In Turkmenistan wird ein Mechanismus für ein komplettes Abschalten des Internets für die Bevölkerung entwickelt. Ein Zugang wird nur zu einheimischen Seiten und einem einheimischen Messenger bleiben. Und dies, obwohl das Land Kurs auf eine totale Digitalisierung genommen hat. Laut Informationen einer Quelle der „NG“ sei geplant, den staatlichen Strukturen und kommerziellen Organisationen, die mit den Offiziellen affiliiert sind, einen Zugang zum weltweiten Internet nach dem Prinzip „für den Dienstgebrauch“ bereitzustellen. Die Herrschenden versichern, dass sie sich auf solch eine Weise um die Sicherheit des Landes und dessen Schutz vor einem destruktiven Einfluss von außen her sorgen würden.
Großangelegte Umgestaltungen im Zusammenhang mit einer Digitalisierung des Landes waren bereits im Jahr 2019 durch Präsident Gurbanguly Berdymuchamedow begonnen worden. Sein Sohn Serdar, der zu jener Zeit Vizepremier gewesen war, war für deren Einführung in das System der staatlichen Verwaltung verantwortlich gewesen.
Gemäß der Entwicklungskonzeption sollte Turkmenistan bis zum Jahr 2025 vollkommen zu einer digitalen Wirtschaft übergehen. Im kommenden Jahr sollte eine „elektronische Regierung“ die Arbeit aufnehmen. Aber allem nach zu urteilen, ist es diesen Plänen nicht beschieden, realisiert zu werden. Serdar Berdymuchamedow, der im März das Amt des Staatsoberhauptes eingenommen hatte, hat Kurs auf eine vollständige Isolierung des Landes genommen.
Der „NG“ ist bekannt geworden, dass die eingekauften speziellen Anlagen für eine tiefgründige Analyse des Internet-Traffics, eine Beeinflussung der Darstellung von Suchergebnissen durch geringere Positionierung sowie eine sektorale und vollständige Blockierung des Internets bald montiert und in Betrieb genommen werden. Mehr noch, die Offiziellen diskutieren ernsthaft die Frage nach einer Einstellung der Kontakte mit allen Ländern für die Dauer von zwei Jahren aufgrund einer möglichen neuen Coronavirus-Welle, die übrigens laut offiziellen Meldungen Turkmenistan früher gar nicht erreicht haben soll.
Der Experte für Zentralasien Serdar Aitakow erklärte auf die Frage der „NG“, wofür dies alles getan werde und warum Turkmenistan zum Schaden des technologischen Fortschritts die eigene Entwicklung lähme und sich sogar auf direkte finanzielle Verluste einlasse, dass die Herrschenden eine Destabilisierung der innenpolitischen Situation befürchten würden.
„Die Offiziellen sind nicht imstande, den informationsseitigen Bedrohungen Paroli zu bieten, daher sperren sie den Zugang zum Internet. Die Bevölkerung holt sich Informationen von ausländischen Internetportalen, darunter von Seiten unterschiedlicher Emigrantengruppen, von turkmenischen oppositionellen Telegram-Kanälen (viele turkmenische Beamte sind im Übrigen deren Abonnenten und lesen sie ständig per VPN), aus Berichten von Menschenrechtsorganisationen und den Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft auf die eklatante Verletzung von Menschenrechten wie die jüngste Kampagne für eine Beschneidung der Frauenrechte. Mit nicht weniger Hartnäckigkeit blockiert man den Strom von Informationen auch in die entgegengesetzte Richtung – über die totale Korruption in Turkmenistan, über die Menschenrechtsverletzungen, über die politischen und wirtschaftlichen Fehlschläge und Flops der Offiziellen sowie über den Despotismus und Voluntarismus ihrer Spitzenvertreter und natürlich über das „Nichtvorhandensein von COVID-19 in Turkmenistan“, dem einzigen kontinentalen Land, dessen Spitzenvertreter sich weigern, das Eindringen des Virus anzuerkennen“, sagte Aitakow. Nach Aussagen des Experten würden die Offiziellen eine ständige Jagd auf Bürgeraktivisten vornehmen, Journalisten und Autoren aufspüren, die für ausländische Massenmedien und Menschenrechtsorganisationen schreiben. Und gegen Journalisten und Aktivisten der „alten Garde“ erfolge ein ständiger prophylaktischer Terror. In der letzten Zeit seien zu Opfern der turkmenischen Geheimdienste die IT-Spezialisten geworden, die einen Zugang zu VPN-Kanälen für einen Umgehen der Internet-Zensur organisieren.
