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Über eine einzige ID im Internet


Das Ministerium für digitale Entwicklung möchte eine einzige ID für jeden Nutzer und für alle digitalen Plattformen einführen. Dies teilte bei einer Tagung des Öffentlichen Rates beim Ministerium die Vizeministerin Bella Tschekessowa mit. Man kann nicht sagen, dass diese Nachricht eine Erschütterung im Netz auslöste. Dort hat man sich bereits daran gewöhnt, dass sich die Staatsbeamten oder Abgeordneten jeden Monat irgendein neues Verfahren zur Kontrolle ausdenken. Über die Überschriften von der Art „Ein Ende der Anonymität?“ muss man sich auch nicht wundern. Gerade so werden die Ministeriumsinitiativen interpretiert, gerade so sind der Horizont und der Charakter der Erwartungen.

Die Vizeministerin verwies auf die Interessen der Online-Kinos, denen man helfen müsse, die Popularität ihres Contents zu beurteilen. Derzeit würden sie verzerrte Daten erhalten. Wenn ein Mensch sich ein und denselben Film auf ein und derselben Plattform zuerst per Fernsehgerät und dann per Telefon auf dem Weg zur Arbeit anschaut, werden in der Statistik zwei einmalige Nutzer erfasst. Es gibt Plattformen, die keine Autorisierung fordern, wodurch es sowohl für die Kinos an sich als auch die Werbekunden, die sich an den konkreten Profilen der Menschen oder zumindest an genauen Daten für die Sichtungen orientieren wollen, noch schwieriger ist.

Jetzt aber schlägt das Ministerium für digitale Entwicklung vor, eine einzige ID für alle Plattformen einzuführen, die an die Telefonnummer gekoppelt ist. Wie im Ministerium versichert wird, „wird keiner je erfahren, was sich der jeweilige konkrete Nutzer angesehen hat“. Die Daten werden an das Unternehmen Mediascope „in einer entpersonifizierten Form“ weitergeleitet. Das heißt, erläuterte man im Ministerium, diese Daten wird nicht das Analyse-Unternehmen entpersonifizieren (sprich: entpersonalisieren), sondern die eigentlichen Internetressourcen. Gegenwärtig erörtert das Ministerium für digitale Entwicklung die Initiative mit der Branche, dem Business und den „interessierten Institutionen“.

Die Besorgnis der Online-Konos und der Werbekunden ist verständlich, ihnen kann man Verständnis und Mitgefühl bekunden. Aber jeglicher Fixator der Identität ist ein gewaltiges Instrument zur Kontrolle des Privatlebens. Und es ist nicht so wichtig, ob man es gleich jetzt nutzt oder man dies in der Perspektive tun kann. Es ist aber ein wenig merkwürdig, dass solch ein Mechanismus nicht aus Sicherheitserwägungen erfunden werden soll (man hat sich ja daran gewöhnt, damit alle Novitäten, darunter im Internet zu erklären), sondern dafür, damit es leichter wird zu verstehen, wie viele Menschen sich einmal angenommen den Film „Tscheburaschka“ oder eine Krimi-Serie angesehen haben, und wie viele ein Spiel der Kontinentalen Hockey-Liga.

Dies löst Verdacht aus, besonders wenn die Autoren der Initiative auf „interessierte Institutionen“ verweisen. Viele russische Bürger stehen dem Thema der persönlichen Daten sehr ernsthaft gegenüber. Die Empfindungen hinsichtlich einer Beunruhigung und eines Misstrauens werden in einem Umfeld verstärkt, in dem man eine Person von einer unbekannten Telefonnummer aus anrufen kann, wobei man am anderen Ende der Leitung dessen Vor- und Vatersnamen kennt, in dem Datenbanken ständig geleakt werden und Betrüger zu ihnen Zugang bekommen. Das Identifizieren von Personen hat auch früher Protest ausgelöst, selbst als vom Internet keine Rede war. Es genügt, sich dessen zu erinnern, wie sich ein Teil der Bürger der Einführung der Steuerzahler-ID widersetzte, wobei dies mit der Religion begründet, da in der Steuernummer die Zahl des Teufels „entdeckt“ wurde. Es gibt auch aktuelle Beispiele, zum Beispiel die Einführung der sogenannten Schlachtenbummler-ID oder Fan-ID für den Besuch von Fußballspielen. Viele Fußballfans legten sich nicht diesen Pass zu – aus Prinzip oder einfach deshalb, dass sie ihre Personendaten nicht weitergeben wollten – und die Tribünen blieben leer.

Das Thema einer Idee, das öffentlich artikuliert worden ist, provoziert natürlich Besorgnis. Die Menschen können kaum die Erklärungen vom Typ „die Plattformen werden selbst alles chiffrieren, keiner wird etwas erfahren“ beruhigen. Wenn es einen Mechanismus zur Aggregierung von Daten über eine konkrete Person gibt, gibt es auch einen Schlüssel für dieses Chiffrieren. Und diese Schlüssel werden sehr oft auf Anforderung „von dem, der dazu ein Recht hat“ weitergegeben. Und die Datenbanken an sich erweisen sich als zugängliche. Die neue Initiative des Ministeriums für digitale Entwicklung fügt sich überdies in den gesamten Kontext der Verstärkung der Kontrolle des Internets und der Telefonverbindungen als solche ein. Diese Initiative schließt das Jahr ab, in dem die Abschaltungen des mobilen Internets zu einer Norm geworden sind, die Einschränkungen für Anrufe per Messengerdienste und deren Verlangsamung – zur angeblichen Sorge um die Sicherheit, und Bestrafungen für das Suchen nach verbotenen Informationen im Netz – zu einer Notwendigkeit.