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Über die Haltung von Russlands Bürgern zum Einfluss des Westens


Das kremlnahe Allrussischen Meinungsforschungszentrum (VTsIOM) hat Ergebnisse einer Umfrage vorgelegt, die dem Einfluss der westlichen Kultur und Werte auf Russland und dessen Bürger galt. 33 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass die westliche Zivilisation, die westliche Demokratie und Kultur „für uns nicht geeignet sind“. Weitere 26 Prozent halten sie für „zerstörerische und verderbliche für Russland“. 44 Prozent vertreten die Meinung, dass die westliche Kultur „eher“ oder „unbedingt“ die Geschmäcker von Russlands Bürgern negativ beeinflusse. Zur gleichen Zeit ist der Großteil der Befragten (55 Prozent) damit einverstanden, dass „wir selbst die eigene Kultur vergessen“ und nicht der Westen den kulturellen Einfluss auf Russland verstärke.

Das letzte Mal hatte VTsIOM solch eine Umfrage im Jahr 2000 durchgeführt. Und es versteht sich: Die Zahlen waren andere. Die Bürger hatten häufiger über einen Nutzen der westlichen Werte, der Kultur und der gesellschaftspolitischen Mechanismen gesprochen. Allerdings hatten damals auch nur 17 Prozent von einem positiven Einfluss der westlichen Kultur auf die Geschmäcker von Russlands Bürgern gesprochen. Die Mehrheit war aber gegen solch eine Einflussnahme.

Teilweise bestimmt die Struktur der eigentlichen Frage die Antworten. Sie verweist von vornherein auf den Antagonismus „ihre“ und „unsere“, auf „ihre“ Kultur- und Werte-Expansion. Die Person, die man in solch ein Koordinatensystem versetzt, äußert sich oft reflektorisch gegen einen fremden Einfluss. Für den Menschen ist es komfortabler, die negativen Erscheinungen, die er in der für ihn modernen bzw. heutigen Gesellschaft feststellt, durch eine äußere Beeinflussung denn durch die Entwicklungsbesonderheiten unseres komplizierten sozialen Organismus zu erklären.

Wenn von der Musik, die Malerei oder das Theater die Rede ist, so ist es sehr schwer, eine Trennung nach „unsere“ und nicht unsere“ vorzunehmen. Die russische Kultur ist in diesem Sinne in die westliche integriert. Und umgekehrt, sie harmonieren organisch, widersprechen nicht einander. Jeglicher Antagonismus sieht hier wie ein künstlicher aus. Aber jene, die die Umfragen durchführen, und jene, die ihnen antworten, schürfen aber nicht so tief. Sie bleiben auf der Ebene von Stereotypen und Vorurteilen (die „russische Kultur ist eine hohe und ethische, die westliche – eine niedrige, abgeschmackte“).

Das Alter der Befragten spielt natürlich eine wichtige Rolle. Und die Soziologen vom VTsIOM unterstreichen dies selbst. Die negativen Wertungen für den Westen und dessen Einfluss beginnen, in den Altersgruppen ab 35 Jahren zu dominieren. Jüngere Menschenfinden in der Zivilisation, der Demokratie und der Kultur des Westens häufiger etwas Positives. Einfluss üben der Wohnort und das Bildungsniveau aus. Der Einwohner einer Großstadt, der einen Universitätsabschluss besitzt, spricht seltener von einem verderblichen Einfluss des Westens als jener, der in einer Kleinstadt oder in einem Dorf wohnt und keinen Hochschulabschluss erworben hat.

Die Herrschenden sind dazu geneigt, auf Umfragen solcher Art zu verweisen, wenn sie die einen oder anderen gesetzgeberischen Mechanismen in Gang setzen und ihre Politik, die Westfeindlichkeit und mitunter einen freiwilligen Isolationismus erklären. Sie wählen im Großen und Ganzen zwischen zwei großen elektoralen Gruppen aus. Und diese Entscheidung fällt zugunsten der älteren Generation aus, zugunsten der Vergangenheit, die möchte, dass die Zukunft ihr ähnelt und weshalb sie die Gegenwart negativ bewertet.

Die Gesellschaft in Russland war im Jahr 2000 keine prowestliche gewesen. Und es genügt, sich der Reaktion sowohl der Politiker als auch der Bürger auf die Ereignisse in Jugoslawien zu erinnern, um die diskursive Ähnlichkeit mit dem auszumachen, was sich heute abspielt. Zur gleichen Zeit war dies die Zeit einer Krise, des radikalen Umbaus der sozialen, der Wirtschafts- und der politischen Formationen. Nebenan waren Beispiele der erfolgreichen westlichen Gesellschaften. Und daher konnten viele eine Abgrenzung zwischen der Außenpolitik der Eliten und den funktionierenden Mechanismen, die das Wohlergehen gewährleisten, vornehmen.

Begonnen hatte ein Rohstoff-Boom. Die Menschen verspürten eine Verbesserung des Wohlstands, einen Aufschwung der Lebensqualität. Sie hatten aber nicht gesehen, dass dies irgendwie durch eine Anpassung der westlichen Mechanismen bedingt wurde. Die Demokratie wurde weniger, das Geld wurde aber objektiv mehr. Im gesellschaftlichen Bewusstsein begann der Einfluss der westlichen Normen an Wert zu verlieren. Die westliche Demokratie, dies ist vor allem eine Eigenständigkeit der Institute. In Russland ist es nicht gelungen, solch ein System zu schaffen. Für die Menschen ist es aber psychologisch einfacher zu sagen, dass sie für uns einfach nicht geeignet gewesen sei.