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Über die Anerkennung und Nichtanerkennung der DVR und der LVR


Das Oberhaupt der selbstproklamierten Donezker Volksrepublik Denis Puschilin hat angekündigt, dass alle Einwohner der Region die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation erhalten würden. Zuvor hatte der stellvertretende Leiter der Administration des russischen Präsidenten, Dmitrij Kosak, erklärt, dass die vereinfachten Modalitäten für die Gewährung der russischen Staatsbürgerschaft für die Bewohner des Donbass nicht bedeuten würden, dass man vorhabe, die Donezker Volksrepublik und die Lugansker Volksrepublik (DVR und LVR) in den Bestand Russlands aufzunehmen. Den Oberhäuptern der selbstproklamierten Republiken überreichte man derweil Mitgliedsbücher der Kremlpartei „Einiges Russland“.

Im Ausschuss der Staatsduma (des Unterhauses des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) für internationale Angelegenheiten schließt man seinerseits eine Anerkennung der Unabhängigkeit der DVR und der LVR nicht aus. So erklärte der stellvertretende Ausschussvorsitzende Dmitrij Nowikow (KPRF), dass dies im Falle „inadäquater Handlungen der Ukraine“ erfolgen werde. Ein anderer stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses, Viktor Wodolazkij („Einiges Russland“), ist der Auffassung, dass solch eine Entscheidung helfen würde, den Beschuss dieser Territorien zu stoppen. Der Chef des Ausschusses für GUS-Angelegenheiten Leonid Kalaschnikow (KPRF) räumte die Möglichkeit von Waffenlieferungen in den Donbass im Falle einer Eskalation des Konflikts ein – auch als eine Antwort auf Waffenlieferungen für die Ukraine aus Ländern des Westens.

Der 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Ausschusses für internationale Angelegenheiten im Föderationsrat (dem Oberhaus des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) Wladimir Dschabarow („Einiges Russland“) sprach sich etwas vorsichtiger aus. Nach seinen Worten könne man die Bitte der DVR und der LVR um Hilfe erörtern, wenn ein direkter Appell erfolge, wenn es eine Gefahr für das Leben der Menschen bestehe. Der Senator betonte, dass eine halbe Million Einwohner des Donbass (des Teils der Region, der nicht durch Kiew kontrolliert wird – Anmerkung der Redaktion) zu Bürgern Russlands geworden sei. Folglich könne man sie nicht im Stich lassen.

Viele russische Abgeordnete und Senatoren weichen nicht von der staatlichen Linie ab, wenn vom Donbass die Rede ist. Der bereits erwähnte Senator Dschabarow erklärt, dass es für Wladimir Putin nicht lohne, sich mit Wladimir Selenskij hinsichtlich der DVR und der LVR zu einigen, da dies eine Provokation sei. Und deren Ziel sei es, Russland zu einer Seite des Konflikts zu machen. Politiker aus der Russischen Föderation empfehlen bereits nicht das erste Jahr Selenskij, Verhandlungen mit der Führung der selbstproklamierten Republiken zu führen, schließlich seien deren Einwohner nach wie vor Staatsbürger der Ukraine. Das Phantom einer russischen Anerkennung verhindert jedoch solch einen Dialog, ob ihn Selenskij nun möchte oder nicht.

Selbst der Leiter des Pressedienstes des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, sagt, dass es keine Anerkennung der DVR und der LVR gegeben hätte. Es sei aber schwierig, Prognosen abzugeben. Und der Prozess der Konfliktregelung ziehe sich in die Länge. Keiner der verantwortlichen Persönlichkeiten in Russland spricht eindeutig und konkret darüber, dass Moskau eine Reintegration des Donbass unterstütze. Man ruft einfach Selenskij dazu auf. Die Oberhäupter der DVR und der LVR interpretieren dies als eine mögliche Anerkennung durch Russland. Sie geben diese Interpretation an die Einwohner des Donbass weiter. Sie unterstützen diese Version, denn sie garantiert ihnen eine politische Zukunft, aber nicht die Rückkehr der Region in den Bestand der Ukraine.

In der Staatsduma der Russischen Föderation wird sich, wenn die Frage nach einer Anerkennung der DVR und der LVR (analog zu den Fällen mit Abchasien und Südossetien) zur Abstimmung gebracht wird, die erforderlichen Anzahl von Stimmen finden. Dort gibt es jetzt Vertreter der Partei „Für die Wahrheit“ (als Teil des Parteienbündnis „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“ – Anmerkung der Redaktion), die vor den Wahlen mit imperialen Proklamationen aufgetreten waren. Sie werden als Anführer auftreten, und ihnen werden die übrigen folgen – wenn ein Signal von oben kommt. Solch ein „Regiment von für einen freien Donbass Stimmenden im Hinterhalt“ wird gebraucht, um dem Prozess zu jeglichem Zeitpunkt ein legitimes Aussehen zu verleihen.

Jedoch bedeutet dies überhaupt nicht, dass Russland beabsichtigt, sich in der Donbass-Richtung aktiver zu verhalten. Die aktuelle Lage der Dinge scheint ihm eher recht zu sein. Die wirtschaftliche Situation ist eine turbulente. Es sind keinerlei Wahlen, die eine patriotische Mobilisierung verlangen, abzusehen. Das Risiko neuer Sanktionen jetzt auf sich zu nehmen, ist unklug. Aber solche Sanktionen und ein endgültiges Zerwürfnis in den Beziehungen mit dem Westen folgen unweigerlich einer Anerkennung der DVR und der LVR.

Doch auch darauf, dass Selenskij das Problem friedlich lösen wird, rechnet man in Moskau wohl kaum (mag man dies auch erklären). Andernfalls hätte man nicht die Pässe und Parteiausweise verteilt. Der Donbass wird nur einen direkten Dialog mit Kiew beginnen, wenn er von Moskau enttäuscht sein wird. In Kiew begreift man dies offensichtlich. Man ist nicht bereit, um die Region zu kämpfen, doch friedlich kann man sie auch nicht zurückholen.