Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Von Russland installierte Administrationen kommen (bisher) ohne Zivilangestellte aus


Die Situation auf unterschiedlichen Territorien, die als im Verlauf der russischen Sonderoperation von den Herrschenden Kiews befreite angesehen werden, erlaubt, eine Schlussfolgerung über Unterschiede in ihrem weiteren Schicksal zu ziehen. Im Verwaltungsgebiet Cherson ist zu einem sichtbaren Beleg für die Kontrolle seitens der Russischen Föderation die Liquidierung der aus Moskauer Sicht „berüchtigten Vertretung des Präsidenten der Ukraine auf der Krim“ geworden. Aber hinsichtlich des Verwaltungsgebietes Tschernigow sind doch keine Bestätigungen hinsichtlich der Etablierung von Militär- und zivilen Verwaltungen aufgetaucht. Augenscheinlich wird das Cherson-Gebiet zumindest eine Volksrepublik. Der Region Tschernigow droht dies aber nicht. Prorussische Aktivisten jedoch, die sich entschieden haben, aus der Illegalität herauszutreten, und bisher lediglich bei der Informationsarbeit der russischen Militärs eingesetzt werden, erörtern bereits mögliche Konturen einer erneuerten, einer anderen Ukraine.

Über die Liquidierung der „Krim-Vertretung“ berichtete Georgij Muradow, Vizepremier der Krim-Regierung (von der Kremlpartei „Einiges Russland“). „Die russischen Militärs haben die sogenannte Vertretung des Präsidenten der Ukraine in der Autonomen Republik Krim geschlossen, die sich im befreiten Cherson befunden hatte. Die ukrainische Flagge ist vom Gebäude entfernt worden“, erläuterte der 67jährige, wobei er präzisierte, dass die eigentliche Struktur schon seit langem auseinandergelaufen sei.

Alles in allem war dies eine rein demonstrative Geste der russischen Militärs, die zeigt, dass die russischen Militärbehörden der Region Cherson endlich beginnen, sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Ob ihnen dabei aber das berüchtigte Rettungskomitee „Für Frieden und Ordnung“ hilft oder nicht, ist nicht ganz klar. Es sei daran erinnert, dass es formell von einer Gruppe prorussischer Aktivisten aus den Reihen ehemaliger lokaler Abgeordneter und gesellschaftlicher Aktivisten etabliert worden war. Ob sie aber beispielsweise bei der Verteilung russischer humanitärer Hilfe an die Bevölkerung, bei der Vorbereitung der Cherson-Agrarier auf die Feldarbeiten und umso mehr bei der Arbeit zur russischen Gegenaufklärung ausgenutzt werden, ist gleichfalls eine große Frage.

Es sei daran erinnert, dass mehr oder weniger offiziell außer der Region Cherson auch noch ein Teil des Verwaltungsgebietes Saporoschje als befreit angesehen wird. Vor allem Melitopol mit der Umgebung, wo eigene Machtorgane agieren, die ihre Loyalität gegenüber Russland erklärt hatten. Gerade auf diesem Territorium befindet sich allem nach zu urteilen auch der einstige Abgeordnete der ukrainischen Werchowna Rada aus der Zeit vor den Maidan-Ereignissen Oleg Zarjow. Der 51jährige ist auch in den sozialen Netzwerken aktiv, jedoch aufgrund von konkreteren Anlässen. Beispielsweise wurde begonnen, gerade in seinem Namen Informationen zu verbreiten, dass sich ukrainische Emigranten bei russischen Militärbehörden als Freiwillige für die vom Kremlchef angeordnete Sonderoperation melden könnten, wobei nicht so sehr für militärische als vielmehr für zivile und Verwaltungsziele.

Zarjow alarmiert auch dahingehend, dass die Verteilung der humanitären Hilfe und die geringen Rubelsummen in keiner Weise die Probleme mit der Arbeitslosigkeit und dem Mangel an Lebensmitteln in den nach russischer Lesart befreiten Teilen der Ukraine lösen würden. Andererseits sind seine Behauptungen, dass entsprechende Militär- und zivile Verwaltungen etabliert werden würden, sagen wir einmal im Verwaltungsgebiet Tschernigow, bisher nicht bestätigt worden. Mehr noch, nach den Erklärungen des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu und des russischen Chefunterhändlers bei den Verhandlungen mit Kiew, Wladimir Medinskij, werden sie sicherlich auch bereits keine Bestätigung finden. Daher ist den prorussischen Aktivisten bisher vor allem die Diskussion über einen möglichen künftigen Staatsaufbau ihres Landes überlassen worden, über den es allem nach zu urteilen auch im Kreml bisher noch keine Vorstellung gibt.

***

Die potenzielle Veränderung der Lage in der Ukraine haben auch Autoren russischer gesellschaftspolitischer Telegram-Kanäle kommentiert. „Die ukrainische Position haben wir bei den Verhandlungen gehört. Kann man aber jetzt auch die russische hören?“, fragen die Autoren des Kanals „Gedanken laut geäußert“ (https://t.me/mysly). „Nach Punkten. Wie man vor nicht allzu kurzer auch die Vorschläge für den Westen zur Sicherheit (ultimativ – Anmerkung der Redaktion) bekanntgegeben hatte. Ja, es ist klar, dass eine öffentliche Bekanntgabe von Positionen während Verhandlungen üblicherweise nicht praktiziert wird. Aber die ukrainische Seite hat bereits darauf gespuckt. Folglich macht es auch für uns Sinn, im Rahmen des Prinzips der Gegenseitigkeit analog zu handeln. Zumal man die Gesellschaft beruhigen muss. Unsere Gesellschaft ist nach der Gorbatschow-„Diplomatie“ und ihrer Folgen eine verängstigte“.

„Man hört sich die Ukrainer nicht einfach so an. Die Bereitschaft zumindest sich irgendwie zu diesen Regionen zu einigen, zerstört die Ausgangsposition Kiews hinsichtlich der Unzerstörbarkeit ihrer Grenzen und treibt einen Keil zwischen ihm und den Radikalen. Außerdem bereitet die Position der Russischen Föderation die ukrainische Gesellschaft auf territoriale Verluste vor“, vermutet „Meister“ (https://t.me/maester).