Im ukrainischen Außenministerium erklärt man, dass man als einzige reale Sicherheitsgarantie für das Land dessen vollwertige NATO-Mitgliedschaft ansehen könne. Kiew möchte keinen „Alternativen, Surrogaten und Substituten“ zustimmen. Der Generalsekretär der Allianz, Mark Rutte, ist allerdings der Frage nach einer Einladung der Ukraine (in den Block -–Anmerkung der Redaktion) ausgewichen. Er erklärte, dass man sich derzeit auf die aktuelle Hilfe für Kiew konzentrieren müsse.
Zuvor hatte auf einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit hochrangigen Vertretern der Europäischen Union der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskij, ein Format für einen NATO-Beitritt des Landes vorgeschlagen. Die Allianz solle die Ukraine in den Grenzen von 1991 aufnehmen, die Sicherheitsgarantien aber nur auf den von Kiew kontrollierten Teil des Territoriums ausdehnen. Dies ist ein sehr bizarrer und beispielspielloser Plan. Und es ist recht zweifelhaft, dass die Mitgliedsländer der Allianz so etwas unterschreiben werden.
Die Grenzen und die Kontrolle sind ein wichtiges Thema. Wenn man Vertreter Moskaus und Kiews direkt jetzt an den Verhandlungstisch setzen würde, wäre es für sie sehr schwierig, sich selbst über eine Linie für das Einfrieren des Konfliktes zu einigen. Russland agiert an der Front von einer Position der Stärke aus. Dies erkennt man de facto im Westen an. Dies erkennt im Großen und Ganzen auch Selenskij an, wenn er sagt, dass die Ukraine mehr Ressourcen brauche, und er schon bereit ist, die Krim-Frage auf „diplomatischem Wege“ zu lösen.
Das Motiv von Verhandlungen erklingt im öffentlichen Diskurs immer deutlicher und hartnäckiger. Es ist eine Müdigkeit aufgrund des Konfliktes zu spüren. Die Nachrichtenagentur Reuters schrieb unter Verweis auf Quellen im Umfeld von Donald Trump, dass sich die Ukraine auf territoriale Zugeständnisse gemäß einem Plan des neuen US-amerikanischen Präsidenten einlassen müsse. Und die Frage nach ihrem NATO-Beitritt werde nicht jetzt entschieden, obgleich man sie nicht von der Tagesordnung nehmen werde. Möglicherweise forciert Kiew daher dieses Thema jetzt so, vor der Amtseinführung von Trump, wobei es wahrscheinlich begreift, dass es nicht einmal technische Chancen gibt, die Frage zu klären.
Die NATO-Beamten können unterschiedliche Erklärungen abgeben. Die Skepsis der Mitgliedsstaaten der Allianz hat die bisherigen Argumente. Sie können kein Land in die NATO aufnehmen, dass einen Gebietsstreit mit einer Kernwaffenmacht führt, es ablehnt, juristisch einen Verzicht auf Ansprüche zu verankern, und bereit ist, zu jedem beliebigen Moment die Frage auf militärischem Wege zu lösen, wenn es dafür die Waffen und Menschen finden würde. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz kann aus Kiew Russland übermitteln, dass die Europäer nicht aufhören würden, die Ukraine zu unterstützen. Aber Erklärungen, die auf eine politische Wirkung abzielen, sind das eine, doch ein reales Vertrauen in die Kiewer Führung und deren Intentionen ist etwas Anderes. Verantwortungsbewusste und nüchtern denkende westliche Politiker können sich nicht dessen sicher sein, dass eine in die NATO aufgenommene Ukraine in Bälde sie in einen heißen Konflikt hineinziehen wird.
Verhandlungen sind stets ein Handeln. Zu Teilnehmern der Verhandlungen müssen Moskau und Kiew werden. Und es scheint, dass das Aushandeln zwischen ihnen erfolgen muss. Die Erklärungen über die Notwendigkeit einer alternativlosen Aufnahme der Ukraine in die NATO zeigen jedoch, dass sich Kiew und die führenden westlichen Staaten vorab einigen müssen. Ein Beitritt zur Allianz – diese ist eine hohe Messlatte hinsichtlich der Anforderungen. Der Westen wird sie wahrscheinlich noch vor der Amtseinführung von Trump heruntersetzen. Danach kann sich der Druck auf Kiew verstärken, ist anderweitig zu vernehmen. Trump ist ein recht energischer und willensstarker Verhandlungsführer. Für die Ukraine wird es schwierig werden, ihm ins Gehege zu kommen, unter Druck zu setzen und Bedingungen zu diktieren.
Die russische Seite scheint gegenwärtig sich ihrer und ihrer Erfolge sicher zu sein sowie dessen, dass die Zeit gegen Kiew spielt und es für die Ukrainer schwierig wird, ihre Lage „auf dem Boden“ zu verbessern. Moskau kann einfach abwarten, bis der Westen Kiew davon überzeugt, jene Sicherheitsgarantien zu akzeptieren, die man ihm geben kann. Interessant ist allerdings, was für einen Kompromiss man Moskau an sich anbieten wird, da dessen Messlatte der juristische Verzicht der Ukraine auf territoriale Ansprüche und ein gleichzeitiger blockfreier Status des Landes sind. Eventuell wollen die interessierten Länder, dass Russland einer der beiden Bedingungen auswählt. Dann aber werden die Verhandlungen sehr schwierige werden, ohne Garantien für einen vollen Erfolg