Auch die verstrichene 23. Kalenderwoche bescherte in Russland zahlreiche interessante Nachrichten, an denen die Redaktion der „NG Deutschland“ nicht vorbeigehen möchte. Sie werfen Streiflichter auf die wirtschaftliche Lage des Landes, demonstrieren Merkwürdiges im gesellschaftspolitischen Leben und lassen aufmerken. Verkaufszahlen für PKW und LVC können die 100.000-Marke nicht überspringen Zu Beginn der vergangenen Kalenderwoche wurden die Verkaufszahlen für PKW und leichte kommerzielle Fahrzeuge (LVC) für den Monat Mai veröffentlicht. 98.348 Fahrzeuge wurden verkauft, womit im Vergleich zum Mai des Vorjahres ein Rückgang von 27,5 Prozent verzeichnet wurde. Das Ministerium für Industrie und Handel versuchte, den seit Jahresbeginn anhaltenden negativen Trend herunterzuspielen und erklärte, dass dies mit dem traditionellen Saisoncharakter zusammenhängen würde. Immerhin seien ja in den ersten fünf Monaten schon 478.776 PKW und LCV verkauft worden. In der Assoziation des europäischen Business verwies man derweil darauf, dass nach andere Faktoren wirken würden. Beispielsweise die Hoffnung der Russen auf eine spürbare Reduzierung des Leitzins und größere Erschwinglichkeit von Krediten, die Erwartung hinsichtlich einer Rückkehr von Marken, die nach Beginn des Ukraine-Konflikts Russland verlassen hatten, sowie die generelle Müdigkeit der Bevölkerung aufgrund der aktuellen negativen Trends. Russlands Stromversorgungsnetze annoncieren Tarifsteigerungen Um eine technologische Unabhängigkeit Russlands bis zum Jahr 2030 auf dem Gebiet der Stromlieferungen zu erreichen, brauche der Netzbetreiber „Rosseti“ noch weitere Investitionen im Umfang von 300 Milliarden Rubel. So der Chef des Unternehmens Andrej Rjumin. Und nach seinen Worten sei die einzige Quelle für derartige Investitionen eine Anhebung der Tarife, denn bekanntlich leidet der Staatshaushalt derzeit aufgrund ausfallender Einnahmen aus den Öl- und Gasexporten. Im Unternehmen „Rosseti“ betonte man, dass die gegenwärtigen Tarife ca. 30 Prozent der nötigen Investitionen decken würden. Russlands Stromverbraucher müssen sich also auf weitere Anhebungen der Stromkosten einstellen. Ab 1. Juli werden sie um 11,6 Prozent steigen. Wird der Bierverkauf wieder in Russlands Stadien zurückkehren? Seit dem Jahr 2005 darf in den Fußballstadien Russlands kein Bier mehr verkauft werden. Eine Ausnahme machten die Offiziellen lediglich im Jahr 2018 zur FIFA-Fußball-WM in Russland und zu den Petersburger Spielen bei der Euro-2020. Da überdies für die Spiele der Profi-Liga nur per Fan-Pass ein Zugang zu den Tribünen möglich wurde, sind die Besucherzahlen in den Fußballstadien Russlands drastisch eingebrochen (nach wie vor gibt es Widerstand gegen diese Maßnahme). Seit dem Frühjahr scheint aber Einiges in Bewegung geraten zu sein. Sportminister Michail Degtjarow erklärte im April, dass ein erneuter Bierverkauf in den Stadien zusätzliche Mittel für die Entwicklung des Landes bringe. Und Dmitrij Wisir, Generaldirektor des Bierkonzerns „Baltika“, meinte am 6. Juni, dass der Verkauf von Gerstensaft in den Stadien deren Tribünen wieder voller werden lasse. Überdies sei das Biertrinken beim „Mitfiebern“ für die jeweilige Elf ein Teil der Kultur des Verfolgens von Fußballspielen. Bücher des schwedischen Kinderbuchautors Sven Nordqvist – ein Tabu für Russlands Kinder Die