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Über eine Zulassung russischer AthletInnen zur Olympiade


In Russland wartet ab, womit in der Praxis die Erklärungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) über die Bereitschaft, SportlerInnen aus der Russischen Föderation und Weißrussland im neutralen Status zur Olympiade zuzulassen, enden werden. Die nächsten Olympischen Spiele finden im Sommer des Jahres 2024 in Paris statt.

In der eigentlichen Erklärung des IOC heißt es, dass „man den Sportlern eine Teilnahme an den Wettbewerben nur aufgrund ihrer Pässe nicht verwehren darf“. Es gibt drei Bedingungen für eine Zulassung von Russen und Weißrussen. Die erste – ein vollkommen neutraler Status. Sie können nicht einmal unter angenommenen Flaggen der nationalen olympischen Komitees wie früher zu den Spielen fahren. Die zweite Bedingung ist die Einhaltung der Olympischen Charta. Das heißt, der Athlet darf nicht bei einer aktiven Unterstützung für die am 24. Februar 2022 begonnene russischen militärische Sonderoperation in der Ukraine ausgemacht worden sein. Die dritte Bedingung ist die Einhaltung der Antidoping-Regeln. Und jeden Sportler erwartet eine individuelle Überprüfung. (Ganz zu schweigen davon, dass zuvor die Qualifizierungsnormen erfüllt werden müssen, um überhaupt ins Blickfeld der Organisatoren der Spiele zu gelangen. – Anmerkung der Redaktion)

Im Weiteren hat man es im IOC geschafft, mehrfach die eigene Position zu kommentieren. So erklärte man nach Abschluss der Australian Open im Tennis im Komitee, dass dieses Turnier zeige, wie man praktisch das Neutralitätsprinzip einhalten könne. Bekanntlich hatte man die russischen und weißrussischen Tennisspieler nicht von den internationalen Wettbewerben nach Beginn der militärischen Sonderoperation ausgeschlossen. Und die Weißrussin Arina Sobolenko hat ganz und gar die Australian Open gewonnen.

Die russischen Sportbeamten haben kühl auf die Erklärung des IOC reagiert, obgleich sie auch eingestanden, dass ein Schritt in Richtung der Sportler getan worden sei, „eine Stimme des gesunden (Menschen-) Verstands ist vernommen worden“. Dabei sei es laut Aussagen des Chefs des Olympischen Komitees Russlands, Stanislaw Posdnjakow, unmöglich, irgendwelchen zusätzlichen Bedingungen für eine Rückkehr unserer Sportler zuzustimmen. Der russische Sportminister Oleg Matyzin erklärte, dass er die Festlegung besonderer Teilnahmebedingungen für die russischen Sportler für eine unzulässige halte.

Die Staatsduma-Abgeordnetinnen Irina Rodnina und Swetlana Schurowa (beide von der Kremlpartei „Einiges Russland“ und Olympiasiegerinnen) hielten die Vorschläge des IOC für eine Provokation. „Die Sportler machen sich Sorgen, denn das Leben eines Athleten ist ein kurzes“, erklärte die einstige Eiskunstläuferin Rodnina. „Jetzt ist aber nicht der Fall, bei dem wir uns auf irgendwelche Zugeständnisse einlassen können. Denn dies wird zu Hader in der Gesellschaft und unter den Sportlern führen“. Ex-Eisschnellläuferin Schurowa ist der Auffassung, dass die Zulassung eines Sportlers die russische Gesellschaft veranlassen werde, an dessen Patriotismus zu zweifeln, daran, dass er die militärische Sonderoperation unterstütze.

Wie wird es tatsächlich aussehen? Sportverbände und Spitzenvertreter nationaler olympischer Komitees (sogar des norwegischen!) haben sich bereits für eine Unterstützung des IOC ausgesprochen. Dies ist genau die richtige Zeit, da bereits in diesem Jahr Qualifikationswettbewerbe für die Olympiade in unterschiedlichen Sportarten ausgetragen werden. Die Russen und Weißrussen müssen es schaffen, sich für sie zu melden. In den Mannschaftssportarten wird es schwieriger werden, da die Qualifikationen dort oft mit kontinentalen oder interkontinentalen Turnieren zusammenfallen. Und der Zug ist für sie wahrscheinlich schon abgefahren. Ja, und wie soll eine Mannschaft ohne irgendeine, sogar ohne eine angenommene Flagge auftreten?

Mit den individuellen Sportarten scheint die Situation eine einfachere zu sein. Wichtig ist aber die Form der Implementierung der IOC-Vorschläge. Was ist eine individuelle Überprüfung, was stellt sie dar? Alles kann auf eine simple Formalität hinauslaufen. Bevollmächtigte Personen überprüfen beispielsweise, hat nicht der jeweilige Sportler Posts für eine Unterstützung der militärischen Sonderoperation veröffentlicht? Ist er nicht mit Reden auf speziellen Konzerten und Kundgebungen aufgetreten? Ist er nicht in der Öffentlichkeit in einem T-Shirt mit dem Buchstaben „Z“ (ein Symbol für die russische militärische Sonderoperation in der Ukraine – Anmerkung der Redaktion) aufgetaucht? Wenn nicht, wird man ihn zulassen. Möglich ist auch eine andere Methode, beispielsweise die Beantwortung von Fragebögen. Und da wird Vieles von der Formulierung der Frage „Unterstützen Sie die Olympische Charta?“ oder „Unterstützen Sie die militärische Sonderoperation?“ abhängen (freilich so platt wird die zweite Frage mit Sicherheit nicht gestellt werden, und wenn, dann auch nur mit der Formulierung „Ukraine-Krieg Russlands“ – Anmerkung der Redaktion). Die zweite Formulierung wird die Sportler wirklich vor eine schwierige Entscheidung stellen.

Bald wird sich die Situation klären. Aufgabe der russischen Beamten ist jetzt, nicht die Sportler zu stören, und genauer gesagt: nicht auf der Welle eines demonstrativen Patriotismus zu schwimmen und nicht anzufangen, die Athleten mit der Frage „Unterstützt du also die Sonderoperation oder nicht?“ früher zu attackieren, als dies die internationalen Strukturen zu tun beginnen (wenn sie überhaupt damit beginnen werden). Voreilige Erklärungen von Abgeordneten über eine Spaltung in der Gesellschaft werden den Sportlern bestimmt in keiner Weise helfen.