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Über den Konflikt Moskaus und Kiews im Kontext der US-amerikanischen Wahlen


Floridas Gouverneur Ron DeSantis erklärte bei der Beantwortung von Fragen des rechtskonservativen TV-Senders Fox News, dass „eine weitere Involvierung in den Territorialstreit zwischen der Ukraine und Russland keine der nationalen Prioritäten der USA ist“. Nach seiner Meinung müssten zu solchen Prioritäten eher der Schutz der amerikanischen Grenze vor illegalen Einwanderern, die „Überwindung der Krise der Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte“ sowie das Erreichen einer Energie-Sicherheit und -Unabhängigkeit“ gehören. Für die wichtigste Herausforderung für die USA hält DeSantis die „zunehmende Stärke Chinas“. Eine Entsendung von Truppen oder moderner Waffen in die Ukraine bringe aber, behauptet er, die Welt einer direkten militärischen Konfrontation der beiden größten Nuklearmächte näher.

Diese Aussagen sind wichtig, da DeSantis als einer der wahrscheinlichsten Kandidaten von der Republikanischen Partei bei den Präsidentschaftswahlen, die im November des kommenden Jahres stattfinden werden, gilt. Er wird, wie erwartet wird, zum Hauptrivalen von Donald Trump bei den Primaries der Republikaner werden. Trump hatte im Übrigen auch selbst mehrfach Erklärungen hinsichtlich des Konflikts von Russland und der Ukraine abgegeben, deren Wesen darauf hinauslief, dass es unter ihm so etwas nicht gegeben hatte (und nicht gegeben hätte). Der Ex-Präsident ist sich sicher, dass es ihm auch jetzt sehr schnell gelingen würde, Wladimir Putin und Wladimir Selenskij an den Verhandlungstisch zu bringen.

Sowohl DeSantis als auch Trump hätten wohl kaum begonnen, mit Erklärungen aufzutreten, die sie in den Augen der US-amerikanischen Gesellschaft marginalisieren oder das Republikaner-Elektorat und das Establishment von ihnen wegstoßen können. Anders gesagt: Ihre Argumentation und Logik finden Unterstützung. Es existiert ein Konsens um das Ukraine-Thema in der politischen Elite der USA. Aber nur in einem geringen Maße. Die Handlungen Russlands werden verurteilt. Es wird die Auffassung vertreten, dass man es aufhalten müsse. Aber hinsichtlich der Frage nach Maßnahmen zur Einflussnahme und – das Wichtigste – nach dem Maximum einer Involviertheit der USA in den Konflikt bestehen Meinungsverschiedenheiten. Wenn sich die Ukraine-Geschichte in die Länge zieht, wird sie unweigerlich zu einem der Wahlkampfthemen.

Im Kontext des Wahlkampfes sind die Verlagerung des Akzents auf Inlandsprobleme, die alternative Formulierung nationaler Prioritäten eine natürliche Taktik der Opposition. Die Republikaner werden natürlich den Demokraten vorwerfen, dass sie die Ukraine-Krise in die Länge ziehen und durch außenpolitischen Populismus punkten würden, wobei sie die realen Gefahren vergessen würden. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich die Demokraten genauso verhalten würden, wenn sie gegen den republikanischen Hausherrn im Weißen Haus kämpfen müssten. Letzten Endes war Barak Obama unter anderem auf der Welle einer Kritik der Kriege im Ausland an die Macht gekommen. Der „Pragmatismus“ der Republikaner und das „Ideelle“ der Demokraten sind etwas überbewertet worden. Vieles wird von der aktuellen Konjunktur abhängen.

Die öffentliche Meinung beeinflusst die Politiker. Aber sie selbst prägen sie auch. Die konsequente Kritik der Republikaner an der Involviertheit in den Konflikt Moskaus und Kiews kann viele Bürger veranlassen, anders auf das Problem zu schauen, sich die Frage nach den Prioritäten zu stellen. Wird aber die Kritik eine konsequente und häufige sein? Letztlich sind die Wahlen ein Wettstreit von zwei politischen Narrativen. Und das Narrativ der Demokraten wird wohl kaum leiser als das republikanische erklingen. Eine der Varianten für das Verhalten der Demokraten ist, die außenpolitische Agenda vollkommen auszuspielen, sie zu einer prinzipiellen zu machen, dem Opponenten eine Rolle in diesem Spektakel zu bestimmen und ihn zu nötigen, sich zu rechtfertigen. Die Geschichte mit den „russischen Hackern für Trump“ ist noch nicht vergessen. Mechanismen solcher Art sind wirksame.

Eine alternative Position hinsichtlich der Ukraine kann sich als eine pragmatische, als eine logische erweisen. Man kann sie aber auch wie ein Spiel in die Hände Moskaus darstellen. Dies wird die Republikaner zwingen, sich zu verteidigen. Unter den Bedingungen der harten Konkurrenz kann dies zu einer Verlierer-Taktik werden. Daher gibt es keine Gewissheit, dass die gegenwärtigen Aussagen von DeSantis zu programmatischen werden.