Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Tokajew verspricht Putin, Kasachstan zu verändern


Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew weilte am vergangenen Donnerstag in einer faktisch neuen Eigenschaft zu einem Besuch in Moskau – als Führer der Nation. Diesen Titel hatte man am Vorabend Nursultan Nasarbajew genommen, offiziell hat ihn aber Tokajew auch nicht erhalten. Doch alle Fäden der Macht sind vom ersten Präsidenten an den zweiten gegangen, darunter die Funktion des Vorsitzenden des Sicherheitsrates des Landes und des Chefs der regierenden Partei. Und es kann angenommen werden, dass sich Tokajew bemühen wird, sie in seinen Händen zu behalten, damit sich die Ereignisse von Almaty des vergangenen Januars nicht mehr wiederholen. Tokajew war zu Wladimir Putin gekommen, um noch einmal für die Hilfe bei der Bewahrung von Kasachstan zu danken. Und um eine Reihe von Fragen der bilateralen Zusammenarbeit und regionalen Sicherheit zu erörtern.

Das Gespräch beim Treffen im Kreml begann mit den Ereignissen in Kasachstan im Januar. Wladimir Putin konstatierte, dass die Situation in Kasachstan nach den Januar-Ereignissen wiederhergestellt worden sei, und betonte die Rolle der Führung der Republik beim Schaffen von Ordnung. Nachdem der russische Präsident erinnert hatte, dass Russland im Rahmen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit „Kasachstan die Schulter hingehalten hatte“, betonte er gleichzeitig die Rolle der Rechtsschutzorgane und der Streitkräfte der Republik beim Wiederherstellen der Ordnung.

„Jetzt müssen nicht wenige Anstrengungen unternommen werden, um alles wiederherzustellen, was vor dem Hintergrund dieser Ereignisse verloren wurde. Dennoch aber steht Kasachstan sicher auf den Beinen, dank Ihrer Anstrengungen, und es entwickelt sich aktiv unter Ihrer Führung. Ich hoffe, dass wir wie auch in den vorangegangenen Jahren das Potenzial für das Zusammenwirken zwischen Russland und Kasachstan nutzen und uns auf dem Wirtschaftstrack vorwärtsbewegen werden“, sagte Putin.

„Für mich ist es angenehm zu konstatieren, dass Russland der größte Handels- und Wirtschaftspartner Kasachstans ist. Im vergangenen Jahr hat der Handelsumsatz um mehr als 34 Prozent bis auf 26 Milliarden Dollar zugenommen. Das Tempo ist ein gutes“, meinte Putin. Der Präsident der Russischen Föderation fügte hinzu, dass es für Russland und Kasachstan „etwas gibt, woran gearbeitet werden muss. Wir haben große Vorhaben sowohl in der Raumfahrt als auch in der Energiewirtschaft und im Maschinenbau… Das Gesamtvolumen der russischen Investitionen überstieg 18 Milliarden Dollar. Folglich werden wir auch weiterhin arbeiten“, sagte Putin.

Seinerseits erklärte Tokajew erklärte, dass hinter den Ereignissen in Kasachstan „eine sorgfältig vorbereitete Operation von Terroristen und Banditen stand, die auf eine Untergrabung der Verfassungsordnung und die Verübung eines Staatsstreichs abzielte“. „Gegenwärtig erfolgt eine Untersuchung, tauchen die ersten Ergebnisse auf. Leider gibt es sehr viele Opfer. Hinsichtlich eines jeden Falls erfolgt eine Aufklärung. Die Schuldigen werden bekanntgegeben, zur Verantwortung gezogen und bestraft“, versicherte Kasachstans Präsident. Tokajew fügte hinzu, dass das friedensstiftende Kontingent „eine sehr wichtige Rolle aus der Sicht einer psychologischen Abschreckung der Terroristen gespielt hatte“.

Als Tokajew nach Moskau flog, tagte in der Hauptstadt Nur-Sultan der Senat. Senator Ali Bektajew formulierte eine Abgeordnetenanfrage an einen der Vizepremiers und betonte, dass dank der Entschlossenheit des Präsidenten die Staatlichkeit und die Einheit des Landes gewahrt worden seien.

„In jenen Januartagen waren auf die Plätze (von Almaty – „NG“) gerade junge Menschen gekommen, von denen viele sich auf die Provokationen destruktiver Kräfte einließen“, erinnerte der Senator. Er ist der Auffassung, dass man die Jugendpolitik ändern müsse. Und beginnen müsse man mit der Arbeitslosigkeit, die sich laut Angaben der Regierung verringert hätte, obgleich alles tatsächlich umgekehrt gewesen sei. „Die Regierung muss auf die verlogene Statistik hinsichtlich einer Verringerung der Arbeitslosigkeit verzichten und zu einer realen Arbeit übergehen“, sagte Bektajew. Die Senatoren denken, dass man in dieser Richtung eine neue Ideologie für Kasachstan entwickeln müsse.

