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Zwischen Minsk und Vilnius hat ein Transitkrieg begonnen


Vilnius reagierte nicht auf die Warnungen von Minsk hinsichtlich des Verbots von Litauen für den Transit weißrussischen Kalis. Und Weißrussland hat den Transit von Erdölprodukten und Düngemitteln aus Litauen über sein Territorium unterbrochen. Die baltischen Länder rufen die EU auf, ihre Position in Bezug auf die weißrussischen Offiziellen zu unterstützen. Sie plädieren für einheitliche gemeinsame gesamteuropäische Sanktionen.

Am Montag, dem 7. Februar waren jene vier Tage verstrichen, die das offizielle Minsk Vilnius eingeräumt hatte, um es sich anders zu überlegen und den Transit des weißrussischen Kalis wiederaufzunehmen. In diesem Falle hätte Weißrussland seine Androhung nicht wahr gemacht und den Transit von Erdölprodukten und Düngemitteln aus Litauen unterbrochen. In Vilnius hatte man es sich aber nicht anders überlegt.

Die Nachrichtenagentur Baltic News Service meldete am vergangenen Montag unter Berufung auf Angaben der Litauischen Eisenbahn, dass sich die Anzahl der Züge etwa um zehn Prozent verringern werde. Derzeit rollen aus Litauen um die 480 bis 540 Züge. Das Verbot tangiert 45. Mitgeteilt wird, dass der Anteil der Erdölprodukte und Düngemittel am Transit vom Prinzip her ein geringer sei.

Von den Unternehmen leiden der Betrieb für Stickstoffdüngemittel „Achema“ (in der Stadt Jonava) und die Erdölraffinerie „Orlen Lietuva“ (Mažeikių). In der Mitteilung heißt es, dass „Achema“ seine Düngemittel über Lettland seinen Abnehmern liefern werde. Und die Erdölprodukte würden über Polen geliefert werden. Zuvor hatte der polnische Konzern ORLEN mitgeteilt, dass er zu solch einer Variante der Entwicklung der Ereignisse bereit sei und er eine alternative Route habe.

Derweil hat auch Estland die Absicht signalisiert, den Transit weißrussischer Erdölprodukte zu stoppen. Es sei daran erinnert, dass Ende letzten Jahres estnische Medien das Augenmerk auf eine bisher nie dagewesene Zunahme der Lieferungen von Erdölprodukten aus Weißrussland in ihr Land lenkten und den Behörden vorwarfen, dass sie Minsk helfen würden, die Sanktionen zu umgehen. Damals ging es um eine Zunahme der Lieferungen um das 4fache, und wenn man einzelne Positionen nimmt, so sogar bis um das 30fache. Estlands Außenministerium teilte zu seiner Rechtfertigung mit, dass alle Position überprüft worden seien und sie nicht unter die Sanktionen fallen würden.

In der ersten Februardekade teilte Estlands Premierministerin Kaja Kallas mit, dass sie individuell beschlossen hätten, die Liste der unter die Sanktionen fallenden Erdölprodukte zu erweitern und auf sie eben jene Position zu setzen, die das bestehende Schlupfloch ausnutzte und Minsk erlaubte, die Sanktionen zu umgehen. Es geht dabei um Fette und Öle sowie andere Produkte, die unter hohen Temperaturen gewonnen werden. Auf sie entfallen rund 80 Prozent aller Lieferungen nach Estland. In Geldform sind dies über 400 Millionen Euro.

Litauens Regierungschefin Ingrida Šimonytė lenkte das Augenmerk darauf, dass der Transit weißrussischer Erdölprodukte durch Litauen eingestellt wurde, bevor im vergangenen Jahr die Europäische Union Sanktionen gegen einzelne Bereiche der weißrussischen Wirtschaft verkündete. Nach ihren Worten wäre es am effektivsten, wenn die Sanktionen auf der Ebene der Europäischen Union verhängt und mit den Sanktionen der USA synchronisiert worden wären.