auch in Deutschland bekannten Arbeiten des Kinderbuchautors – solche wie „Pettersson zeltet“ oder „Armer Pettersson“ – haben dem russischen Verlag „Weißer Rabe“ bis in die jüngste Vergangenheit sehr gute Umsätze im Buchhandel beschert. Übersetzt wurden sie von Alexandra Poliwanowa. Die ist aber Vorstandsmitglied der in Russland inzwischen verbotenen und aufgelösten Menschenrechtsorganisation „Memorial“ und wurde selbst im Mai als „ausländische Agentin“ durch das Justizministerium gelabelt. Dies wurde zum Anlass für den Verlag, die Nordqvist-Bücher vorläufig aus dem Verkauf zu ziehen. Der Grund: In den Büchern ist nicht ausgewiesen worden, dass A. Poliwanowa „ausländische Agentin“ ist. Und da keiner weiß, ob dies zu Geldstrafen für die Verleger führen kann, hat man sicherheitshalber die Notbremse gezogen. Bis zu 40 Prozent der Studenten in Russland verlassen ohne ein Diplom die Hochschulen Laut offiziellen Angaben mit Stand vom Januar dieses Jahres erhielten in den russischen Hochschulen und Universitäten ca. 4 Millionen Studenten eine Ausbildung. Davon studiert etwa ein Drittel auf Kosten des Staates, zahlt also nicht selbst für die Hochschulausbildung. Der stellvertretende Minister für Wissenschaft und Hochschulbildung Dmitrij Afanassjew informierte in der vergangenen Woche aber, dass nicht alle Studierenden ihr Studium beenden; sprich: Die Studienausgaben sind für die Katz gewesen. Entsprechend unterschiedlicher Fachrichtungen liegen die Ausfälle zwischen 15 und 32 Prozent. Und in einigen werfen gar bis zu 40 Prozent der Studenten das Handtuch. Als Grund nannte Afanassjew, dass viele Studenten einfach nicht in der Lage sind zu studieren. Ganz zu schweigen von den mangelnden Basiskenntnissen und der Motivation. Welcher Schaden ist größer? Am 5. Juni wurde das Berufungsverfahren im Fall des Moskauer Kardiochirurgen Iwan Tistschenko abgeschlossen. Natalia Konowalowa, die das entsprechende Richterkollegium leitete, verkündete, dass die im Dezember 2024 verhängte Strafe von vier Jahren Strafkolonie rechtens sei. Der seit mehr als zwanzig Jahren arbeitende Herzspezialist hatte sich Folgendes zu Schulden kommen lassen: Seit 2015 hatte er regelmäßig entsprechend einem automatischen Bankauftrag Spenden an die Nawalny-Stiftung überwiesen, also noch bevor die Stiftung zur Korruptionsbekämpfung des bekannten Oppositionspolitikers für extremistisch erklärt und verboten wurde. Leider hatte er es versäumt, nach diesem Verbot auch den Bankauftrag zu stornieren. Sympathisanten und Kollegen von Iwan Tistschenko können die Gerichtsentscheidung nicht fassen und verweisen darauf, dass damit das Moskauer Gesundheitswesen einen hochklassigen Spezialisten verliere (der im Straflager überdies seine Qualifikation verlieren könne). Außerdem stehen Kardiochirurgen nun wirklich nicht Schlange, um in einer der hauptstädtischen medizinischen Einrichtungen einen Job zu bekommen. Da stellt sich die Frage: Was hat dem russischen Staat mehr geschadet – geringe Geldspenden für die Nawalny-Stiftung oder der Verlust eines Herzchirurgen für mindestens vier Jahre? Die Moskauer Richter plädierten für die erste Auffassung und haben offenkundig die hunderten, wenn nicht gar tausenden zufriedenen Patienten von I. Tistschenko ignoriert.
Verkaufszahle für PKW und LCV befinden sich weiterhin auf einer Talfahrt
14:39 10.06.2025