in der Ukraine und die Terrorismusbekämpfung – insbesondere vor dem Hintergrund der Tragödie in der Crocus-City-Hall vom 22. März – werden. Leider können sie als ein Anlass für eine Attacke auf den Block der Rechtsschutz-, Sicherheits- und bewaffneten Organe aufgefasst werden, der bekanntlich ausschließlich durch den Präsidenten ernannt wird.
Vorerst jedoch gibt es scheinbar mehr inoffizielle Informationen und offenkundige Spekulationen zum Thema der Kader-Perspektiven für jenen Teil der Regierung, der keine Uniformen trägt. Spitzenreiter bei den Prognosen über ein baldiges Ende der Karriere ist der Bildungsminister Sergej Krawzow. Zusammen mit ihm prophezeit man eine Absetzung im Mai – wenn auch seltener – der Kulturministerin Olga Ljubimowa und noch seltener dem Sportminister Oleg Matyzin. Dies sind aber natürlich sozusagen Minister der zweiten Ebene.
Die Hauptintrige und der Hauptanlass für Spekulationen ergibt sich aus der Frage: Wird Regierungschef Michail Mischustin seinen Posten behalten oder nicht? Und wenn nicht, so steht dementsprechend die Frage nach der neuen Kandidatur für das Amt des Kabinettschefs. An Hauptkandidaten gibt es zwei – Landwirtschaftsminister Dmitrij Patruschew und der gegenwärtige Gouverneur des Verwaltungsgebietes Tula, Alexej Djumin. Ab und an fügt man ihnen gleichfalls den hauptstädtischen Bürgermeister Sergej Sobjanin hinzu.
Nicht wenige Prognosen werden hinsichtlich der Vizepremiers angestellt. Der generelle Trend besteht darin, dass man Viktoria Abramtschenko „verabschiedet“, aber den Verantwortlichen für den Brennstoff- und Energie-Komplex, Alexander Nowak, den Präsidentenberater Maxim Oreschkin und erneut auch Dmitrij Patruschew „willkommen heißt“. Nachdem Studium von Texten anderer Kommentatoren ergibt sich der Eindruck: Standen sie nicht hinter dem Rücken des Präsidenten, als er eine Liste des neuen Ministerkabinetts skizzierte? „Es ist offensichtlich, dass sich eine Verstärkung der Positionen des Präsidentenberaters Maxim Oreschkin vollziehen wird, der zu einem Vizepremier werden kann. Oder er wird gar den 1. Vizepremier Andrej Beloussow in dieser Funktion ablösen, dem viele das Amt des Rektors der Moskauer Lomonossow-Universität prophezeien. Der zweite an Stärke gewonnene Player im Kabinett ist Landwirtschaftsminister Dmitrij Patruschew, dem man gleichfalls den Posten eines Vizepremiers für Fragen des Agrar-Industriekomplexes und Naturressourcen voraussagt. Wahrscheinlich ist ebenfalls eine Ablösung der Verantwortlichen für Digitalisierung (Dmitrij Tschernyschenko) und für den sozialen Bereich (Tatjana Golikowa) sowie für den Brennstoff- und Energiekomplex (Alexander Nowak). Ein Abgang von Viktoria Abramtschenko wurde bereits oben angedeutet. Unter den Ministern wird es wahrscheinlich zu Veränderungen im gesamten Bildungsblock, im Block für Ökologie und Naturressourcen sowie eventuell im Ministerium für den Fernen Osten kommen. Zu erwarten ist auch eine Ersetzung derjenigen, die auf der Karriereleiter weitervorankommen. So wird es unter anderem einen neuen Landwirtschaftsminister geben, aber auch einen neuen Mann auf dem Posten des gegenwärtigen Ministers für Digitalisierung (Maksut Schadajew). Möglich sei ebenfalls die Bildung neuer Fachministerien, schrieb beispielsweise der Telegram-Kanal The Graschtschenkow.
Und der Kanal t.me/vizioner_rf zählt einfach kategorisch Kandidaten auf, die „herausfliegen“: „Abtreten müssen Golikowa, Muraschko, Kotjakow, Falkow und Saweljew“ (d. h. die stellvertretende Regierungschefin und die Minister für Gesundheitswesen, Arbeit und Soziales, Hochschulbildung und Transportwesen).
