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Terroristen des Islamischen Staates eröffnen gegen Russland eine neue Front


Der „Islamische Staat“ (eine terroristische Organisation, die in der Russischen Föderation verboten ist) hat eine Südfront des Dschihads (deutsch: Heiliger Krieg) gegen Russland eröffnet. Die blutige Anschlagsserie bewaffneter Islamisten in Derbent und Machatschkala in den Abendstunden des 23. Juni, zu deren Opfern dutzende Menschen wurden, darunter 16 einheimische Vertreter der Rechtsschutzorgane, kann nicht die letzte sein und bleiben. Die tragischen Ereignisse in der russischen Teilrepublik Dagestan muss man als eine Etappe der Etablierung des Kaukasus-Vilayats ansehen, einer neuen Filiale des „Islamischen Staates“, deren Ziel terroristische Attacken im Nordkaukasus und Süden Russlands insgesamt sein.

Über die Schaffung des Kaukasus-Vilayats hatten Ende März dieses Jahres Media-Ressourcen des „Islamischen Staates“ berichtet, kurz nach dem Terrorakt in der Konzerthalle „Crocus City Hall“ am Stadtrand von Moskau. Zu seinen Organisatoren und Ausführenden waren Anhänger des Vilayats Khorasan, der afghanischen Filiale des „Islamischen Staates“, geworden, die erstmals eine großangelegte terroristische Attacke unweit der Hauptstadt Russlands durchführen konnten, zu deren Opfern hunderte Zivilisten (allein 145 Tote – Anmerkung der Redaktion) geworden waren. Der Terrorakt in der „Crocus City Hall“ wurde unter anderem auch eine mächtige Reklame-Aktion des Vilayats Khorasan und des „Islamischen Staates“ insgesamt. Nach ihm fingen in Afghanistan Kämpfer der Taliban-Bewegung (eine terroristische Organisation, die nach wie vor in der Russischen Föderation verboten ist, obgleich die Aufhebung dieses Status derzeit in den entsprechenden Institutionen erwogen wird) an, aktiv in die Reihen des „Islamischen Staates“ zu wechseln. Und „Al-Qaida“ (eine terroristische Organisation, die gleichfalls in Russland verboten ist) schloss sich der Anwerbungskampagne im Interesse des „Islamischen Staates“ an, wobei sie die islamischen Radikalen aus der ganzen Welt zu einer Hidschra (Auswanderung) nach Afghanistan aufrief.

Die Ausrufung des Kaukasus-Vilayats Ende vergangenen März schien anfangs eine situative, eine rein auf das Image ausgerichtete Geste des „Islamischen Staates“ zu sein. Unbekannt war weder, wer zum „Emir“ (regionalen Chef) des Kaukasus-Vilayats wird, noch inwieweit seine terroristischen Experimente inkl. der Finanzierungsquellen ernsthafte sein können. Die letzten Ereignisse im Süden der Russischen Föderation haben jedoch gezeigt, dass das Kaukasus-Vilayat weniger als drei Monate gebraucht hat, um sich als ein neuer Teilnehmer des Dschihads in der Region zu erklären.

Am 16. Juni hatte eine Gruppe von Anhängern des „Islamischen Staates“ in der U-Haftanstalt Nr. 1 von Rostow am Don Geiseln genommen. Vor einer Verwandlung dieser terroristischen Aktion in eine Tragödie hatten die energischen Handlungen einer Spezialeinheit und das, dass es den Extremisten nicht gelungen war, bis zur Waffenkammer zu gelangen sowie Maschinenpistolen und Munition zu erlangen, gerettet. Die Klingen und Flaggen des „Islamischen Staates“ hatten sich als schwache Waffen in der Auseinandersetzung mit den Kämpfern der Spezialeinheiten erwiesen.

Am Sonntag, dem 23. Juni (laut dem russischen Kirchenkalender wurde an diesem Tag Pfingsten gefeiert – Anmerkung der Redaktion) agierte in Derbent und Machatschkala die Gruppe einheimischer Anhänger des „Islamischen Staates“ bereits brutaler und durchdachter. Über moderne automatische Waffen verfügend, darunter über jene, die im Verlauf eines Überfalls auf Polizeimitarbeiter erbeutet wurden, griffen die Terroristen Synagogen und orthodoxe Gotteshäuser gleich in zwei dagestanischen Städten an, wobei Zivilisten ermordet wurden (dem 66jährigen orthodoxen Geistlichen Nikolai hatten laut einigen Informationen die Terroristen den Hals durchgeschnitten, während seine Frau angab, dass er erschossen worden sei, aber auch 16 Vertreter der Rechtsschutzorgane.

Laut vorläufigen Informationen versuchten die dagestanischen Terroristen, den zahlenmäßig überlegenen Kräften des Innenministeriums und der Russischen Garde Widerstand zu leisten, wobei sie einige Straßen von Machatschkala in eine wahre Arena von Kampfhandlungen verwandelten. Dies belegt, dass die Täter eine sehr gute Gefechts-, physische und psychologische Ausbildung hatten. Und dass drei der sechs Terroristen nahe Verwandte des Oberhauptes einer der Kreisverwaltungen waren, erlaubt zu konstatieren, dass sie diese Vorbereitung wie auch den Erwerb ausländischer automatischer Waffen augenscheinlich durchaus ungestraft vornehmen konnten, wobei sie keine besondere Aufmerksamkeit der dagestanischen Rechtsschutzorgane fürchteten.

