Die unbeendete weißrussische Revolution ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich aktive Bürger in Zeiten politischer Turbulenzen verhalten. Das Fehlen populärer Oppositionsführer und starker gesellschaftlicher Bewegungen hat die Republik zu einem idealen Feld für eine Analyse der „reinen“ Protestaktivität gemacht. Die Gläubigen sind zu einem außerordentlich wichtigen und spürbaren Teil des Protests geworden, und die Führungskräfte der orthodoxen, der katholischen und protestantischen Kirche haben sich überraschenderweise als ein Faktor gezeigt, der die Legitimität des gegenwärtigen Herrschenden untergräbt.
Oppositioneller Ökumenismus
Zum Beginn der revolutionären Ereignisse in Belarus waren die Präsidentschaftswahlen vom vergangenen August geworden. Als einen ideologischen und politischen Punkt für ein Herauskommen aus der Situation von Instabilität und Unruhen kann man die Abhaltung der Gesamtweißrussischen Volksversammlung (am 11. und 12. Februar dieses Jahres) ansehen, deren Ansehen durch die Teilnahme des dem Moskauer Patriarchat unterstehenden Exarchs von Ganz Weißrussland, Metropolit Weniamin (Tupeko), und des apostolischen Administrators der Erzdiözese von Minsk und Mogiljow, Bischof Kasimir Velikoselez, unterstützt worden war. Wie Metropolit Weniamin in seiner Ansprache bei der Versammlung betonte, stehe die weißrussische Gesellschaft an einem Scheideweg. Und eine Entscheidung sei zu treffen, wobei man sich nicht von Emotionen und Leidenschaften, sondern von nüchterner Vernunft und dem Begreifen jener Fehler, die begangen wurden, leiten lassen müsse. Der Hierarch präzisierte nicht, wessen Fehler er im Blick hatte. Doch für Präsident Alexander Lukaschenko war das Verhalten fast aller religiösen Vertreter nach dem August des Jahres 2020 mal ein zweideutiges, mal ein gefährliches. Nur die persönliche Beharrlichkeit und das Selbstvertrauen des Oberhauptes der Republik vermochten wieder jene äußere Idylle in den Beziehungen der Offiziellen und der Kirchen zurückzubringen, die jetzt bereits keine unerschütterlich zu sein scheint.
Die Spezifik der religiösen Situation in Weißrussland besteht im Unterschied zu Russland im Existieren von zwei starken christlichen Kirchen, der orthodoxen im Zentrum und im Osten (der Exarch des Patriarchen verfügt über keine solchen Autonomierechte wie die Kirchen im Baltikum und umso mehr in der Ukraine, er befindet sich in einer direkten Unterstellung der Synode der Russischen orthodoxen Kirche, in Weißrussland gibt es 15 Diözesen) und der katholischen, hauptsächlich in den westlichen Verwaltungsgebieten (zur Erzdiözese von Minsk und Mogiljow gehören die Diözesen Grodno, Witebsk und Pinsk). Das Gesetz über die Glaubensfreiheit umfasst eine Erwähnung über die Bedeutung nicht nur des orthodoxen Christentums und Katholizismus, des Judaismus und Islams, sondern auch des Luthertums (Protestantismus) für das Land. Die evangelischen Strömungen des Protestantismus (Baptisten, die Vertreter der Pfingstbewegung, die evangelischen Christen) – dies sind rund eintausend Gemeinden, was mehr ist als die Anzahl der katholischen Gemeinden (500) und mehr als die Hälfte der Zahl der christlich-orthodoxen Vereinigungen (1700). Als Gläubige betrachten sich soziologischen Umfragen nach zu urteilen 58,9 Prozent der Landesbevölkerung. Von ihnen sind 82 Prozent orthodoxe Christen, 12 Prozent Katholiken und 6 Prozent sind Vertreter der anderen 23 Konfessionen und Strömungen, darunter Protestanten, Moslems, Juden und Griechisch-Katholische.