Noch eine wichtige Entscheidung wurde an diesem Tag durch die Volksvertreter getroffen. Sie betrifft die Gelder kasachischer Staatsbürger im Ausland. Das neue Gesetz wird erlauben, Informationen über alle kasachischen Rechts- und natürlichen Personen zu erhalten, die in den USA Konten eröffnet haben. Dieses Zusammenwirken zwischen beiden Ländern werde sich positiv auf den Landesetat auswirken, sagte Timur Schaksylykow, 1. Vizeminister für nationale Wirtschaft der Republik Kasachstan.

Zuvor hatten Abgeordnete gefordert, die Summe der während der Januarereignisse ins Ausland gebrachten Gelder zu nennen.

Bei einer erweiterten Regierungssitzung hatte der Präsident am Dienstag den Auftrag erteilt, innerhalb von zwei Monaten Vorschläge auszuarbeiten, um die widerrechtlich aus dem Land gebrachten Gelder nach Kasachstan zurückzuholen. Den Startschuss für diese Arbeit hat der Senat am Donnerstag gegeben.

Die Abgeordneten der Fraktion „Aq Jol“ (staatstreue Partei der Mitte – Anmerkung der Redaktion) baten die Agentur für Finanzmonitoring, Informationen über große Geldtransfers aus Kasachstan ins Ausland während der Januar-Tragödie, aber auch über die Auftraggeber solcher Transaktionen vorzulegen. „Laut Angaben der internationalen Organisation Tax Justice Network sind in den letzten 25 Jahren rund 140 bis 160 Milliarden Dollar aus Kasachstan in ausländische Offshore-Gebiete, was einem Jahres-BIP des Landes gleichkommt, transferiert worden“, heißt es in einer parlamentarischen Anfrage. Jedoch ist über konkrete Ergebnisse dieser Arbeit in Form einer Rückkehr irgendwelcher ernsthafter Summe ins Land bisher nichts bekannt.

Tokajew hat den reichen Landsleuten gleichfalls angetragen, an ihren Vermögen teilhaben zu lassen. „Vom Business werden Ehrlichkeit hinsichtlich der Steuerzahlungen und soziale Verantwortung gefordert. Eine der Formen solch eines Vorgehens sind die Spenden für den Fonds „Kasachstan Khalkyna“ („Für das Volk Kasachstans“). Ich habe bereits gesagt, dass seine Bildung vor allem durch die große Nationalbourgeoisie erfolgen muss, obgleich Beiträge anderer Unternehmen inkl. ausländischer Investoren natürlich auch begrüßt werden. Ich unterstreiche noch einmal: Dies ist keine Nötigung, sondern eine Chance für die gestandenen profitablen Unternehmen und Bürger, Mittel für edle gesamtnationale Ziele zu spenden“.

Zu den Plänen von Präsident Tokajew gehört auch die Demonopolisierung des kasachischen Baumarktes. Er betonte: „Die Namen der Bauunternehmen, die ständig Ausschreibungen gewinnen und dann die Bauvorhaben an Subunternehmen weitergeben und die – an andere Auftragnehmer, sind gut bekannt“.

Über all diese Pläne berichtete Tokajew auch bei seinem Treffen mit Wladimir Putin. Aber auch darüber, dass er Anfang März in die frühere kasachische Hauptstadt Almaty fahren werde, um „den wahren Geist von Almaty zu beleben und den Einwohnern der Stadt eine gute Stimmung zurückzubringen“.

Es sei daran erinnert, dass in der letzten Zeit in Kasachstan spürbare Personalveränderungen vorgenommen wurden. Das Land hat einen neuen Premier, einen neuen Außenminister und einen neuen Vorsitzenden des Unterhauses. Von den 16 Ministern ist die Hälfte ersetzt worden. Im Bereich der Sicherheits- und Rechtsschutzinstitutionen sind gleichfalls neue Gesichter aufgetaucht. Im Komitee für nationale Sicherheit wurden der Vorsitzende und vier Stellvertreter entlassen, wobei drei von ihnen inkl. der Ex-Chef Karim Masimow festgenommen wurden. Ernannt wurde ein neuer Verteidigungsminister. In sechs der 17 Verwaltungsregionen des Landes gibt es neue Leiter der Polizei-Gebietsdepartments. Veränderungen haben gleichfalls die regierende Partei „Nur Otan“, aber auch die Nationalbank tangiert.