Die Aktionen vom 16. und 23. Juni wurden zu den ersten Anzeichen für eine terroristische Tätigkeit des Kaukasus-Vilayats in Russland. Die russische Redaktion der Media-Ressource Al Azaim Media, die der afghanischen Filiale des „Islamischen Staates“ „Vilayat Khorasan“ gehört, veröffentlichte als erste eine begrüßende Reaktion auf die Terrorakte in Dagestan, wobei ihre „Brüder im Kaukasus“ für die „Demonstration dessen, wozu sie in der Lage sind“, lobte. Bemerkenswert ist, dass Al Azaim nicht die Verantwortung für die eigentliche Anschlagsserie dem „Vilayat Khorasan“ zuschrieb, sondern auf die „Brüder aus dem Kaukasus“ verwies, womit fixiert wurde, dass die Terrorakte vom 23. Juni eine terroristische „Leistung“ des Kaukasus-Vilayats sind. Wie bekannt geworden ist, hatten Media-Aktivisten des „Islamischen Staates“ in den frühen Morgenstunden des 24. Juni einen Videoclip über die Attacken des Kaukasus-Vilayats in Derbent und Machatschkala vorbereitet und begonnen, ihn in sozialen Netzwerken und über unterschiedliche Messenger-Dienste zu verbreiten.

Die russischen Rechtsschutz- und bewaffneten Organe hatten ein Aufflammen terroristischer Aktivitäten seitens des Kaukasus-Vilayats erwartet. Vor einiger Zeit hatte die Regionale Antiterrorstruktur der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit vor der Gefahr von Aktivitäten des Kaukasus-Vilayats gewarnt, das seit April dieses Jahres die Aufrufe zum Anwerben von Anhängern im Nordkaukasus verstärkte. Mitte Juni wurde bekannt, dass die russische Redaktion der afghanischen Propaganda-Ressource Al-Azaim seit Sommerbeginn eine aktive Kampagne zur Sammlung von Geldspenden in der Kryptowährung Tether durchführt, wobei unterschiedliche Krypto-Adressen genutzt werden. Die gesammelten Gelder (und dies sind tausende Dollars) sollten dem Kaukasus-Vilayat zukommen.

Es ist offensichtlich, dass die afghanische Filiale des „Islamischen Staates“, das „Vilayat Khorasan“, direkt und am aktivsten an der Etablierung des Kaukasus-Vilayats teilgenommen hat. Und einigen Anzeichen nach zu urteilen, sorgt es sich auch heute weiterhin um dieses, sowohl finanziell und propagandistisch als auch im operativen Sinne, indem es hilft, die Kontakte zwischen den unterschiedlichen Gruppen von Anhängern des Kaukasus-Vilayats zu koordinieren. Heutzutage stellen diese beiden Vilayate des „Islamischen Staates“ eine reale Bedrohung für die Sicherheit der Russischen Föderation dar, da sie terroristische Aktionen auf dem russischen Territorium planen und organisieren, wobei sie zusammenwirken und einander unterstützen.

Bisher ist es schwer zu sagen, inwieweit die Geheimdienste Russlands zu einer effektiven Bekämpfung der Terroristen der nordkaukasischen und der afghanischen Filiale des „Islamischen Staates“ bereit sind. Die tragischen Ereignisse in Dagetsan vom 23. Juni haben gezeigt, dass die einheimischen Rechtsschützer nichts von der sich in Vorbereitung befindenden Aktion der Anhänger des „Islamischen Staates“ gewusst hatten und bereits entsprechend der entstandenen Situation handelten, was erlaubt, von einem schwachen Agenturnetz der Verwaltungen des Innenministeriums und des Inlandsgeheimdienstes FSB von Dagestan in den Risikogruppen zu sprechen. Es ist offenkundig, dass solch eine Situation unzulässig ist und eine radikale Revision der gesamten Arbeit der Rechtsschutz- und Sicherheitsorgane in Dagestan erfordert. Andernfalls werden sich derartige Tragödien nicht nur in dieser Region Russlands wiederholen, sondern auch in anderen russischen Städten, wohin die Kämpfer des Kaukasus-Vilayats ihre Aktivitäten zu verlagern beginnen, wobei sie die dagestanische Plattform als ein schwaches Glied im System der nationalen Sicherheit des Landes ausnutzen werden.

Post Scriptum:

Das Oberhaupt der russischen Teilrepublik Dagestan, Sergej Melikow, hat inzwischen auch erste Konsequenzen aus den Tragödien vom Sonntag gezogen. Er verkündete den Beginn einer Überprüfung aller Beamten und aller Ebenen, da der Chef des Verwaltungskreises Sergokala (Magomed Omarow) letztlich eine Mitverantwortung für die Anschlagsserie trägt. Zwei seiner Söhne waren unter den Terroristen, von denen er gewusst hatte, dass sie sich zum Wahhabismus bekannten und offenkundig mit dem „Islamischen Staat“ liiert waren. Jedoch hatte er keinerlei Schritte unternommen, um zumindest die örtlichen Sicherheitskräfte zu informieren. Omarow selbst ist im Übrigen am Dienstag für zehn Tage in U-Haft genommen worden.