Alexander Repkin (Oleksandr Repkin), Leiter der Ukrainischen Wasserstoff-Assoziation (Ukrainian hydrogen energy association) reiste nach Deutschland. Und dieser Besuch hing in erster Linie vor allem mit der fieberhaften Suche nach Lösungen zusammen, die erlauben werden, das ukrainische Gastransportsystem als eine ständige Einnahmequelle für den Staatshaushalt zu retten. Schließlich soll die Ukraine innerhalb von fünf Jahren, deren Zählung ab dem Jahr 2019 erfolgt, als der letzte Vertrag über den Transport russischen ErdgaJetses unterzeichnet wurde, von GAZPROM 15 Milliarden US-Dollar erhalten. Was jedoch nach Ablauf der Geltungsdauer des derzeitigen Transitvertrages sein wird, ist bisher unklar.
In Moskau vermeidet man es, eine konkrete Antwort zu geben, und zieht es vor, über für GAZPROM vorteilhafte kommerzielle Bedingungen für den russischen Gastransport über das ukrainische Territorium zu sprechen. Ob Kiew diese Konditionen rechtens sind, ist ebenfalls bisher unklar. Nach Schätzungen einiger Experten müssten, um das ukrainische Gastransportsystem in einem funktionstüchtigen Zustand zu halten, mindestens 25 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr durch dieses gepumpt werden.
Das Erreichen der vollen Leistung von „Nord Stream 2“ nach Abschluss der Bauarbeiten in Verbindung mit einer Nutzung von „Turk Stream“ erlaubt dem Gaslieferanten vom Prinzip her, auf die ukrainische Route zu verzichten. In Kiew ist man freilich der Auffassung, dass Moskau auch nach dem Jahr 2024 ohne das ukrainische Gastransportsystem nicht auskommen werde. Gesetzt wird dabei auf das Europäische Gericht in Luxemburg. Es sei daran erinnert, dass das Gericht am 15. Juli die im Jahr 2019 getroffene Entscheidung über die Regeln für die Nutzung der OPAL-Gaspipeline bestätigte und damit die Berufungsklage Deutschlands abwies. Und von nun an wird GAZPROM wie auch früher OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung als Onshore-Fortsetzung von „Nord Stream“) nur zu 50 Prozent nutzen können. Das Gleiche werde auch „Nord Stream 2“ betreffen, ist sich Michail Gontschar, Präsident des ukrainischen Globalistik-Zentrums, sicher und was er unter anderem gegenüber der Deutschen Welle erklärte. Und dies wiederum bedeute nach seiner Meinung, dass Russland auch im Weiteren die ukrainische Route für die Beibehaltung der gegenwärtigen Umfänge an Gaslieferungen für die Europäische Union nutzen müsse.
In all derartigen Kalkulationen fehlt jedoch die Hauptkomponente. Wie lange wird das russische Gas – ja und überhaupt das Gas als fossiler Energieträger – noch in Europa und in Deutschland in Sonderheit gebraucht? Unter Berücksichtigung der Aktivitäten der EU-Kommission für die Überwindung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und des Setzens auf „grünen“ Wasserstoff, der durch Elektrolyse erzeugt wird, sind die Perspektiven für Wasserstoff als künftiger Energieträger in Europa durchaus berechtigt.
Repkin selbst, der in der Ukraine die erste Wasserstoff-Energie-Vereinigung gebildet hat, war der Auffassung, dass sie für die Ukraine zu einer Energiebrücke nach Europa werde. Und er löst konsequent dieses Problem. Sein nunmehriger Deutschland-Besuch ist bei weitem nicht der erste gewesen. Vor einem Jahr war er zusammen mit Olga Buslawez nach Deutschland gekommen, die damals die amtierende Ministerin für Energie und Umweltschutz der Ukraine gewesen war (ausführlicher in der „NG“ vom 09.11.2020 – https://www.ng.ru/ng_energiya/2000-11-09/13_8009_alliance.html). Im August vergangenen Jahres wurde gerade eine gemeinsame Erklärung zur Etablierung einer „Energie-Partnerschaft“ zwischen der Ukraine und Deutschland unterzeichnet.
Jetzt sind im Verlauf der Repkin-Reise bereits konkrete Fragen einer Finanzierung der ukrainischen Wasserstoff-Projekte erörtert worden. Repkin selbst hatte in einem jüngsten Interview für das Nachrichtenportal www.ukranews.com mitgeteilt, dass die Ukraine beabsichtige, im Rahmen der Zusammenarbeit mit Deutschland in der Frage der Entwicklung der Wasserstoff-Energiewirtschaft 300 bis 500 Millionen Euro zu bekommen. Er hatte erklärt, dass die Ukraine alle Chancen hätte, zu einem europäischen Hub für Wasserstoff-Technologien zu werden. Im Unterschied zu vielen anderen Ländern werde der in der Ukraine zu produzierende Wasserstoff „grüner“ sein. Wie er meint, gebe es im Land ein riesiges Potenzial hinsichtlich der erneuerbaren Energiequellen, und gerade in der Ukraine könne man solch eine Anzahl von Quellen anlegen, für die es in Europa physisch keinen Platz gebe. Repkin nannte in seinen Auftritten mindestens fünf Regionen, in denen man Objekte der Solar- und Windenergieerzeugung entwickeln könne, die zur Grundlage für die Produktion von „grünem“ Wasserstoff werden könnten.
Die Pläne des ukrainischen Energieministeriums sehen vor, dass bis zum Jahr 2050 der Anteil der erneuerbaren Energiequellen im Land 70 Prozent ausmachen soll. Mit Stand vom vergangenen Jahr betrug die Leistung der Windkraftwerke im Land 1402 Megawatt, der Solar-Kraftwerke – 7331 Megawatt. Aber ihr Anteil an der gesamten Energiebilanz des Landes übersteigt vorerst keine zehn Prozent (und dies unter Berücksichtigung der Wasserkraftwerke).
Das Hauptproblem der Industrie für den „grünen“ Wasserstoff in der Ukraine besteht darin, dass es im Land keine eigene Produktion für die Anlagen von Wind- und Solar-Kraftwerken gibt. Es ist schwierig, die erforderlichen Investitionen für die Schaffung einer derartigen Infrastruktur, die auf die Produktion gerade von „grünem“ Wasserstoff für Europa ausgerichtet sein wird, abzuschätzen. Bekanntlich beabsichtigt die EU-Kommission nicht, den „gelben“ Wasserstoff, der unter Einsatz von AKW produziert wird (was unter den Bedingungen der Ukraine durchaus möglich ist), in Erwägung zu ziehen.
Ein kompliziertes Problem stellt der Transport des erzeugten Wasserstoffs dar. Durch das ukrainische Gastransportsystem kann man dies aus rein technischer Sicht nicht bewerkstelligen. Ein Transport selbst in einem Gemisch mit Erdgas scheint nicht real zu sein. Das Gastransportsystem wird bereits seit mehreren Jahrzehnten betrieben. Und es ist noch nicht einmal eine komplette Modernisierung vorgenommen worden. Wasserstoff ist ein aggressives Gas. Es zerstört das Metall, das bei der Fertigung der Röhren für das ukrainische Gastransportsystem eingesetzt wurde. Folglich ist für das Durchpumpen von Wasserstoff eine totale Auswechselung sowohl der Pipelinerohre als auch der Verdichterstationen erforderlich, da sie nicht für Wasserstoff ausgelegt sind. In diesem Falle ist es einfacher, ein neues Gastransportsystem für den Wasserstoff-Transport zu schaffen. Dies aber ist augenscheinlich eine Frage der fernen Zukunft.