Die Anführerin der weißrussischen Opposition, Swetlana Tichanowskaja, trat beim Warschauer Forum für Sicherheitsfragen auf und traf sich mit Polens Präsidenten und Premierminister. Das von ihr angeführte Übergangskabinett führt dort, in Warschau, auch eine erneute Tagung durch und steckte einen Aktionsplan ab. Er sieht unter anderem die Vorbereitung der Öffentlichkeit auf die Realisierung des Plans „Peremoga“ (deutsch: „Sieg“) zum Sturz Lukaschenkos vor. Derweil erklärte der Senior der Oppositionsbewegung Zenon Pozniak, dass er in diesem Sinne nur auf das Kastus-Kalinouski-Regiment hoffe. Und die letzten Äußerungen von Alexander Lukaschenko belegen, dass auch er das Regiment als eine Bedrohung auffasst.
Am Donnerstag hatte beim Kaspi-Wirtschaftsforum in Moskau der weißrussische Vizepremier Alexej Owertschuk mitgeteilt, dass Russland Weißrussland einen 1,5-Milliarden-Dollar-Kredit für Programme zur Importsubstitution bereitstellen werde.
Und am Vorabend hatte am Warschauer Sicherheitsforum eine Delegation der weißrussischen Opposition teilgenommen. Eine seiner Podiumsdiskussionen hatte Swetlana Tichanowskaja eröffnet. Sie unterstrich besonders die Wichtigkeit des Zusammenwirkens mit der Ukraine für ihre Mitstreiter. Sie betonte: „Wir bleiben im Kampf gegen die Repressalien Lukaschenkos seit dem Jahr 2020 geschlossen. Im Jahr 2022 haben wir uns zwecks Hilfe für die Ukraine zusammengeschlossen. Sie konnten Geschichten darüber hören, wie weißrussische Partisanen russische Züge stoppten. Ein weißrussisches Bataillon ist heute Teil der ukrainischen Streitkräfte. Die Front in der Ukraine eröffnete neue Möglichkeiten für Belarus. Wir sehen die Zukunft des Landes als ein Zentrum des friedlichen Lebens, dass gegenüber seinen Nachbarn in einer Zusammenarbeit mit dem regionalen Sicherheitssystem ein freundlich gesinntes sein wird“.
Den Aufenthalt in der polnischen Hauptstadt ausnutzend, traf sich Tichowskaja mit Polens Präsidenten Andrzej Duda und dem Regierungschef des Landes, Mateusz Morawiecki. Letzterem stellte sie die Mitglieder ihres Vereinigten Übergangskabinetts vor. Sie erörterten Fragen einer Registrierung dieser Struktur in Polen. Außerdem informierte sie den Premier über den Plan „Peremoga“ für einen Sturz Lukaschenkos, der eine Aktivierung der „schlummernden“ Anhänger der Opposition, die sich in Weißrussland befinden, vorsieht.
Das Vereinige Übergangskabinett führte in Polens Hauptstadt auch eine Tagung durch, in deren Verlauf eine Reihe wichtiger Entscheidungen verabschiedet wurden. Der Telegram-Kanal des Kabinetts meldete: „Überarbeitet wurde der Plan „Peremoga“, ermittelt wurde der Grad seiner Bereitschaft zu einer Aktivierung. Beschlossen wurde der Beginn der Vorbereitung der Öffentlichkeit zur Umsetzung des Plans. Zur Arbeit des Kabinetts wurden mehrere aktive Vertreter von Rechtsschutz-, Sicherheits- und bewaffneten Organen mit Offiziersdienstgraden hinzugezogen. Nachgearbeitet wurde ein Plan zur Eröffnung von Zentren zur Ausbildung von Teilnehmern von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Gesetzlichkeit und Rechtsordnung in der Republik Belarus (die sogenannten Banner, obgleich auch der Begriff „Kirchenfahnen“ verwendet wird) unter Führung der Kabinettsvertreter Alexander Asarow und Valerij Sachastschik unter Hinzuziehung der Kabinettsvertreterin Alina Kowschik zu ihrer Arbeit, um die Teilnehmer der „Banner“ mit der nationalen Kultur und Geschichte bekanntzumachen. Erörtert wurde (auch) ein Plan für die materiell-technische Absicherung der weißrussischen Freiwilligen in der Ukraine“.
