Die Regierung der Partei „Georgischer Traum“ brachte erneut den Gesetzentwurf über „ausländische Agenten“ zur Behandlung im Landesparlament ein, der die Finanzströme, die aus dem Ausland in die Zivilgesellschaft der Republik fließen, transparent machen soll. Mehr noch, ungeachtet der kritischen Anmerkungen sowohl europäischer als auch amerikanischer Politiker und der Proteste seitens eben jener Zivilgesellschaft, hat das Parlament in der vergangenen positiv abgestimmt und es erste Änderung verabschiedet (freilich nur mit den Stimmen von „Georgischer Traum“ – mit 83 von 150, wobei die Opposition der Abstimmung ferngeblieben war – Anmerkung der Redaktion). Das Gesetz, das bereits vor einem Jahr zur Behandlung eingebracht, aber aufgrund der ähnlichen Reaktionen zurückgezogen worden war, wird von den einheimischen Kritikern als „russisches“ bezeichnet, obwohl ähnliche Initiativen durch verschiedene EU-Länder in Sonderheit und durch die Organisation an sich insgesamt aktiv erörtert werden. Und in den USA gilt dessen striktere Variante, und dies bereits seit den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Das Ziel der nunmehrigen Gesetzesvorlage ist, sich davon zu überzeugen, dass die ausländische Mittel für sozial-ökonomische und Bildungsprojekte eingesetzt werden. Und wenn es einen politischen Hintergrund gibt, so sollen alle Seiten des Deals auf maximale transparent gemacht werden – wer zahlt, wem gezahlt wird, wieviel gezahlt wird und weshalb. Die Idee der Regierungspartei „Georgischer Traum“ haben die einheimische politische Opposition wie auch die Vertreter der meisten einflussreichen NGOs (Nichtregierungs- bzw. nichtkommerzielle Organisationen) gar zu erörtern, zu debattieren abgelehnt, wobei sie diese als eine „russische“ bezeichneten und Parallelen zu dem zogen, wie russische NGOs von einer ausländischen Finanzierung abgeschnitten, als „ausländische Agenten“ gelabelt und unterdrückt worden sind. Zweifellos besteht das Risiko, doch die regierende Partei wird sich wohl solche Freiheiten in Bezug der Kräfte kaum erlauben können, die durch strategische Partner des Staates finanziert werden. Es ist kein Geheimnis, dass gerade von diesen Partnern auch ein erheblicher Teil des georgischen Wohlergehens abhängt. Folglich ist die Situation weitaus komplizierter und bedarf einer tiefgründigeren Erörterung.
Die Zivilgesellschaft
Ein reales Problem ist die Krise der eigentlichen Zivilgesellschaft insgesamt. Dies ist das, worum alle wissen, aber Angst haben anzusprechen, weil sich dann die Frage nach ihrer Legitimität stellt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat Georgien unter anderem einen Weg entsprechend einer sich durchgesetzten demokratischen Schablone beschritten, in deren Rahmen die Existenz von NGOs und einer Zivilgesellschaft eine Notwendigkeit war. Da aber die gewöhnlichen Menschen zu arme und nichtorganisierte gewesen waren, übernahmen unterschiedliche westliche Institute und Agenturen die Pflichten zu ihrer Gestaltung sowie finanziellen und logischen Unterstützung. Entsprechend dem Grundgedanken sollte nach einer bestimmten Zeitspanne diese „angeheuerte“ Zivilgesellschaft unter die Obhut der georgischen Gesellschaft gestellt werden. Jedoch sind die Jahre ins Land gegangen, die Situation hat sich aber nicht verändert. Daher haben wir eine Zivilgesellschaft, die vollkommen von einer äußeren Unterstützung abhängig ist, die jedoch ihre Rechte auf eine Legitimität vorbringt und darauf, dass gerade sie die Stimme des Volkes sei, obgleich in Wirklichkeit sowohl das eine als auch das andere keine Tatsache ist. Laut neuen soziologischen Untersuchungen hat der maximale Grad an Vertrauen gegenüber der georgischen Zivilgesellschaft nie mehr als 29 Prozent ausgemacht. Die Situation verschlimmerte das Kommen politischer Funktionäre in verschiedene einheimische NGOs, die offen die Zivilgesellschaft und das vorhandene finanzielle und logistische Potenzial in diesen für ihre Zwecke ausnutzen. Im Ergebnis dessen wird ein Teil der ausländischen Gelder nicht für soziale und Bildungs- sowie andere, auf eine Entwicklung demokratischer Institute und Werte orientierte Projekte, sondern für die Organisierung von Meetings, für eine finanzielle Unterstützung von politischen Aktivisten und für ein politisches Lobbyieren verwendet.
