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Um keine Propaganda zuzulassen


Ein Expertenzentrum für die Beurteilung gedruckter und elektronischer Bücher hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit der russischen Gesetzgebung hat seine Arbeit aufgenommen. Wie aus zugänglichen Informationen zu verstehen ist, wird es sich mit Belletristik, populär-wissenschaftliche Literatur und Publizistik befassen, da unterstrichen wurde: „mit Ausnahme von Lehr-, normativen und offiziellen“ Veröffentlichungen. Organisiert wurde das Zentrum auf der Basis der Russischen Bücherunion. Ihm gehören Vertreter der Aufsichtsbehörde Roskomnadzor, der Russischen Historischen Gesellschaft, der Russischen Militärhistorischen Gesellschaft, der Russisch-Orthodoxen Kirche, der Geistlichen Verwaltung der Moslems Russlands, der Föderation der jüdischen Gemeinden Russlands, der Juristenvereinigung Russlands, der Russischen Akademie für Bildungswesen, des A.-M.-Gorki-Literaturinstituts, aber auch anderer Einrichtungen und Organisationen an.

Wie in der Russischen Bücherunion unterstrichen wurde, würde die Gutachten des Expertenzentrums einen empfehlenden Charakter tragen. Und die endgültige Entscheidung über das Schicksal des Buches, in dem durch das Zentrum angeblich ein Gesetzesverstoß gefunden wurde, müsse der Verleger treffen.

Über die Notwendigkeit der Schaffung einer derartigen Institution hatte man schon lange gesprochen. Da es Gesetze gibt, aber kein Verstehen dessen, auf welche Art und Weise sie einzuhalten sind. Es gibt diesbezüglich keinerlei Erläuterungen. Im Januar vergangenen Jahres war die Organisierung eines Rates mit ähnlichen Funktionen auf der Grundlage des Ministeriums für Digitalisierung bei einem Treffen von Verlagen und der Russischen Bücherunion mit Roskomnadzor diskutiert worden. Die Idee war als eines der akzeptablen Schemas für die Bestimmung von Büchern, die aufgrund eines Verstoßes gegen Gesetze aus dem Verkauf zu entfernen sind, präsentiert worden.

Die meisten Diskussionen hat es um das Thema einer Propagierung von LGBT-Werten gegeben (die „internationale gesellschaftliche LGBT-Bewegung“ ist durch Russlands Oberstes Gericht im vergangenen Jahr als eine extremistische eingestuft worden). Es überrascht nicht, dass Appelle zu vernehmen waren, die Herausgabe von Büchern anerkannter Ideologen dieser Bewegung in russischer Sprache zu verbieten. Dabei ist aber der Verkauf des Romans „Das Erbe“ von Wladimir Sorokin gestoppt worden, in dem das LGBT-Thema tangiert wird… Ist dies aber dessen Propagierung? Das ist eine Frage für eine Diskussion. Das Werk Sorokins ist eine Antiutopie, die eine schreckliche, perverse Welt beschreibt. Und die Szenen nichttraditioneller sexueller Beziehungen unterstreichen nur den Wahnsinn dieser Welt. Hier liegt eher keine Propaganda vor, sondern eine Verurteilung. Wie auch in anderen Arbeiten, die die Perspektivlosigkeit derartiger Beziehungen zeigen… Darüber, aber auch über vieles andere muss sich das Expertenzentrum Klarheit verschaffen.

Gut ist, dass dem Expertenzentrum mehrere Organisationen unterschiedlicher Ausrichtung angehören, denn, wenn irgendeiner allein eine Entscheidung trifft, sind Fehler nicht zu vermeiden. Etwas merkwürdig ist, dass Schriftstellerorganisationen – der Verband der Schriftsteller Russlands, der Verband russischer Schriftsteller, die Assoziation der Schriftsteller und Verleger Russlands, der Gesellschaftliche Rat der Schriftsteller, der jüngst bei der Staatsduma gebildet wurde – umgegangen wurden. Damit ergibt sich, dass über das Schicksal der russischen Literatur ohne die Beteiligung professioneller Literaten entschieden wird.

Post Scriptum

Nach Beginn der sogenannten militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine ist die Liste der verbotenen Bücher in Russland spürbar länger geworden. Solche Schriftsteller wie Dmitrij Bykow und Boris Akunin, die aktiv den Ukraine-Krieg kritisierten, wurde daher kurzerhand mit ihren Büchern auf den Index gesetzt. Aufgrund angeblicher Propagierung von LGBT-Werten sind die Romane „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde und „Giovannis Zimmer“ von James Baldwin aus den Büchergeschäften und Bibliotheken verschwunden. Zensur-Bemühungen sind ebenfalls Stephen King (mit den drei Romanen „Frühling, Sommer, Herbst und Tod“, „Es“ und „Doctor Sleep“), Marcel Proust und Haruki Murakami zum Opfer gefallen. Die Aufzählung der verbotenen Autoren ist damit bei weitem nicht abgeschlossen, sie geht in die Hunderte. Ausländische Literatur wird also nur noch dosiert nach Russland gelangen. Russische Literatur unliebsamer Autoren wird es wohl auch nur über Umwegen und mit großen Schwierigkeiten geben. Folglich ist damit zu rechnen, dass die Alexej-Nawalny-Autobiografie, die weltweit am 22. Oktober erscheinen soll, in Russland das gleiche Schicksal ereilen kann.