Der Synod der Orthodoxen Kirche in Amerika hat eine Erklärung veröffentlicht, in der er nicht nur die militärische Sonderoperation der Russischen Föderation in der Ukraine verurteilte, sondern auch zu verstehen gab, dass er die Ukrainische orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats als eine eigenständige, als eine nicht von der Russischen orthodoxen Kirche abhängige Struktur betrachte. Zur gleichen Zeit informierte das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Metropolit Epiphanius (Dumenko), über „dutzende Gemeinden und eine Reihe von Klöstern der Ukrainischen orthodoxen Kirche“, die sich den Autokephalie-Vertretern angeschlossen hätten.
„Wir, die Bischöfe des Heiligen Synods der Orthodoxen Kirche in Amerika“, heißt es in dem Dokument, „trauern besonders aufgrund der Morde und Gewalt, die von orthodoxen Christen gegen andere orthodoxe Christen verübt werden“. Die amerikanischen Bischöfe rufen auf, die auf Befehl von Präsident Putin am 24. Februar begonnenen Kampfhandlungen in der Ukraine zu beenden. Bemerkenswert ist, dass sie nur indirekt den Patriarchen von Moskau und Ganz Russland Kirill erwähnten. Der Name des Oberhauptes der Russischen orthodoxen Kirche tauchte im Text nur im Zusammenhang mit einem Brief auf, in dem das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche in Amerika, Metropolit Tichon (Mollard), „seine Heiligkeit anflehte, alles Mögliche für eine Beendigung … der Leiden und des Sterbens zahlloser Opfer zu tun“.
Es sei daran erinnert, dass die Orthodoxe Kirche in Amerika dank dem Moskauer Patriarchat gebildet worden war und später, 1970 von ihm die Autokephalie erhielt, die jedoch nach wie vor nur von fünf der fünfzehn orthodoxen Landeskirchen anerkannt wird. Nicht anerkannt wird sie beispielsweise durch die Kirche von Konstantinopel. Metropolit Tichon (Mollard) hatte die Russische orthodoxe Kirche und die Ukrainische orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats unterstützt, als auf Entscheidung des (Ökumenischen) Patriarchen von Konstantinopel Bartholomäus die Orthodoxe Kirche der Ukraine gebildet wurde (im Jahr 2018 – Anmerkung der Redaktion). Jedoch sofort nach Beginn der weltweit kritisierten militärischen Sonderoperation der Russischen Föderation in der Ukraine rief der 55jährige Mollard Präsident Wladimir Putin auf, „unverzüglich die Kampfhandlungen einzustellen“, und blieb ungehört.
Vor diesem Hintergrund haben bereits über 15 Diözesen der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats aufgehört, während der Gottesdienste den Namen von Patriarch Kirill zu erwähnen. Und der Klerus von mindestens drei Diözesen – der Kiewer, der von Sumy und die Diözese Wladimir-Wolyn – haben sich an das Oberhaupt der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, an Metropolit Onufrij (Beresowskij), mit der Bitte gewandt, kurzfristig ein Konzil einzuberufen, um die Autokephalie zu proklamieren. Es sei angemerkt, dass die Tagung der Synod der Russischen orthodoxen Kirche am 24. März erstmals ohne eine Beteiligung von Vertretern der ukrainischen Kirche an ihr erfolgte. Auf der Internetseite der Moskauer Patriarchie wird dies mit der „internationalen Lage“ erklärt. Metropolit Onufrij ist ständiges Mitglied der Heiligen Synod der Russischen orthodoxen Kirche und hatte bisher an allen Tagungen der Hierarchen persönlich oder online teilgenommen.
Der Moskauer Patriarchie nahestehende Kreise behaupten, dass die Russische orthodoxe Kirche den ukrainischen Anteil an der Delegation für die Generalversammlung des Weltkirchenrates minimiert habe. Das Forum soll vom 31. August bis 8. September in Karlsruhe stattfinden. Auf der ursprünglichen Delegiertenliste waren der Leiter des Pressedienstes der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, Oberpriester Nikolaj Daniljewitsch, und der Mitarbeiter der Abteilung für auswärtige Kirchenbeziehungen dieser Kirche, der Geistliche Wassilij Priz. Nach Beginn der russischen Sonderoperation verurteilte Daniljewitsch die Haltung von Patriarch Kirill. „Das, was der Patriarch tut, ist seine persönliche Sünde“, erklärte der Oberpriester. Daher wird nun die Ukraine der Metropolit von Saporoshje und Melitopol Luka (Kowalenko) vertreten, der gegenüber der Russischen orthodoxen Kirche loyaler ist. In seiner Diözese wird der Name von Patriarch Kirill bei den Gottesdiensten (noch) erwähnt.
Metropolit Onufrij erwartet auch von einer anderen Seite ein Schlag. In der Werchowna Rada der Ukraine (dem Landesparlament – Anmerkung der Redaktion) werden zwei Gesetzesvorlagen behandelt, denen zufolge das Moskauer Patriarchat auf dem Landesterritorium verboten werden kann. Als Autorin des ersten Vorschlags trat Oxana Sawtschuk, Abgeordnete von der Partei „Svoboda“ („Freiheit“), auf. Am 26. März wurde in der Rada noch ein Gesetzentwurf registriert. Über die Vornahme von Änderungen am Gesetz der Ukraine „Über die Religionsfreiheit und religiösen Organisationen“. Vorgeschlagen wird, „das Wirken aller religiösen Organisationen zu verbieten, die zur Struktur (die ein Teil sind) einer religiösen Organisation (Vereinigung) gehören, deren Führungszentrum (Verwaltung) sich außerhalb der Ukraine befindet“. Und gerade in der Russischen Föderation. Als Initiatoren der Gesetzesvorlage sind Abgeordnete der Parteien „Golos“ („Die Stimme“) und „Diener des Volkes“ aufgetreten.
