Roskomnadzor (Russlands Aufsichtsbehörde u. a. für das Internet und die Massenmedien – Anmerkung der Redaktion) schickt sich an, noch einige VPN-Services zu blockieren. Der Bevollmächtigte Russlands für den Schutz der Unternehmerrechte im Internet, Dmitrij Marinitschew, erklärte in der vergangenen Woche, dass VPNs eine „absolut legale und nötige Technologie sind, die die Informationssicherheit gewährleisten“. Die Besitzer solcher Anbieter müssten jedoch den Zugang zu in der Russischen Föderation verbotenen Seiten innerhalb der eigentlichen Netzwerke blockieren. Das Problem besteht darin, dass die russischen Bürger die VPNs gerade auch für einen Zugang zu blockierten Ressourcen nutzen (da sie die Entscheidung der Aufsichtsbehörden nicht billigen oder verstehen – Anmerkung der Redaktion). Laut einigen Angaben habe dies seit dem 24. Februar, dem Beginn der russischen militärischen Sonderoperation in der Ukraine, zehntausende Internetseiten, sozialen Netzwerke und Apps betroffen.
VPN-Services nutzen nicht nur Bürger für private Zwecke, sondern auch Institutionen, darunter staatliche Einrichtungen, Banken, Massenmedien… Dies ist für einen Zugang zu aktuellen Informationen erforderlich. Irgendwo werden für den Erwerb nötiger Technologien Budgetgelder eingesetzt. Im Internet hat man sich im Juni über diese paradoxe Situation schon recht gehörig amüsiert: Eine staatliche Organisation blockiert Internetseiten, andere staatliche Einrichtungen zahlen für ihre De-Blockierung.
Die kremlnahe Stiftung „Öffentliche Meinung“ hat derweil eine Befragung durchgeführt, die der Haltung der Bürger zu Blockierungen von Internetressourcen galt. Ein Viertel der Befragten musste nach der ersten Frage – „Nutzen Sie das Internet?“ – ausgeklammert werden. 25 Prozent nutzen es entweder nicht oder hatten es dies vor mehr als einer Woche getan (das heißt, das Worldwide-Web ist nicht zu einem wichtigen Teil ihres Lebens geworden).
Unter den übrigen verteilten sich die Stimmen so: 31 Prozent halten Blockierungen für eine gerechtfertigte und jetzt notwendige Maßnahme, 27 Prozent sind damit nicht einverstanden. Und 16 Prozent fanden nichts, was sie antworten sollten. Diejenigen, die Einschränkungen unterstützen, sprechen meistens von der Notwendigkeit des Kampfes gegen Fakes, gegen verlogene und falsche Informationen (elf Prozent der Fälle). Das heißt, vom Wesen her wiederholen sie die offiziellen Formulierungen. Die von der Popularität her zweite Variante unter dieser Gruppe ist: „Im Internet gibt es übermäßige, unnötige und negative Informationen“. Wahrscheinlich würden solche Menschen die Blockierungen auch ohne die Sonderoperation unterstützen.
Diejenigen, die Restriktionen nicht unterstützen, sprachen in erster Linie von deren Sinnlosigkeit (sieben Prozent). „Die Menschen werden dennoch die nötigen Informationen finden“. Es gab auch andere Antwortvarianten: eine Verletzung des Rechts auf den Zugang zu Informationen, ein Unbehagen für die Menschen, die sich daran gewöhnt haben, soziale Netzwerke für Kontakte und zur Unterhaltung zu nutzen, die Unzulässigkeit des Verbots eines alternativen Standpunkts.
Und es gibt noch einen wesentlichen Aspekt in der Umfrage der Stiftung „Öffentliche Meinung“: 38 Prozent sehen nichts Verwerfliches darin, blockierte soziale Netzwerke und andere Netzressourcen zu nutzen. Lediglich 18 Prozent meinen, dass dies unzulässig sei.
Die Untersuchung der Stiftung führt zu dem Gedanken, dass ein erheblicher Teil der Bürger wirklich die Praxis von Blockierungen im Netz unterstützt und die Motivierung der Herrschenden akzeptiert. Dies ist aber ein erheblicher Teil – nicht der dominierende, was auch die konkreten Zahlen demonstrieren. Die Gegner von Blockierungen sind etwas weniger. Die Verfechter für einen Zugang selbst zu verbotenen Ressourcen sind einfach mehr.
Hier werden wir jedoch mit der Technologie zur Formierung einer Mehrheit und einer überwältigenden Mehrheit im russischen sozial-politischen Umfeld konfrontiert. Zu den Stimmen, die bewusst die Entscheidungen der Herrschenden unterstützen, kann man stets die der „passiv Unterstützenden“ hinzufügen, sozusagen ein Regiment der öffentlichen Meinung im Hinterhalt (oder weniger aggressiv: in der Hinterhand). Dies sind beispielsweise eben jene 25 Prozent der Befragten, die kein Internet nutzen. Wenn sie zwischen zwei Optionen auswählen sollen, sagen sie sehr oft aus Trägheit JA zum Standpunkt der Herrschenden, wobei sie keine klare Vorstellung vom Gegenstand der Unterhaltung und keine persönlichen Erfahrungen aus dem Kontakt mit ihm haben. Dies kann man auch im Falle mit anderen Gesetzen und Praktiken beobachten, zum Beispiel mit der Verleihung des Status eines „ausländischen Agenten“.
Die Soziologen der Stiftung „Öffentliche Meinung“ haben durchaus gewissenhaft und im Interesse der Reinheit des Experiments solche Menschen ausgeklammert und erhielten interessante Ergebnisse. Die Politiker, die gern zeigen wollen, dass man sie unterstützt, werden so nicht experimentieren.