Im Zusammenhang damit, dass die Länder des Baltikums individuell Sanktionen verhängen, haben sie den übrigen EU-Ländern den Vorschlag unterbreitet, die Sanktionen synchron zu verhängen. Darüber schrieb das Nachrichtenportal „Delfi“. „Nur in solch einem Fall könne man die beste Wirkung erzielen und so wenig wie möglich Bedingungen für jene schaffen, die Ausnahmen oder irgendwelche Schlupflöcher suchen, über die man die Sanktionen umgehen kann. Und in diesem Fall wird das Ergebnis am besten und wirksamsten“, zitiert das Nachrichtenportal die litauische Regierungschefin Ingrida Šimonytė. Solch eine Position vertritt auch Lettland. „Es haben sich Schlupflöcher im Sanktionsregime gegen Lukaschenko gefunden. Der wahre Weg besteht aber darin, dass man die Verhängung von Sanktionen im Maßstab der gesamten EU erreichen muss“, zitiert man die Worte des Kabinettschefs dieses Landes Krišjānis Kariņš.

Es sei daran erinnert, dass die EU-Länder formal Sanktionen verhängt haben. Sie haben jedoch nicht die wichtigsten Exportpositionen des weißrussischen Kalis tangiert und faktisch nicht mehr als 20 Prozent dieser Arten weißrussischer Düngemittel betroffen. Außerdem ging es da darum, dass die Sanktionen nicht die bereits abgeschlossenen Verträge betreffen und eine Prolongierung zulassen würden. Größere Hoffnungen hegten die Opponenten der weißrussischen Offiziellen, die für eine Bestrafung des Regimes von Alexander Lukaschenko plädieren, hinsichtlich der amerikanischen Sanktionen. Sie konnten einen sekundären Charakter tragen, das heißt, nicht nur jene betreffen, die selbst mit Weißrussland Handel treiben, sondern auch deren Geschäftspartner. Beispielsweise die Banken, die die Zahlungen überweisen werden. Schwierigkeiten können sich beispielsweise für jene russischen Unternehmen ergeben, die auf dem internationalen Markt arbeiten und dabei mit den Weißrussen zusammenarbeiten. Bisher sei, wie Experten unterstreichen, der Mechanismus ihres Wirkens unklar. Die erwähnten sollen ab 1. April wirksam werden.

In Minsk behauptet man, dass ungeachtet der Unterbrechung des Transits durch Litauen mit den Kali-Lieferungen alles gut sei. Dass Russland Weißrussland helfe, sagte Alexander Lukaschenko in einem Interview des kremltreuen russischen Journalisten Wladimir Solowjow. Obgleich zuvor Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des russischen Präsidenten erklärt hatte, dass die Frage bisher erst erörtert und geprüft werde. In dem Gespräch mit Solowjow hatte Lukaschenko gleichfalls mitgeteilt, dass auch die Variante von Kali-Lieferungen durch die Ukraine erörtert worden sei, doch es sei nichts darauf geworden.

Alexander Lukaschenko teilte unter anderem auch mit, dass in Russland bereits die Errichtung eines separaten Terminals für weißrussische Düngemittel begonnen habe. Finanzieren würde die Bauarbeiten ein privater Investor. „Ja, da wird es einen eigenen geben, zu 100 Prozent von unserem Staatsbürger. Ich habe nachgefragt, ob Hilfe gebraucht werde. Er sagte: „Nein, nein, es ist alles da, wir haben Geld“. Nunmehr müsse man sich sehr aktivieren, damit man beginnt, diese Chlor-Kali-Düngemittel zumindest in einem Jahr umzuschlagen“, sagte diesbezüglich Alexander Lukaschenko.

Bisher ist es verfrüht, die wirtschaftlichen Verluste Weißrusslands zu berechnen. Laut statistischen Angaben belaufen sich Weißrusslands Einnahmen aus dem Export von Düngemitteln auf etwa 2,5 Milliarden Dollar im Jahr. Die Unterbrechung des Transits ist eine Maßnahme, die für beide Seiten eine schmerzhafte ist. „Im Fall mit den Transitkriegen ist es dumm zu bewerten, wer mehr verliert. Es verlieren beide Seiten“, schrieb diesbezüglich der Experte Igor Tyschkewitsch.