Präsident Serdar Berdymuchamedow hatte das Thema der Informationssicherheit im Verlauf des Konsultativtreffens der Oberhäupter der Länder Zentralasiens, das in Mitte Juli in Kirgisien stattgefunden hatte, angesprochen. Er betonte unter anderem, dass nicht nur Turkmenistan Informationsattacken ausgesetzt werde, sondern bereits alle Länder der Region. Er unterbreitete den Vorschlag, für einen wirksamen Schutz des Informationsraumes in Zentralasien „über eine Verstärkung der professionellen Kontakte zwischen den staatlichen Informationsstrukturen unserer Länder nachzudenken“. Nach seiner Meinung sei es möglich, einen gewissen „Verhaltenskodex“ bei der Darstellung „sensibler Themen“ auszuarbeiten.
„Die These ist durchaus eindeutig zu entschlüsseln: Die Geheimdienste der Länder der Region sollen nach Meinung von Präsident Berdymuchamedow eine enge Koordinierung zur Vornahme einer Zensur im Internet und in den Massenmedien anschieben. Mehr noch, der vorgeschlagene „Verhaltenskodex“ bedeutet nichts anderes als den Versuch der Offiziellen Turkmenistans, Mechanismen für eine Beeinflussung auch der Medien anderer Länder der Region, die Materialien veröffentlichen, die in Aschgabat nicht gefallen können, zu bekommen. Faktisch ist dies der Aufruf zur Etablierung eines regionalen Zensur-Komitees. Das heißt: Turkmenistan bemüht sich, anderen Ländern der Region die eigene Doktrin einer „Informationssicherheit“ aufzuzwingen, die das Land auf die letzten Positionen in den Indexen für Pressefreiheit und der „Internet-Feinde“ brachte“, meint Serdar Aitakow. Übrigens, man hat bereits aufgehört, Turkmenistan in die Übersichten zur Pressefreiheit als ein „schwarzes Loch“ aufzunehmen.
Inwieweit die turkmenischen Erfahrungen durch die Offiziellen der Länder der Region gefragt sein werden, ist schwer zu sagen. Wie aber der Experte betonte, habe diese Medaille auch eine andere Seite. Aufgrund der totalen Zensur des Internets sei dessen archaischer Charakter allseits bekannt und zum Gegenstand von Gespött geworden. „Das Internet an sich und alle auf ihm beruhenden Technologien sind bei den turkmenischen Offiziellen äußerst unbeliebt, obgleich sie ständig von einer „Digitalisierung“ und einer „digitalen Wirtschaft“ sprechen, was natürlich eine vollkommene Profanation ist. Die wenigen, über das Internet zugänglichen Leistungen sehen sehr erbärmlich aus, besonders im Vergleich zu den nächsten Nachbarn, die die Offiziellen von Turkmenistan zu überreden suchen, sich auf dessen Niveau zu begeben. Schließlich gibt es keine abstrakte Zensur. Mag man nur beginnen, irgendwelche oppositionelle Seiten zu blockieren, und da werden auch die Services der Internet-Giganten schon bald an der Reihe sein, wie dies in Turkmenistan geschah. Faktisch arbeitet nicht ein einziger vollwertig, und viele sind vollkommen blockiert worden“, erläuterte Aitakow.
Nach Meinung des Experten sei die hauptsächliche Messlatte für die Kampagne zur Verschärfung der Zensur die komplette Insolvenz aller ideologischen Doktrinen, die von den turkmenischen Offiziellen aufoktroyiert werden. „Der Personenkult, der Verweis auf „jahrhundertealte ureigene nationale Werte“, die Versuche, dem Volk nationalistische Narrative aufzudrängen, der Kampf gegen jegliche Erscheinung einer Verwestlichung – all dies hat seine Haltlosigkeit demonstriert. Diese Ideologie hält einfach keinerlei Konkurrenz stand, wenn selbst der Präsident in seiner Wortmeldung beim erwähnten vierten Konsultativtreffen erklärte, dass unter den Hauptbedrohungen auf dem ersten Platz „die Versuche zur Destabilisierung der innenpolitischen Situation in den Staaten unserer Region“ stehen“, betonte Serdar Aitakow.
Berdymuchamedow habe dabei nicht präzisiert, wer und wie versuche, die innenpolitische Situation in den Ländern der Region zu destabilisieren, sei dies eine gemeinsame Bedrohung oder gibt es doch für jedes Land eigene „Wühlzentren“? Aber die Maßnahmen zum Schutz des Informationsraumes sollten gemeinsame sein.