Die Reaktion der Weißrussischen orthodoxen Kirche auf die Konfrontation nach den Präsidentschaftswahlen war anfangs eine durchaus traditionelle. Metropolit Pawel (Ponomarjow) und die Synode des Exarchats gratulierten Lukaschenko zur (Wieder-) Wahl und riefen die Gesellschaft zum Frieden auf. Doch entsprechend der Zunahme der Spannungen und Erscheinungen von Brutalität im Verlauf der Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern der bewaffneten und Rechtsschutzorgane und den Demonstranten zeichnete sich offenkundig ein Trend zum Auseinandergehen der Positionen und des Verhaltens der höchsten Kirchenvertreter und des einfachen Klerus ab. Das Episkopat des Exarchats ist in einem weitaus größeren Maße mit der Staatsgewalt und mit deren Ideologie als die Geistlichen in den Gemeinden, die die Meinungen ihrer Gemeindemitglieder wiedergeben, verbunden.
In den Großstädten sind die aktivsten realen und potenziellen (zum Beispiel in den sozialen Netzwerken, auf Telegram-Kanälen und Videoblogs) Gläubigen junge Menschen und Intellektuelle mittleren Alters bis zu 40 bis 45 Jahren. Gerade dieser Teil der Gesellschaft ist am stärksten von der Herrschaft Lukaschenkos müde geworden, sieht keine Perspektiven in der Gegenwart und hat kein klares „Zukunftsbild“. Dementsprechend reflektierten die Geistlichen, die verletzten Protestierenden halfen, sie verpflegten, in die Untersuchungsgefängnisse kamen und aufriefen, die Brutalität zu stoppen, klar die Erwartungen und Hoffnungen ihrer Gemeinden.
Um das Problem des nationalen Kirchenführers in Weißrussland zu überwinden, löste die Synode der Russischen orthodoxen Kirche bereits am 25. August 2020, das heißt sehr operativ, den Bürger Russlands, Metropolit Pawel (der ab dem Jahr 2013 Kirchenoberhaupt in Minsk war), durch den Weißrussen, den Metropoliten Weniamin, ab. Pawel wurde dadurch berühmt, dass er in Minsk zum empörten Volk zu einem Gebet vor der Kathedrale gekommen war und sich angeblich für die Gratulation zur Wahl, die er dem Präsidenten gesandt hatte, entschuldigt hatte. Er besuchte gleichfalls während der Auseinandersetzungen verletzte Menschen im Krankenhaus. Doch die Opposition hatte ihn dennoch für seine Loyalität gegenüber den Herrschenden verurteilt. Metropolit Weniamin vermied jegliche politischen Erklärungen, besuchte keine Verletzten, setzte die aktivsten Geistlichen im Exarchat ab, die den Protestierenden geholfen hatten, und rief ebenfalls auf, die Gotteshäuser nicht für eine Spaltung in der Gesellschaft zu nutzen. Er bat unter anderem, nicht das oppositionelle Lied „Mahutny Boža“ („O mächtiger Gott“) – die Gebetshymne der weißrussischen Nationalisten, die 1943 geschrieben wurde – in den Kirchen zu singen (aus dem Munde von Metropolit Pawel hätte dies zweifellos wie „Moskauer Propaganda“ geklungen).
Zu einem Kontrast im Vergleich zur Position der Hierarchie wurden die Auftritte der Geistlichen und Laien gegen die Fälschungen bei den Wahlen. Der Oberpriester Georgij Roy beispielsweise hatte aufgerufen, „die Glocken und nicht die Menschen zu schlagen“ (täglich hatte er gegen die Folterungen als Zeichen der „Solidarität mit den unschuldig Verhafteten“ die große Glocke der Mariä-Schutz-Kathedrale von Grodno geläutet, der bekannte Videoblogger und Geistliche Alexander Kuchta besuchte mit katholischen Klerikern Menschen in den U-Haftanstalten und beschrieb die Tragödien geschlagener und zu Krüppeln gemachter Menschen in den sozialen Netzwerken. Der Oberpriester Wladimir Drobyschewskij veranstaltete in Gomel eine Einzel-Mahnwache mit der Forderung an die Herrschenden, die Gewalt zu beenden („Stoppt die Gewalt!“). Der Kleriker der Kathedrale der Hl. Peter und Paul in Minsk, Archimandrit Alexij (Schinkjewitsch), erklärte in einer Predigt, dass „die Kirche keine Misshandlung des weißrussischen Volkes zulassen kann“.
