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Während Peking Russland zulächelt, zieht es im Landesinnern die Daumenschrauben an


Die Dimension des chinesisch-russischen Zusammenwirkens dehne sich aus, sagte Zhang Guoqing, Vizepremier der Volksrepublik China gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin in Wladiwostok. Die Aufgabe, den Warenumsatz bis auf 200 Milliarden Dollar in diesem Jahr zu bringen, werde erreicht. Putin unterstrich den freundschaftlichen Charakter der persönlichen Beziehungen mit Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping. Dies helfe nach Aussagen eines Experten der „NG“, Meinungsverschiedenheiten zu lösen, wenn sie auf der Ebene von Beamten auftreten. Zur gleichen Zeit verschärfe Peking die Kontrolle der Gesellschaft durch die Partei, was aber die Beziehungen der Russischen Föderation und der Volksrepublik China nicht beeinflusse.

Wie Reuters erinnerte, hatte der Berater des russischen Präsidenten Jurij Uschakow gesagt, dass Putin sich angeschickt hätte, Peking auf Einladung von Xi im Oktober während des Forums „Ein Gürtel und eine Straße“ zu besuchen. Aber zu dieser Veranstaltung werden Staats- und Regierungschefs von etwa 90 Ländern kommen. Wird dies nicht den Besuch des russischen Staatsoberhauptes etwas in den Hintergrund rücken? Schließlich hatte keiner, als Xi im März dieses Jahres nach Moskau gekommen war, die Aufmerksamkeit von diesem Ereignis ablenken können. Man hatte ihn in der ganzen Welt erörtert.

Die „Financial Times“ verknüpft die russisch-chinesischen Kontakte in Wladiwostok mit einer neuen Verhärtung der Außenpolitik der Volksrepublik China. Das Fernbleiben von Xi beim G-20-Gipfel und den Tagungen der ASEAN in Indonesien im September bedeutet, dass Chinas Staatsoberhaupt auch im Weiteren immer häufiger einer Teilnahme an internationalen Konferenzen ausweichen wird. Dies führt aber zur Verringerung des internationalen Einflusses von Peking und wird die Gespräche mit ihm erschweren.

Da Xi sich immer mehr auf die Berichte von Diplomaten und nicht auf persönliche Kontakte stützen wird, wird sich das Niveau des Treffens von Entscheidungen durch ihn verschlechtern. „China wird zu einem weniger flexiblen Partner bei internationalen Summits. Und im Ergebnis dessen wird sich ihr Wert für die Staats- und Regierungschefs der führenden Staaten verringern. Dies ist jener Fall, in dem alle verlieren“, meint das Blatt.

Wie sich aber aus Veröffentlichungen der chinesischen Presse ergibt, erfolgten die russisch-chinesischen Kontakte in Wladiwostok vor dem Hintergrund einer Jagd auf ausländische Spione und der Verstärkung einer Kontrolle der Gesellschaft durch die Partei in der Volksrepublik China an sich. Als markanteste Bestätigung dafür dient das Gerichtsurteil (lebenslängliche Haft) gegen John Shing-wan Leung, einem 78jährigen Einwohner von Hongkong, aufgrund von angeblicher Spionage für den CIA. Die Agentenkarriere dieses Mannes habe über 30 Jahre gedauert, erklärte das chinesische Ministerium für Staatssicherheit. Leung sei in die USA ausgereist und habe dort 1983 ein Restaurant eröffnet. Agenten der US-amerikanischen Aufklärung hätten ihn aufgesucht und eine Zusammenarbeit angeboten. 1989 habe er eine „Vereinbarung über eine Zusammenarbeit“ unterschrieben. Dem Informator habe man ein Honorar von 1000 US-Dollar im Monat plus zusätzliche Bonusse für eine erfolgreiche Arbeit festgelegt. Im gleichen Jahr hatte Leung die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten erhalten. Amerikanische Beamte schufen ihm eine Legende, wobei sie behaupteten, dass er in einer Universität in Großbritannien studiert, als Mitarbeiter der UNO gearbeitet und in Vietnam gekämpft hätte. Ihm hatte man gleichfalls Titel eines Ehrenpräsidenten von Organisationen der chinesischen Diaspora verliehen. So soll Leung viele Aufklärungsdaten über China gesammelt haben. Im Jahr 2020 schickten die USA Leung nach China. Er soll sich bemüht haben, Kontakt mit Menschen unterschiedlicher Berufe aufzunehmen. Im Jahr darauf wurde er durch das Ministerium für Staatssicherheit festgenommen. Und im Mai dieses Jahres wurde das Urteil gegen ihn gefällt. Li Haidong, Professor an der Chinesischen Universität für internationale Beziehungen, erklärte, dass „dieser Case demonstriert, was für eine Gefahr für die Sicherheit des Landes die Menschen darstellen, die der CIA einschleust. Diejenigen, die sich mit derartigen Angelegenheiten befassen, sollen eine Selbstanalyse vornehmen und sich den Behörden stellen“.

Die „New York Times“ konzentrierte die Aufmerksamkeit auf die Arbeitsbedingungen für die amerikanischen Konzerne in der Volksrepublik China. Laut ihren Angaben verliere Apple ca. 200 Milliarden Dollar an ihrer marktwirtschaftlichen Kapitalisierung aufgrund der Meldungen über Restriktionen für IPhones in China. Es kursierten Informationen, dass Peking den Beamten der Zentralregierung angewiesen habe, keine IPhones oder andere ausländische Telefone zu verwenden. Solch eine Anweisung hätten angeblich auch Unternehmen erhalten, die dem Staat gehören.

In einem Gespräch mit der „NG“ betonte Wassilij Kaschin, wissenschaftlicher Oberassistent der in Moskau ansässigen Hochschule für Wirtschaftswissenschaften: „Die Verstärkung der Kontrolle der Gesellschaft durch die Kommunistische Partei, genauso wie auch einer Kontrolle von ausländischen Gadgets sowie der Kampf gegen Spione in der Volksrepublik China übt keinerlei Einfluss auf die russisch-chinesischen Beziehungen aus. Dies ist eine standardmäßige Reaktion auf die Belastung der internationalen Atmosphäre. Andererseits geht es in den Beziehungen großer Staaten nicht ohne irgendwelche einzelnen Probleme und Widersprüche ab. Aber unter den Bedingungen der militärischen Sonderoperation (Russlands in der Ukraine – Anmerkung der Redaktion) spielen die Beziehungen mit China eine gewaltige Rolle. China leistet einen großen Beitrag zur Unterstützung für Russland, vor allem in der Wirtschaft. Wenn man bei internationalen Foren über Russland zu reden beginnt, verhalten sich die Chinesen zurückhaltend, womit sie uns helfen. Je schlechter die Beziehungen Chinas mit den USA sind, desto umfangreicher ist das Sortiment unterschiedlicher Erzeugnisse, die uns die Chinesen liefern. Freilich, offiziell werden die russisch-chinesischen Beziehungen nicht auf der Grundlage eines Kampfes gegen irgendwen, darunter gegen die USA gestaltet. Was die persönlichen Beziehungen angeht, so waren sie auch zwischen Boris Jelzin und Jiang Zemin, den Staatsoberhäuptern der 1990er, freundschaftliche. Und heute helfen solche Beziehungen der Staatschefs die Meinungsverschiedenheiten zu regeln, die sich auf einer unteren Ebene ergeben“.