Über die Notwendigkeit des Gesetzes
Gerade in der dramatischen Politisierung der Zivilgesellschaft, besonders ihres deutlich elitären Teils, steckt auch das Problem. Die Partei „Georgischer Traum“ begreift wohl, dass dieser Sektor aktiv um die Macht kämpft und seine Ansichten zu vielen Aspekten nicht nur der Innen-, sondern auch der Außenpolitik hat. Mehr noch, die Vertreter dieser elitären Schicht der Zivilgesellschaft befinden sich in engen politisch-ideologischen Kontakten mit politischen Parteien in der Opposition. Und einige kooperieren direkt mit ihnen. Folglich betrachtet die Partei „Georgischer Traum“ diese Gruppe als einen Gegner und möchte vor den Parlamentswahlen im kommenden Oktober eine dokumentarische Bestätigung dessen garantieren, dass ein Teil der Gelder, die aus den westlichen Ländern kommen, nicht für die Entwicklung der georgischen Gesellschaft insgesamt, sondern für politisches Lobbyieren zugunsten der Opposition eingesetzt wird. Obgleich alle darüber alles gut wissen, so sei dennoch daran erinnert: In demokratischen Ländern und Systemen ist die dokumentarische Bestätigung eine Notwendigkeit, eine reale Tatsache. Und mit Hilfe dieser wird man schon direkt einen Dialog nicht nur mit der georgischen Gesellschaf, sondern auch mit den westlichen Akteuren führen können. Die Partei „Georgischer Traum“ wird wahrscheinlich die Parlamentswahlen gewinnen und erwartet eine neue Welle von Protesten sowohl seitens der Opposition als auch seitens eines Teils der einheimischen Zivilgesellschaft. Für all dies sind aber Ressourcen nötig, die üblicherweise von außen kommen. Ja, und da wird das Gesetz wirken. Anstelle pauschaler Anschuldigungen wird es offenen Daten geben, die zweifellos von den Offiziellen genutzt werden, um zu zeigen, welche Gruppe, wo, von wem, wann und wozu Mittel erhielt. Danach wird sie auch erklären, dass die Proteste keine des Volkes, sondern von politischen Widersachern bezahlte gewesen seien.
So oder so, das Gesetz wird durch diese Herrschenden oder die nächsten verabschiedet werden, da sich immer mehr ein globales Begreifen dessen herausbildet, dass Geldflüsse aus dem Ausland zumindest transparente sein müssen, besonders, wenn dies die Arbeit mit der Jugend und den politischen Stimmungen unter der Bevölkerung des Empfängerlandes betrifft. Diese globale Tendenz wird auch in Georgien ihr Echo finden. Die Frage besteht nur darin, was es für Garantien geben und gegen wen das Gesetz eingesetzt wird. Die Vertreter des sogenannten radikal prowestlichen Flügels sind der Auffassung, dass man es nur gegen China, Russland und jene Länder, auf dies uns der unpersönliche Westen zeigt, anwenden muss. Die moderaten aber – und nicht nur die Mitbürger – räumen eine Bedrohung nicht nur aus diesen Staaten ein und würden gern ein Stimmrecht haben.
Post Scriptum
Auch der georgische Politologe Archil Sikharulidze hat es versäumt, auf einen wesentlichen Unterschied des geplanten Gesetzes in seiner Republik gegenüber dem russischen Pendant hinzuweisen. In Georgien geht es um Rechtspersonen, die von dem Gesetz über ausländische Agenten in dem Fall erfasst werden, wenn sie zu mehr als zwanzig Prozent aus dem Ausland finanziert werden. In Russland derweil labelt man aber auch natürliche Personen, wobei die Gründe mitunter mehr als makaber aussehen. Den Status eines ausländischen Agenten kann man in der Russischen Föderation allein schon deshalb erhalten, weil man zum Beispiel ein Interview für ein Medium mit einem solchen Label gewährte. Die Geldfrage spielt da oft gar keine Rolle.