Bei einem Treffen von Kabinettsmitgliedern mit der Diaspora wurde erklärt, dass sich in nur drei Tagen des Aufenthalts der Delegation in Warschau rund 800 Personen bei den „Bannern“ laut Angaben von ByPol (Vereinigung ehemaliger weißrussischer Rechtsschützer, die nach den Ereignissen des Jahres 2020 aus den Rechtsschutzorganen entlassen wurden) eingeschrieben hätten.
Der Telegram-Kanal „Pozirk“ (deutsch: „Blick“) zitiert Worte des ByPol-Chefs Alexander Asarow, wonach die „Banner“ die Weißrussen vereinigen würden, die in die Heimat „zu dem Zeitpunkt“ zurückkehren wollen, „wenn sie dort gebraucht werden“, zwecks Teilnahme an „Sonderoperationen, die geplant worden sind“. Asarow erläuterte: „Die „Banner“ sind Vereinigungen von Weißrussen, die zusammenkommen und einander Schulter an Schulter spüren wollen. Dies ist eine Sammlung von Gleichgesinnten. Wir befassen uns bereits rund einen Monat mit dieser Sache, fuhren nach Gdansk, nach Białystok, wo wir sie gebildet haben“.
Nach seinen Worten würden die Teilnehmer solcher Vereinigungen Sport treiben, sich mit einer Schießausbildung, Nahkampfsportarten und „anderen speziellen Disziplinen“ unter Anleitung von Instrukteuren-Ausbildern befassen.
Derweil steht der Patriarch der weißrussischen Opposition und Führer der Konservativ-christlichen Partei „Weißrussische Volksfront“, Zenon Pozniak, kritisch sowohl den „Bannern“ als auch dem Plan „Peremoga“ gegenüber. Dies erklärte er in einem Interview für den Fernsehkanal „Belsat“. Pozniak unterstrich: „Wer seid Ihr? Ihr habt geschossen, trainiert und seid auseinandergelaufen. Ihr seid keine Armee! Ihr seid noch zu nichts imstande… In der Realität haben wir das Kastus-Kalinouski-Regiment. Dies ist die einzige, mehr oder weniger organisierte Kraft, die etwas lösen kann. Alles Übrige, dies ist vorerst nur ein Gerede… Die Weißrussen, die im Ausland sind, müssen mit allen Kräften dem Kalinouski-Regiment helfen. Man muss sich bei ihm einschreiben, man muss in die Ukraine gehen, man muss den Ukrainern helfen, damit sie siegen. Dies muss man tun. Dies ist unsere einzige Chance. Dieses Regiment muss zu einer Brigade wachsen, zu einer Division“.
Gerade am ersten Tag des Warschauer Forums führte Alexander Lukaschenko in Minsk eine Beratung zu Fragen der militärischen Sicherheit durch und lenkte die Aufmerksamkeit deren Teilnehmer auf die Gefahr, die von der Opposition ausgehe. Das Staatsoberhaupt erklärte: „Auch unsere Flüchtigen haben es nicht versäumt, die Zuspitzung der Situation auszunutzen. Sicherlich aufgrund einer Hysterie, dass man begonnen hat, sie zu vergessen, denken sie sich immer perversere Ideen aus“. Und er erläuterte: „Das Ziel ist eines, ein und dasselbe, wie auch im Jahr 2020 – das Land zu zerstören, die existierende Ordnung zu Fall zu bringen und sich die Landesführung vorzuknöpfen. Die Form, der Weg sind ein bewaffneter. Andere Wege werden von ihnen schon nicht erörtert“.
Er nannte auch jene Einheit, die scheinbar seine größte Besorgnis auslöst: „Man hegt weiterhin Pläne zur Schaffung eigener militarisierter Formationen, des sogenannten Kalinouski-Regiments. Was für ein amüsantes Regiment es auch sein mag, doch in seinen Reihen gibt es radikal eingestellte Kämpfer, die sich gerade auch das Ziel einer Destabilisierung der Lage in unserem Land vor allem durch eine Diversions- und Wühltätigkeit stellen“. Es macht Sinn hervorzuheben, dass sich der Präsident etwas widersprach. Schließlich würde das Regiment, wenn es ein amüsantes ist, wohl kaum eine Bedrohung darstellen, über das es gelohnt hätte, gegenüber den zusammengekommenen Militärs zu sprechen.