Die katholische Kirche setzte weitaus eindeutiger als das orthodoxe Exarchat auf eine Kritik der Herrschenden inkl. der Forderung, die Wahlen als unehrliche anzuerkennen, und die Politik des Staates zur Unterdrückung der spontanen Manifestationen als eine brutale und de facto verbrecherische. Die Haltung des katholischen Klerus unterstützte eben jene aktive Jugend und die mittlere Generation wie auch die orthodoxen Weißrussen. Es gab aber auch einen eigenen zuspitzenden Faktor. Die Katholiken sind historisch auf den Westen orientiert, insbesondere auf Polen und Litauen. Und als mustergültige sieht man die Werte der Europäischen Union an, was die Motivation für den Kampf gegen das „Regime von Lukaschenko“ verstärkt.
Die Aktion „Katholiken gegen die Fälschungen“ hatte bereits in den ersten Tagen des vergangenen Julis begonnen (Initiator war Artjom Tkatschuk). Der Appell enthielt die Forderung: „Wenn ein Katholik an der Arbeit einer Wahlkommission teilnahm, die die Wahlergebnisse gefälscht hat, ist er verpflichtet, die Beichte abzulegen, fest zu sagen, dass er nicht mehr sündigen werde sowie anonym oder öffentlich das mitzuteilen“.
In Eintracht mit den Laien und genauso politisiert trat der Metropolit von Minsk und Mogiljow Tadeusz Kondrusiewicz auf. Er hatte früher als selbst der Präsident, bereits am 11. August, die Notwendigkeit signalisiert, eine „Wetsche“ (vom Wesen her die Weißrussische Volksversammlung) unter den Bedingungen einzuberufen, dass „ein Bruder die Hand gegen den Bruder erhoben hat“. Kondrusiewicz erwirkte ein Treffen mit Weißrusslands Innenminister, in dessen Verlauf der Minister die zugelassenen „Überspitzungen“ eingestand. Eine ganze Reihe katholischer Geistlicher öffnete die katholischen Kirchen für Protestierende und hieß sie willkommen. Als Antwort blockierten Kräfte der OMON-Spezialeinheiten der Miliz die Kathedrale in Minsk, in der sich Manifestanten verbergen konnten. Und eine Radio-Übertragung der Messe wurde verboten. In einem Interview aus Anlass der Ernennung des neuen Oberhauptes des Exarchats der Russischen orthodoxen Kirche äußerte Kondrusiewicz die Hoffnung, dass in der entstandenen Situation „Polen und die EU als Vermittler einen Kompromiss finden können“. Am 31. August verweigerten die Behörden Kondrusiewicz die Einreise nach Weißrussland (er war gerade für kurze Zeit nach Polen gereist). Die Krise in den Beziehungen des Heiligen Stuhls und Weißrusslands währte bis Weihnachten des vergangenen Jahres. Erst am 24. Dezember erlaubte man Kondrusiewicz zurückzukehren. Dem war ein Minsk-Besuch des Sekretärs für die Beziehungen mit den Staaten im Vatikanischen Staatssekretariat, Kardinal Paul Gallagher, im September vorausgegangen. Er hatte sich sowohl mit Lukaschenko als auch mit Weißrusslands Innenminister Wladimir Makej getroffen. Zu einem Ergebnis der Gespräche des Vatikans des Präsidenten der Republik wurde am 3. Januar 201 die Ernennung des Pinsker Bischofs Kasimir Velikoselez zum apostolischen Administrator der Erzdiözese von Minsk und Mogiljow. Und den mutigen und geradlinigen Tadeusz Kondrusiewicz versetzte man in den Ruhestand (in einer ähnlichen Situation in Venezuela hatte der Vatikan auch eine diplomatische Position eingenommen und nicht die Bischöfe unterstützt, die für eine Unterstützung von Juan Guaidó gegen das „kirchenfeindliche Regime“ von Nicolás Maduro plädiert hatten).
Die protestantischen Führungskräfte Weißrusslands wiederholten in Vielem die Verhaltenslinie der orthodoxen und gaben recht vorsichtige Erklärungen ohne einen offenkundigen politischen Kontext ab. Dabei nahmen an den Demonstrationen unter den weiß-rot-weißen Flaggen einfache Gemeindemitglieder der evangelischen Kirchen teil, einzelne Geistliche wurden zu Organisatoren oppositioneller Media-Aktionen in den sozialen Netzwerken gegen die Gewalt.