Zur gleichen Zeit hat man in der Orthodoxen Kirche der Ukraine ein „Kompromissmodell“ für einen Übergang von Diözesen, einzelnen Gemeinden und Klöstern aus der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats vorgeschlagen. Gemäß dem Vorschlag würden alle religiösen Organisationen die bestehende Struktur bewahren. Die Gemeinden und Klöster, die sich nicht der jeweiligen örtlichen Diözese der Orthodoxen Kirche der Ukraine anschließen möchten, können den zeitweiligen Status von stauropigalen (direkt dem Patriarchen oder dem Heiligen Synod und nicht der regionalen kirchlichen Hierarchie unterstehenden – Anmerkung der Redaktion) erwerben. Am 27. März teilte Metropolit Epiphanius (Dumenko) auf Twitter mit, dass dutzende Gemeinden und mehrere Klöster der Ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats unter seine Jurisdiktion gekommen seien. Eine andere Kirchenressource behauptet, dass das Moskauer Patriarchat 28 Gemeinden in den Verwaltungsgebieten Lwow, Iwano-Frankowsk, Chmelnizkij, Transkarpatien, Ternopol, Rowno, Wolyn, Kiew und Tscherkassy verlassen hätten.
In der Russischen orthodoxen Kirche hat man erwartungsgemäß äußerst negativ auf die erwähnten Gesetzentwürfe reagiert. In Moskau prophezeit man Kiew eine „massenhafte Konfrontation mit unvorhersehbaren Folgen“. Und wie am Mittwoch Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des russischen Staatsoberhauptes, gegenüber Journalisten versicherte, stehe man auch im Kreml „äußerst negativ dem Einbringen dieser Gesetzesentwürfe in die Werchowna Rada der Ukraine gegenüber“. Er unterstrich gleichfalls, dass „es in keiner Weise Sinn macht, dies mit dem Verlauf der russisch-ukrainischen Verhandlungen und ihrer am Dienstag in Istanbul erfolgten neuen Runde zu verknüpfen“. Kritik an den Gesetzestexten übte auch das getaufte Oberhaupt der Krim Sergej Aksjonow. In seinem Twitter-Kanal bekundete er die Zuversicht, dass „die ukrainischen Politiker, die für ein Verbot der Ukrainischen orthodoxen Kirche kämpfen, eine Niederlage und Schande erwarten“. Von einer „Vernichtung des orthodoxen Glaubens“ in der Ukraine sprach am 29. März auch Ilja Kiwa, dem das Mandat eines Abgeordneten der Werchowna Rada aberkannt worden war. (Der 44jährige Politiker begann seine politische Laufbahn in der in Russland verbotenen Partei „Rechter Sektor“, versuchte dann sein Glück in der Sozialistischen Partei und landete letztlich in der prorussischen Partei „Oppositionsplattform – Für das Leben“, deren Tätigkeit jüngst durch einen Erlass von Präsident Wladimir Selenskij verboten wurde. – Anmerkung der Redaktion)
Vertreter des Moskauer Patriarchats haben die Abgeordneten der Werchowna Rada gewarnt, dass sie mit zivilem Widerstand innerhalb der ukrainischen Gesellschaft konfrontiert werden würden. „Mit der Annahme eines jeglichen der Gesetzesentwürfe, die die die Ukrainische orthodoxe Kirche verbieten, sind noch erbittertere Abrechnungen mit Vertretern des Klerus und mit Gläubigen der kanonischen Kirche zu erwarten. Ich hoffe, dass die Abgeordneten der Werchowna Rada der Ukraine und die Vertreter der ukrainischen Behörden Vernunft an den Tag legen werden und jenen Schaden begreifen, den die mögliche Billigung solcher Gesetzesvorlagen dem Volk der Ukraine zufügen wird“, schrieb in seinem Telegram-Kanal der Vorsitzende der Synodalabteilung für die Beziehungen der Kirche mit der Gesellschaft und den Massenmedien, Wladimir Legoida. Im Moskauer Patriarchat ist man sich gewiss, dass die Behandlung der vorgeschlagenen Dokumente der Versuch eines Kampfes ukrainischer Gesetzesschöpfer gegen die Ukrainische orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats sei. Der stellvertretende Vorsitzende der Abteilung für auswärtige Kirchenbeziehungen des Moskauer Patriarchats, Oberpriester Nikolaj Balaschow, fügte hinzu, dass, wenn die Gesetzentwürfe angenommen werden, sie erlauben würden, „auf tausende Gemeinden der Ukrainischen orthodoxen Kirche einen überaus starken Druck auszuüben, wobei man sie zum Übergang zu einer Spaltung zwingt“. „Unter Berücksichtigung der generellen aufgeheizten politischen und sozialen Situation in der Ukraine kann die Verabschiedung eines derartigen, extrem radikalen Gesetzes zu einer großangelegten interkonfessionellen Konfrontation mit unvorhersehbaren Konsequenzen ausarten“, resümierte Balaschow.