In Kasachstan findet am 5. Juni ein Referendum zur Vornahme von Änderungen an der Landesverfassung statt. Den Bürgern wird vorgeschlagen, für eine Änderung von 33 Artikeln in einem Paket abzustimmen. „Dies ist eine überaus wichtige Entscheidung von Präsident Kassym-Schomart Tokajew, die besondere politische Bedeutung besitzt“, erklärte Kasachstans Staatssekretär Erlan Karin. Fast alle Änderungen tragen jedoch einen technischen Charakter und verändern nicht die Formen der Superpräsidenten-Herrschaft.
Daneben, dass die Änderungen technische seien, betonen Experten: Das Referendum werde für die Schaffung eines Images demokratischer Reformen abgehalten. Nach Meinung des Politikers Kasbek Beisebajew betreffe die wichtigste Änderung die Wahl des Parlaments auf einer gemischten Grundlage – mittels Parteilisten und über Direktmandate. Alle übrigen seien keine so wichtigen und hätten das Prozedere per Abstimmung im Parlament durchlaufen können.
„Zumal es keine strittigen Fragen, solche wie beispielsweise der Übergang von einer superpräsidialen Herrschaftsform zu einer parlamentarischen in den vorgeschlagenen Veränderungen gibt. In diesem Fall ändern sich die juristischen Termini, das Wesen bleibt aber das frühere“, sagte Beisebajew gegenüber dem Nachrichtenportal www.zonakz.net. Er betonte, dass die Änderungen nicht mit der Bevölkerung diskutiert werden würden, obgleich auch ein Republiksstab für die Unterstützung des Referendums geschaffen worden sei. Das Plebiszit wird für das Land 16,4 Milliarden Tenge (umgerechnet über 36 Millionen Dollar) kosten.
Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit konzentriert sich auf die Änderung über den Status des Präsidenten. Ursprünglich war geplant worden, die Rolle des ersten Präsidenten als Gründer des Staates zu bewahren. Nachdem sich aber in den sozialen Netzwerken Protest rührte, wurden Änderungen beschlossen. Die Offiziellen entschieden, darauf zu verzichten, dem ersten Präsidenten den Status des Führers der Nation bei der Darstellung seiner Verdienste bei der Herausbildung der Unabhängigkeit zu verleihen. Dennoch lassen die Streitigkeiten um die Garantien für eine Unantastbarkeit aller Mitglieder der Familie von Nursultan Nasarbajew und über deren lebenslangen Versorgung aus dem Staatshaushalt nicht nach. Der Artikel 46 der Verfassung der Republik Kasachstan ist ohne Veränderungen geblieben. Kasachstans Justizministerium dementierte dies: „Der Entwurf der Verfassungsänderungen sieht keine Gewährung neuer Garantien für den ersten Präsidenten der Republik Kasachstan und für dessen Familie vor. Im Gegenteil, der Entwurf für ein Gesetz über die Vornahme von Änderungen an der Verfassung schlägt vor, alle Normen hinsichtlich des Status des ersten Präsidenten auszuschließen“.
Es gibt auch andere interessente Veränderungen. Beispielsweise kann zum Präsidenten der Republik Kasachstan ein Bürger werden, der in der Republik Kasachstan geboren wurde, nicht jünger als 40 Jahre ist, die Staatssprache frei beherrscht, die letzten 15 Jahre im Land lebt und eine Hochschulausbildung besitzt. Diese Änderung ist angenommen worden, damit die Oppositionsführer, die sich die letzten Jahre im Ausland befinden, nicht kandidieren können.
Beisebajew betonte, dass die geltende Verfassung für den ersten Präsidenten geschaffen worden war. 2Wir hatten nicht einfach eine superpräsidiale Republik. Er verfügte über Supervollmachten. Über diese Vollmachten verfügt auch der amtierende Präsident Kassym-Schomart Tokajew. Er ernennt gemäß der Verfassung die Regierung, die Leiter aller Strukturen, den Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission und den Vorsitzenden des Verfassungsgerichts, er unterbreitet die Kandidatur für den Vorsitzenden des Senats. Lediglich den Vorsitzenden des Unterhauses des Parlaments schlagen Abgeordnete vor, und sie wählen ihn auch. Daher ändern die vorgeschlagenen Änderungen nicht die superpräsidiale Herrschaftsform“, sagte der Politiker.
Der Direktor der Groppe für die Beurteilung von Risiken, Dossym Satpajew, sagte der „NG“, dass das jetzige Referendum eine Probe für die Präsidentschaftswahlen des Jahres 2024 sei. „Die Herrschenden wollen die Arbeit der kommunalen Machtorgane während der Abstimmung testen, ein Monitoring der öffentlichen Meinung vornehmen: Inwieweit unterstützen Kasachstans Bürger Tokajew? Aus politischer Sicht erfolgt eine Erhöhung der Legitimität Tokajews in den Augen der internationalen Öffentlichkeit. Der Präsident versprach eine politische Reform und nimmt sie vor“, sagte Satpajew der „NG“.
Experten lenken die Aufmerksamkeit auf Folgendes: Die Änderungen werden als Paket angenommen, wobei auf die Tatsache gesetzt werde, dass sie die Bevölkerung nicht studieren werde. Dabei könne man nicht irgendeiner Änderung zustimmen, einer anderen aber nicht. Das Wichtigste sei der Grad der Teilnahme. Dies werde zu einer Messlatte für das Vertrauen gegenüber Präsident Tokajew.
Eine Reihe kasachischer Politiker hofft auf reale demokratische Umgestaltungen. Sie haben bereits die Bildung neuer politischer Parteien signalisiert. Ihre Registrierung ist aber so sehr bürokratisiert, dass es praktisch unmöglich ist, dies zu tun. Gebraucht wird eine Liberalisierung des Parteiengesetzes.
Nach Aussagen des Politologen Danijar Aschimbajew „existieren Verfassungsnormen, die einzelne Figuren sehr gern einer Revision unterziehen würden“. „Dazu gehören der weltliche Charakter des Staates, der unitäre Charakter des Landes, der Status der kasachischen als Staats- und der russischen Sprache als offizieller Sprache sowie das Verbot für die Tätigkeit der Vereinigungen, die sich als ihre Ziele das Schüren sozialer, rassischer, nationaler, religiöser, Stände- und Stammeszwietracht gesetzt haben. Dies sind jene Werte, die bewahrt werden müssen, was prinzipiell wichtig ist“, betonte Aschimbajew.