Am Freitag veröffentlichte die Moskauer Stiftung „Öffentliche Meinung“ neue Zahlen aus einer Umfrage zu den wichtigsten Ereignissen der vergangenen Woche aus der Sicht der Bürger Russlands. An erster Stelle lag dabei die militärische Sonderoperation Russlands gegen die Ukraine mit 28 Prozent. Mit einem großen Abstand folgen an zweiter Stelle die russisch-ukrainischen Friedensgespräche in Istanbul vom 2. Juni (11 Prozent). Sie dauerten etwa eine Stunde am Ufer des Bosporus, obgleich viele Beobachter befürchtet hatten, dass sie überhaupt nicht erfolgen werden. Der Grund: Die ukrainischen Attacken gegen Objekte auf russischem Territorium am vorherigen Wochenende. Zwei Brücken in den Verwaltungsgebieten Brjansk und Kursk waren Ziele der Angriffe — mit mehreren Toten unter den Passagieren eines Personenzuges und dutzenden Verletzten, aber auch vier Militärflugplätze weit im Landesinnern. Auf denen wurde laut unterschiedlichen Angaben ein erheblicher Schaden den strategischen Luftstreitkräften Russlands zugefügt, wobei sich die Zahlen der vernichteten und beschädigten Militärjets je nach Quelle unterscheiden. Wahrlich kein guter Hintergrund für die Gespräche der beiden Delegationen, geleitet durch den Berater des russischen Präsidenten, Wladimir Medinskij, und den ukrainischen Verteidigungsminister Rustem Umerov. Dazu kam noch der Umstand, dass Moskau seine Variante für ein Memorandum zur Regelung der Ukraine-Krise nicht vorab Kiew vorlegen wollte (im Unterschied zur ukrainischen Seite, die Ende Mai ihre Variante Russland übergeben hatte). Folglich kamen die Unterhändler aus der Ukraine hinsichtlich dieses Dokuments unvorbereitet an den Verhandlungstisch. Offen ist nun, wann beide Seiten ihre Meinungen zu den Varianten für das Memorandum bekanntgeben. Eventuell in der dritten Juni-Dekade, wie gemunkelt wird. Herumgerätselt wird gleichfalls, wie Moskau auf die Angriffe von Anfang Juni reagieren wird. Kremlsprecher Dmitrij Peskow erklärte in dieser Woche, dass man eine Verurteilung der ukrainischen Attacken auch durch den Westen erwarte. Und Präsident Wladimir Putin betonte, dass es auf jeden Fall eine Antwort geben wird. In welchem Umfang und mit welchen Waffen – dies werde mit dem Verteidigungsministerium abgestimmt. In der Moskauer Presse deutete man beispielsweise an, dass zum Beispiel das neue russische Waffensystem Oreschnik (deutsch: Haselnussbaum) eingesetzt werden könne. Interessant ist im Übrigen, dass US-Präsident Donald Trump im Verlauf seines jüngsten Telefonats mit dem Kremlchef am 4. Juni (es war das vierte seit Beginn seiner zweiten Amtszeit) versucht hat, Putin zu überreden, nicht auf die ukrainischen Schläge gegen russische Militärflugplätze zu antworten. Aus der Sicht Russlands – ein Unding. Alle warten nun auf die massive Antwort der russischen Militärs, die möglicherweise nach dem für den 7. bis 9. Juni angekündigten Gefangenenaustausch gemäß der Formel 500 gegen 500 erfolgen wird. Bis dahin wird das Studium der Varianten Russlands und der Ukraine für ein angestrebtes Memorandum fortgesetzt werden, obgleich aus Kiew zu vernehmen war, dass man die russische Variante als ein Ultimatum betrachte. Die Redaktion „NG Deutschland“ hat eine Übersetzung des russischen Texts vorbereitet, so dass sich unsere Leser selbst eine Vorstellung davon machen können, was für eine Tonart angeschlagen und welche Forderungen aus Moskau formuliert wurden. „Vorschläge der Russischen Föderation (Memorandum) zur Regelung der Ukraine-Krise Abschnitt I Hauptparameter für eine endgültige Regelung 1) Völkerrechtliche Anerkennung der Aufnahme in den Bestand der Russischen Föderation… …der Krim, der Lugansker Volksrepublik, der Donezker Volksrepublik, der Verwaltungsgebiete Saporoschje und Cherson; vollständiger Abzug der Einheiten der Streitkräfte der Ukraine und anderer militärischer Formationen der Ukraine von deren Territorien; 2) Neutralität der Ukraine, die deren Verzicht auf einen Beitritt zu Militärbündnissen und -koalitionen, aber auch ein Verbot für jegliche militärische Tätigkeit dritter Staaten auf dem Territorium der Ukraine und eine Stationierung ausländischer bewaffneter Formationen, Militärstützpunkte und einer militärischen Infrastruktur dort vorsieht; 3) Beendigung der Gültigkeit internationaler Verträge und Abkommen, die mit den Bestimmungen des Pkt. 2 des vorliegenden Abschnitts unvereinbar sind, und Verzicht des Abschlusses solcher in der Zukunft; 4) Bestätigung des Status der Ukraine als ein Staat, der über keine nuklearen und andere Massenvernichtungsmittel verfügt, mit Festlegung eines direkten Verbots für deren Aufnahme, Transit und Stationierung auf dem Territorium der Ukraine; 5) Festlegung