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Umfrageergebnisse: Russlands Bürger brauchen weder ideologischen Lehrfächer noch Fremdsprachen


Das staatliche Allrussische Meinungsforschungszentrum VTsIOM hat Zahlen einer Umfrage veröffentlicht, die den Unterrichtsfächern in der Schule galt. Die Respondenten bewerteten unter anderem den Grad ihrer Wichtigkeit. Die Untersuchung wurde offenkundig im Vorfeld des baldigen Beginns des neuen Schuljahres durchgeführt. Analoge Umfragen hatte VTsIOM in den Jahren 2009 und 2019 durchgeführt.

Vor fünf Jahren hatten 72 Prozent unter den wichtigen Lehrfächern (nennen konnte man bis zu fünf) Algebra oder Mathematik genannt. Jetzt ist diese Zahl zurückgegangen – bis auf 54 Prozent. Sie bleibt dennoch aber die höchste. Die russische Sprache nannten 47 Prozent, Geschichte – 30 Prozent, Physik – 27 Prozent und Literatur – 25 Prozent. Spürbar eingebrochen ist die Popularität der Fremdsprachen. Im Jahr 2019 waren 23 Prozent der Auffassung, dass es wichtig sei, sie zu erlernen. Nunmehr sagte dies lediglich neun Prozent. Warum hat sich mit den Fremdsprachen solch eine Transformation vollzogen? Natürlich, diese Frage muss man gesondert untersuchen. Eine simple Erklärung wäre der politische Kontext: Russland habe gegenwärtig angespannte Beziehungen mit dem Westen, daher habe es keinen Sinn, Englisch und andere Fremdsprachen zu erlernen. Dies kann auch eine rein emotionale Reaktion sein, ohne eine pragmatische Bewertung. Doch bedeutet eine simple Erklärung keine richtige. Die Respondenten können die Qualität der Vermittlung von Fremdsprachen in der Schule beurteilen. Sie können sich von den eigenen Erfahrungen leiten lassen und dessen erinnern, ob ihnen die Fremdsprache in der Praxis vom Nutzen gewesen war. Dies bedeutet nicht, dass der Mensch, der sie beherrscht, nicht mehr erreicht hätte. Wenn aber von der Erziehung und Ausbildung der nächsten Generationen die Rede, gehen die Menschen oft gerade davon aus, was sie selbst getan haben.

Unter den Befragten hätten es 29 Prozent gern, dass ihre Kinder einen Job im Bereich des Gesundheitswesens erhalten. Dabei halten lediglich 16 Prozent die Chemie für ein wichtiges Unterrichtsfach. Und zehn Prozent die Biologie. Hier eine logische Kette zu formieren, ist recht schwierig. Oder nur in dem Fall, wenn die Eltern ihre Kinder als Buchhalter in einem großen und kostenpflichtigen medizinischen Zentrum sehen. Man muss hier aber wohl eher davon sprechen, dass die Fragen der Soziologen oft eine nichtsystematisierte Vorstellung von der Welt offenbaren, die hinter einer emotionalen Hülle verborgen ist. Die Antworten der Respondenten sind gerade solch eine Hülle. 20 Prozent der Befragten wollen für ihre Kinder eine Arbeit im Bereich der IT-Technologien. Aber nur zwölf Prozent halten Informatik für ein wichtiges Unterrichtsfach. Und es ist unverständlich, wie man ein IT-Spezialist werden will, ohne eine Fremdsprache zu beherrschen.

Die Frage danach beantwortend, welche Unterrichtsfächer die heutigen Schüler im Leben brauchen, weicht man meistens einer Antwort aus (63 Prozent). Wenn aber auch irgendetwas nennt, so die „Grundlagen der religiösen Kulturen und weltlichen Ethik“ (vier Prozent), Musik (vier Prozent), Zeichnen (vier Prozent), „Gespräche über Wichtiges“ (drei Prozent) und Chemie (drei Prozent). Um die „Grundlagen der Religion“ waren seinerzeit so viele Pros und Contras vorgebracht worden, das Unterrichtsfach integrierte man in drei Modifikationen in das Schulprogramm, und im Endergebnis erhielt man ein Unterrichtsfach, das die Eltern und Kinder als unnötiges und nicht obligatorisches ansehen.

Die „Gespräche über Wichtiges“ nehmen jeweils eine Unterrichtsstunde ein, die keine Bewertung vorsehen. Eingeführt wurden sie im Jahr 2022. Als Ziel stellte man eine moralisch-patriotische Erziehung der Schüler (die im Übrigen gern diese Unterrichtsstunde bummeln – Anmerkung der Redaktion). Dies kann man etwa als ein ideologisches Unterrichtsfach bezeichnen, als einen Versuch, die Schüler in einem richtigen politischen Kontext zu halten. Doch die zweijährigen Erfahrungen und soziologischen Erhebungen in der Art der VTsIOM-Untersuchung erlauben nicht zu sagen, dass solch ein Instrument effektiv ist.

Heutzutage würden, wie die Umfrage belegt, 59 Prozent die Einführung des Unterrichtsfachs „Logik“ unterstützen. Genauso hätten die Respondenten sowohl auf die Grundlagen der Religionen als auch die Gespräche über Wichtiges reagieren können. Eine richtige Präsentation jeglicher Initiative wirkt auf die emotionale Schicht. Es wird Zeit ins Land gehen, und genau die gleichen Respondenten werden bei der Beurteilung des Stundenplans und der Belastung ihrer Kinder leicht bestimmen, was man aus dem Stundenplan entfernen kann. Mitunter widerspricht dies sowohl ihrem anfänglichen Enthusiasmus als auch dem Interesse der Lobbyisten, darunter auch denen aus dem Umfeld der Herrschenden.