Was aber den Block der Sicherheits-, Rechts- und bewaffneten Kräfte angeht, so haben wir mit Hilfe von Instrumenten des Portals „Medialogia“ Meldungen der letzten zwei Wochen in den Medien und politischen Telegram-Kanäle unter dem Aspekt von „angeblichen Nachrichten“ über eine Absetzung der wichtigsten Vertreter dieses Blocks – des Generalstaatsanwaltes, des Vorsitzenden des Untersuchungskomitees, der Direktoren des Inlandsgeheimdienstes FSB und der Russischen Garde sowie des Verteidigungs-, des Innen- und des Katastrophenschutzministers – untersucht.
Es sei gleich betont, dass nicht eine einzige relative Quelle gar ernsthaft über eine hypothetische Ablösung von Igor Krasnow (Generalstaatsanwalt), Alexander Bastrykin (Untersuchungskomitee) und Viktor Solotow (Russische Garde) Überlegungen anstellt.
Das größte Interesse als eine Informationszielscheibe löst Innenminister Wladimir Kolokolzew aus. Die Meldungen über seine baldige Ablösung („buchstäblich jeden Augenblick“) tauchen schon mehrere Jahre auf. Schwer ist es jetzt, die Situation hinsichtlich der Informationsattacken in Bezug auf die Personalperspektiven von Katastrophenschutzminister Alexander Kurenkow zu beurteilen. Vor dem Hintergrund der Überschwemmung von Orsk und anderer Regionen Russlands spricht nur ein Fauler nicht über eine unweigerliche Ablösung des Ministers. Dies ist ein natürlicher Prozess, und es ist verfrüht, Schlussfolgerungen zu ziehen.
Als recht interessant hat sich bei einer näheren Untersuchung die Struktur der Informationsattacken gegen Top-Vertreter des Power-Blocks erwiesen. Wenn man aus den mehreren hundert Meldungen Reposts in wenig gelesenen Kanälen und regionalen Medien ausklammert, stellt sich heraus, dass zwei Zentren das Thema einer Absetzung von Vertretern der Sicherheits-, Rechtsschutz- und bewaffneten Organe befeuern. Eines von ihnen sind erwartungsgemäß ausländische Medien und ihre Satelliten – die Nachrichtenagentur Bloomberg und The Moscow Times (in Russland als ein ausländischer Agent gelabelt), die stets eine Destabilisierung der politischen Lage im Land nach offizieller Moskauer Auffassung anstreben würden. Nur sie hatten es versucht, die politische Verantwortung für den Terrorakt in der Crocus-City-Hall auf FSB-Chef Alexander Bortnikow und im gleichen Atemzug auf Innenminister Wladimir Kolokolzew abzuwälzen und dementsprechend deren Ablösung zu fordern.
Ja, aber als ein zweites Zentrum der Attacken hat sich ein scheinbarer Widersacher der westlichen Propagandisten, der TV-Kanal „Zargrad“, erwiesen. Bezeichnend ist, dass er ebenfalls seine Prognosen exakt nach dem Terrorakt vom 22. März forcierte und radikalisierte. Der Fernsehkanal, der früher ausschließlich die Offiziellen aus dem Finanzbereich und den liberalen Block der Regierung kritisierte, hat eine Attacke gegen die Vertreter des Power-Blocks gestartet, wobei er beispielsweise zu behaupten begann, dass Innenminister Wladimir Kolokolzew persönlich die Verantwortung für den Terrorakt tragen würde.
Die Erweiterung der Konfrontation und Verlagerung der Punkte für ein Ansetzen von Kräften schaffen im Übrigen für den Eigentümer von „Zargrad“ Konstantin Malofejew, der die Bildung einer gleichnamigen Stiftung und den Beginn eines Kampfes für die Reinheit der russischen Nation bekanntgegeben hat, einen ausgezeichneten informationsseitigen Hintergrund für politische Ansprüche.