einer maximalen Personalstärke der Streitkräfte der Ukraine und anderer militärischer Formationen der Ukraine; einer maximalen Anzahl von Waffen und Gefechtstechnik sowie deren zulässigen Charakteristika; Auflösung der ukrainischen nationalistischen Formationen im Bestand der Streitkräfte der Ukraine und der Nationalgarde; 6) Gewährleistung des vollen Umfangs der Rechte, Freiheiten und Interessen der russischen und der russischsprachigen Bevölkerung; Verleihung der Status einer offiziellen Sprache für die russische Sprache; 7) gesetzliches Verbot einer Heroisierung und Propagierung von Nazismus und Neonazismus, Auflösung der nationalistischen Organisationen und Parteien; 8) Aufhebung aller geltenden und Verzicht auf die Verhängung neuer Wirtschaftssanktionen, Verbote und restriktiver Maßnahmen zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine; 9) Klärung des Komplexes von Fragen, die mit der Wiedervereinigung von Familien und mit Vertriebenen zusammenhängen; 10) Verzicht auf gegenseitige Ansprüche im Zusammenhang mit dem während der Kampfhandlungen zugefügten Schaden; 11) Aufhebung der Beschränkungen hinsichtlich der Ukrainischen orthodoxen Kirche; 12) schrittweise Wiederherstellung der diplomatischen und Wirtschaftsbeziehungen (inklusive des Gastransits), der Transport- und anderer Verbindungen, darunter mit dritten Staaten; Abschnitt II Bedingungen für eine Feuereinstellung Variante 1. Beginn des vollständigen Abzugs der Streitkräfte der Ukraine und anderer militärischer Formationen der Ukraine vom Territorium der Russischen Föderation, inklusive der Donezker Volksrepublik, der Lugansker Volksrepublik, der Verwaltungsgebiete Saporoschje und Cherson, und deren Abzug bis auf eine durch die Seiten abgestimmte Entfernung von den Grenzen der Russischen Föderation entsprechend einer bestätigten Bestimmung. Variante 2. „Paketvorschlag“: 1) Verbot für eine Neudislozierung der Streitkräfte der Ukraine und anderer militärischer Formationen der Ukraine mit Ausnahme von Bewegungen zwecks Abzug von den Grenzen der Russischen Föderation bis auf eine durch die Seiten abgestimmte Entfernung; 2) Beendigung der Mobilmachung und Beginn einer Demobilisierung; 3) Einstellung ausländischer Lieferungen von Erzeugnissen für militärische Zwecke und ausländischer Militärhilfe für die Ukraine, inklusive der Gewährung von Leistungen von Satellitenverbindungen und Bereitstellung von Aufklärungsdaten; 4) Ausschluss einer militärischen Präsenz von Drittländern auf dem Territorium der Ukraine, Einstellung der Beteiligung ausländischer Spezialisten an Kampfhandlungen auf der Seite der Ukraine; 5) Garantien für einen Verzicht der Ukraine auf eine Diversions- und Wühltätigkeit gegen die Russische Föderation und deren Bürger; 6) Schaffung eines bilateralen Zentrums für ein Monitoring und die Kontrolle des Regimes der Feuereinstellung; 7) gegenseitige Amnestie für „politische Häftlinge“ und Freilassung festgehaltener Zivilisten; 8) Aufhebung des Kriegszustands in der Ukraine; 9) Bekanntgabe eines Datums für die Abhaltung von Wahlen des Präsidenten der Ukraine und der Werchowna Rada, die nicht später als nach 100 Tagen nach Aufhebung des Kriegszustands stattfinden müssen; 10) Unterzeichnung eines Abkommens über die Umsetzung der Bestimmungen, die im Abschnitt I enthalten sind. Abschnitt III Reihenfolge der Schritte und Zeiträume für ihre Vornahme 1) Beginn der Arbeit am Text eines Vertrages; 2) Bekanntgabe eines 2- bis 3-tägigen Waffenstillstands für das Einsammeln von Leichen Gefallener in der „Grauzone“; 3) einseitige Übergabe an die ukrainische Seite von 6000 Leichen von Militärs der Streitkräfte der Ukraine; 4) Unterzeichnung eines Memorandums über eine Feuereinstellung mit konkreten Daten für die Umsetzung all seiner Festlegungen und Bestimmung eines Datums für die Unterzeichnung eines künftigen Vertrags über eine endgültige Konfliktregelung (im Weiteren – Vertrag); 5) ab dem Zeitpunkt des Beginns des Abzugs der Streitkräfte der Ukraine wird ein 30-tägiges Feuereinstellungsregime festgelegt. Dabei müssen der vollständige Abzug der Truppenteile der Streitkräfte der Ukraine vom Territorium der Russischen Föderation und die vollständige Umsetzung eines Paketabkommens“ innerhalb dieser 30 Tage vorgenommen werden. 6) Abhaltung von Wahlen, Bildung von Machtorganen auf dem Territorium der Ukraine; 7) Unterzeichnung des Vertrags; 8) Billigung des unterzeichneten Vertrags durch eine juristisch verbindliche Resolution des Sicherheitsrates der UNO; 9) Ratifizierung. Inkrafttreten und Realisierung des Vertrags“.
Wann wird Präsident Putin auf die ukrainischen Attacken gegen russische Militärflugplätze antworten?
14:23 6.06.2025