Die Leiter der Verbände der Angehörigen der Pfingstbewegung und der Baptisten gaben am 13. August eine gemeinsame Erklärung zur Notwendigkeit ab, die Brutalität zu beenden. Der Bischof des Bunds der Christen des Vollen Evangeliums (der Anhänger der Pfingstbewegung) Leonid Voronenko wandte sich am 15. August mit der Forderung an Lukaschenko, eine Untersuchung der „Gewalt und Foltern“ in Bezug auf die Personen vorzunehmen, die zu einem friedlichen Protest gekommen waren. Einer der Kirchenpastoren in Minsk, Taras Telkowskij, wurde bei einer Aktion festgenommen. Telkowskij betonte eine Besonderheit des Protests: „Unser Kampf ist kein Sprint. Dies wird ein Marathon. Und er wird Zeit in Anspruch nehmen. Es ist aber unmöglich, den langen und variativen Protest zu bekämpfen, besonders wenn Sie die Mehrheit darstellen, wie sehr uns auch die Vertreter des KGB das Gegenteil erklären… Die Solidarität der Weißrussen kennt keine Grenzen. Bis zu diesem Sommer hatte ich die Weißrussen nicht gekannt. Jetzt weiß ich, dass die Weißrussen gleich nebenan sind“. Der Hauptteil der Protestanten bekundete gleichfalls Solidarität mit dem Katholik Tadeusz Kondrusiewicz.
Zu einer Besonderheit der weißrussischen Manifestationen wurde im religiösen Sinn das hohe Niveau des interkonfessionellen Dialogs sowohl in Minsk als auch in anderen Städten, wo bei gemeinsamen christlichen Gebeten Geistliche verschiedener Konfessionen zugegen waren. Gemeindemitglieder unterschiedlicher Kirchen, darunter der Klerus der Weißrussischen orthodoxen Kirche, beteiligten sich an sozialen Hilfsaktionen für die Teilnehmer von Märchen, die mit Verletzungen in Krankenhäuser gekommen waren.
Die moralische Plattform des Protests
Die Spezifik des zivilen Aktivismus in Weißrussland, der von Kirchenvertretern unterstützt wurde, besteht darin, dass es die Öffentlichkeit vermocht hat, eigenständig, mit einer minimalen Hilfe der sozialen Netzwerke und Telegram-Kanäle die Stimmungen der Menschen nicht zu Gunsten der Herrschenden zu verändern. Aus moralischer Sicht hat Lukaschenko nach den Wahlen verloren, da die Losung bezüglich der Brutalität der Herrschenden zu einer allgegenwärtigen geworden ist. Alle Kirchen sprachen von einem übermäßigen Einsatz von Gewalt. Die weißrussischen Ereignisse haben sich mit einer aktiven Unterstützung christlicher Prediger zu einer „Revolution der Barmherzigkeit“ verwandelt, bei der jegliche Kritik an der Brutalität und Gewaltakte seitens der Vertreter der bewaffneten und Rechtsschutzorgane als eine Kritik an der vom Präsidenten gewählten Linie oder als eine Delegitimierung der Herrschenden insgesamt wahrgenommen wird. Im Ausland haben dies die Oppositionellen nicht sofort bemerkt. Doch im Land sind recht schnell keine Kritiker an den Offiziellen auf freiem Fuß geblieben, nachdem Swetlana Tichanowskaja ausgewiesen und ihre Mitstreiterin Maria Kolesnikowa festgenommen wurden. Im letzten September ist im Rahmen des Koordinierungsrates der Opposition die Gruppe „Christliche Sicht“ gebildet worden. Sie umfasste 16 orthodoxe Christen (darunter vier Geistliche), vier Protestanten, ein Katholik, einen Griechisch-Katholischen und einen nichtkonfessionellen Gläubigen. Zu den bekanntesten Führungskräften der Gruppe wurden die Theologin Natalia Wassiljewitsch und der freie Geistliche Alexander Schramko. Im Dezember wandte sich Tichanowskaja mit einem offenen Brief, der offensichtlich durch diese Gruppe vorbereitet worden war, an Papst Franziskus als Antwort auf dessen Enzyklika „Fratelli tutti“, in dem sie zur Solidarität mit den in Weißrussland Verfolgten und zu „sozialer Freundschaft“ aufrief.
