Wirtschaftsexperten und Soziologen untersuchen den Markt nach der sogenannten Verlangsamung von YouTube in Russland, die am 12. Juli begonnen hat. Fernmelde-Anbieter registrierten eine spürbare Zunahme des gesamten Internet-Traffics um fünf bis zehn Prozent, und in einigen Regionen gar um bis zu 20 Prozent. Zu erklären ist dies durch die Nutzung von VPN-Programmen für den Erhalt eines Zugangs zu dem Google-Videoservice, aber auch durch ein aktives Kopieren von Videos aus YouTube für russische Ressourcen.
Es gibt da aber noch ein interessantes Detail: Vor dem Hintergrund der bewusst verursachten Störungen in der Arbeit der Videoplattform haben einheimische Online-Kinos und Video-Service-Anbieter eine drastische Zunahme der Nachfrage nach Inhalten für Kinder fixiert. Die Anzahl der Nachfragen nach Trick- und Familienfilmen unter den Nutzern ist um ein Mehrfaches angestiegen. Laut Medienberichten habe die Zahl der Abonnenten des Service „Kinopoisk“, die Content für Kinder anschauen, drastisch zugenommen: Okko – um 89 Prozent, und Premier registriert ganz und gar eine Zunahme der Nachfrage um das 3,5fache. All dies gilt im Vergleich zu den entsprechenden Juli-Zahlen. Online-Kinos erklären, dass ungefähr genau solch eine Nachfrage nach Inhalten für Kinder nur während der Neujahrsferien beobachtet wurde. Aufmerksamkeit und Interesse fanden einheimische Trickfilm-Serien – „Drei Kater“, „Die Barboskins“, „Mascha und der Bär“, „Die Fixiki“, „Luntik und seine Freunde“, „Smeschariki“, „Der dunkelblaue Traktor“ u. a.
Die Online-Kinos hegen keine Illusionen und setzten vorerst nicht auf eine langfristige Zunahme des Kinder-Publikums. Der Umfang des Contents der einheimischen Anbieter ist spürbar geringer als auf der YouTube-Plattform. Dennoch belegen diese Zahlen, dass Kinder zu vollwertigen Marktakteuren und schon zu keinen potenziellen, sondern realen Kunden der Online-Kons werden. Und in der Zukunft, wenn zwischen den Anbietern ein realer Konkurrenzkampf um die Zuschauer einsetzt, wird die Befriedigung des Kinder-Publikums möglicherweise zu einem der starken Faktoren für eine Zunahme der Abonnenten-Zahlen.
Gegenwärtig setzen die Online-Kinos zurecht auf die Erwachsenen. Spektakuläre Sujets, in den Medien gepushte Schauspieler und Regisseure locken einerseits neue Kunden an. Andererseits bringen sie Gewinn durch den Verkauf von Lizenzen an andere Anbieter. Laut statistischen Angaben für das vergangene Jahr brachte die einheimische Filmproduktion den russischen Online-Kinos einen Rekorderlös. Innerhalb von sechs Monaten verdienten die Plattformen neun Milliarden Rubel allein durch den Verkauf von Rechten für TV-Serien.
Solch eine stürmische Entwicklung der eigenen Produktion – und der Nachfrage nach dieser – förderten zweifellos die Abschaltung westlicher Anbieter und die Verringerung westlichen Contents insgesamt.
Die Entwicklung eigener Inhalte, die Verstärkung der Marketing-Aktivitäten und der geringe Abo-Preis wurden nach Meinung von Marktforschern zum Grund für die rekordverdächtige Zunahme der Nutzer von Online-Kinos. Im vergangenen Jahr habe laut einer Untersuchung der Agentur TelecomDaily die Zahl der Abos für russische Online-Kinos 45,2 Millionen – ein Rekord – erreicht. Innerhalb eines halben Jahres ist dieser Wert um mehr als 23 Prozent angestiegen (von 36,7 Millionen).
Der Verzicht westlicher Studios auf ein Arbeiten in der Russischen Föderation auf dem Gebiet von Inhalten für Kinder ist ein recht spürbarer. Sie verließen den russischen Markt zusammen mit der Möglichkeit, sich Kollektionen von Trickfilm-Blockbustern anzuschauen. Schon ganz zu schweigen von Premieren. Die einheimischen Trickfilm-Studios, die heute zwar vom Staat unterstützt werden und sich in einem aktiven Entwicklungsstadium befinden, sind aber immer noch nicht in der Lage, den Bedarf zu befriedigen.
Es gibt seltene Versuche, exklusive Arbeiten auf diesem Gebiet zu erwerben. So erhielt der Service „Premier“ Rechte auf die „Goldene Kollektion von Sojusmultfilm“. Der Service „Kinopoisk“ erwarb die Rechte für das Ausstrahlen der Trickfilm-Serie „Detektiv der Tiere“ nach dem gleichnamigen Bestseller der russischen Schriftstellerin Anna Starobinez auf dem Territorium Russlands und der GUS. Die Premiere soll in diesem Jahr erfolgen.
Die heutige Situation, in der die Eltern die Kinder von YouTube auf einheimische Streaming-Dienste „umlenkten“ (und dies ist zweifellos ein Tun der Eltern), ist dazu angetan, noch eine Nische zu bilden. Die Online-Kinos können die einheimischen Trickfilm- und Kinderfilmstudios zur Schaffung exklusiver Inhalte stimulieren. Und damit die Einnahmen erhöhen.