„Die Migrationsreform in Russland ist schon längst zu einer akuten Notwendigkeit geworden. Einige Staatsbeamte haben sich jedoch lange Jahre zu leichtsinnig gegenüber den Problemen verhalten, die durch das Ranholen von Gastarbeitern ausgelöst wurden. Dies gilt für die Zunahme der Kriminalität, die Gefahr eines Verlusts der russischen Identität und eine zusätzliche Belastung für den Etat“.
Der Milliardär, der in den Zuständigkeitsbereich des Blocks der Sicherheits-, Rechtsschutz- und bewaffneten Organe eindringt, und sein Fernsehkanal haben angefangen, akkurat die Idee von personellen Umbesetzungen im Innenministerium und in der Russischen Garde zu propagieren, wobei sie von einer Verstärkung der Führung der Institutionen durch hochrangige tschetschenische Vertreter der Rechtsschutz- und Sicherheitsstrukturen sprechen.
„Es gibt Informationen, dass beim bevorstehenden Kader-Karussell mehrere Vertreter aus Tschetschenien hohe Posten erhalten können. Angeblich gelingt es dem Oberhaupt der Republik, Ramsan Kadyrow, die Ernennung einflussreicher tschetschenischer Rechtsschützer in der Führung der Russischen Garde und des Innenministeriums zu lobbyieren. Gleichfalls sind auch Varianten mit anderen einflussreichen Sicherheits- und bewaffneten Organen nicht ausgeschlossen“, teilt eine gewisse analytische Gruppe des Fernsehkanals mit.
Mit der Autorenschaft dieser Gruppe wird auch ein Beitrag über die „theoretische Möglichkeit einer Ablösung des Verteidigungsministers“ aktiv verbreitet.
„Natürlich wird die Wahrscheinlichkeit solch einer Entscheidung des Präsidenten als eine geringe angesehen — ausgehend von der aktuellen Lage an der Frontlinie und von den generellen Erwägungen des Typs „das kommt auf das Gleiche heraus“. Aber die geringe Wahrscheinlichkeit ist nicht gleich Null“, schreiben die namenlosen Autoren, wobei sie behaupten, dass es mindestens drei Anwärter auf den Posten des Verteidigungsministers gebe – den amtierenden stellvertretenden Minister Junus-Bek Jewkurow, Katastrophenschutzminister Alexander Kurenkow und der Gouverneur des Verwaltungsgebietes Tula, Alexej Djumin.
Wie alle drei hochrangigen Beamten, die in ihren Arbeitsbereichen wirksam sind (Kurenkow leitet zum Beispiel gerade jetzt die Regierungskommission zur Bekämpfung der Hochwasserfolgen im Südural), mit einem Schlag und ohne Probleme das Kommando der Truppen übernehmen und auch den rhythmischen Charakter und die Selbstaufopferung der militärischen Vertikale gewährleisten können, präzisiert die analytische Gruppe des Fernsehkanals nicht. Sie verweist aber eindeutig auf eine „öffentliche Meinung“ als „Hauptargument“ bei einer Auswechselung der Führung. Dabei wird auch eine eigene Soziologie von „Zargrad“ angeboten, der entsprechend mehr als ein Drittel der Befragten (34,5 Prozent) eine Absetzung des Verteidigungsministers unterstützen würden. Und gleichzeitig damit werden Daten des ROMIR-Forschungszentrums vorgelegt, die bestätigen sollen, dass über 70 Prozent Schoigu und der russischen Armee unter seiner Führung vertrauen. Eben solch ein offensichtlicher dialektischer Widerspruch wird da vorgeführt.
Belassen wir es aber mit den rhetorischen Ausschweifungen.
- Die geglätteten Formulierungen und abgeschwächten Intonationen verbergen nicht das hauptsächliche Bestreben einzelner der Politik nahestehender Kreise in der letzten Zeit – die Frage nach der Effektivität der militärpolitischen und militärischen Führung in einer für das Land entscheidenden Zeit aufzuwerfen. In diesem Sinne reproduzieren die Leitmotive der gegenwärtigen Informationen zum heutigen Verteidigungsminister teilweise die westlichen Narrative des vergangenen Jahres, die auf eine Trennung unserer militärischen Formationen abzielten und Chao