Zur markantesten Erscheinung der Ideologie der „Revolution der Barmherzigkeit“ wurde eine Predigt des Erzbischofs von Grodno Artemij (Kistschenko) im August des Jahres 2020, in der er aufrief, die Ideologie des Neobolschewismus der gegenwärtigen Herrschenden und die Fälschungen bei den Wahlen zu verurteilen. Diese Worte in den Bahnen der Politik einer Desowjetisierung lösten im Lager der Opposition Begeisterung aus. Bemerkenswert ist, dass einer Verurteilung seitens der Gruppe „Christliche Sicht“ und anderer Lukaschenko-Gegner der Archimandrit Sawwa (Mashuko) ausgesetzt wurde, ein populärer Prediger, der es gewagt hatte zu erklären, dass die OMON-Mitarbeiter auch die Kinder von irgendwem seien und man ihnen gegenüber keine Brutalität an den Tag legen sollte.
Die skeptische Haltung der Kirchenvertreter zu Lukaschenko war ein Ergebnis nicht nur der gewaltsamen Unterdrückung der großen Manifestationen. In Vielem ist der Präsident selbst schuld. Die Inkonsequenz seiner Politik der vorangegangenen Jahre hat in der Zweideutigkeit und dem Misstrauen seitens der religiösen Aktivisten nach dem August des vergangenen Jahres ihren Niederschlag gefunden. Der Präsident kritisierte Metropolit Pawel und erinnerte ihn daran, dass er kein Staatsbürger Weißrusslands sei. Die Kirche müsse aber eine nationale sein. Regelmäßig werden polnische katholische Geistliche aus dem Land ausgewiesen. Daneben aber hat Lukaschenko den römischen Papst nach Minsk eingeladen. Die Protestanten bezeichnete das Staatsoberhaupt als „westliche Spione“. Doch es gibt in Weißrussland offiziell kein striktes System zur Regelung der missionarischen Tätigkeit (wie beispielsweise im russischen sogenannten Jarowaja-Gesetz). Derweil konfiszierte man in Minsk im Februar dieses Jahres das Gebäude der Kirche der Pfingstbewegung „Neues Leben“ (die Behörden kämpfen seit Beginn der 2000er Jahre gegen sie). Und die Gläubigen begannen, auf der Straße zusammenzukommen.
Seine Machtlosigkeit gegenüber der Welle religiösen Aktivismus hat Lukaschenko indirekt während seiner Rede auf einem Meeting von Anhängern am 22. August in Grodno eingestanden, als er de facto den nicht gehorchenden Geistlichen androhte: „Mich erstaunt die Haltung unserer Konfessionen. Meine lieben Geistlichen, beruhigt euch und befasst euch mit eurer Angelegenheit! Die Menschen sollen zum Beten in die Kirchen kommen! Die Gotteshäuser, die katholischen Kirchen sind nicht für die Politik. Die Menschen sollen dorthin aufgrund der Seele kommen, wie dies immer gewesen war. Geht nicht Abtrünnigen auf den Leim! Für euch wird es dafür beschämend und schändlich sein, welche Position jetzt ihr, einige einnehmen. Und der Staat wird sich dies nicht gleichgültig ansehen“. Im Endergebnis sind seit August zwei Dutzend Geistlicher aller Konfessionen zur Verantwortung gezogen, bestraft oder zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Ein Geistlicher des Exarchats der Russischen orthodoxen Kirche ist in das Verzeichnis von Extremisten aufgrund der Unterstützung eines politischen Häftlings aufgenommen worden. Und es ist zu einem Wechsel der Oberhäupter von zwei christlichen Hauptvereinigungen des Landes gekommen.
Im Verlauf jeglicher weiteren Entwicklungsetappe der politischen Ereignisse ist schwerlich zu erwarten, dass die religiösen Führungskräfte gerade den amtierenden Präsidenten aufrichtig und absolut unterstützen werden. Zumal die Offiziellen – nicht nur die weißrussischen -, während sie Gewalt gegenüber Protestierenden (selbst wenn sie das Gesetz verletzen) anwenden, einen überaus wichtigen Faktor aus den Augen verlieren: Gemäß den evangelischen Geboten sind die Kirchenvertreter verpflichtet, zu Barmherzigkeit aufzurufen, selbst wenn dies direkt oder indirekt einer Revolution hilft.