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Warum die armenischen „Iskander“-Raketen nicht geflogen sind


Premierminister Nikol Paschinian erklärte, dass die russischen Waffen während des Krieges in Bergkarabach ihre Wirkungslosigkeit demonstriert hätten. Die russischen operativ-taktischen „Iskander“-Komplexe hätten „nur zu ganzen zehn Prozent“ funktioniert. Im Ergebnis dessen hätte Armenien alle Errungenschaften der 1990er Jahre verloren, als Jerewan nach Meinung des Premiers die territoriale Integrität im Streit mit Baku wiederhergestellt hätte. Übrigens, in den 30 Jahren des Besitzes dieser Gebiete hat Armenien sie nicht als die seinigen anerkannt.

Nikol Wowajewitsch (Paschinian) ist ein Mehrvektoren-Politiker. Er ist mit dem Westen befreundet, empfängt aber aus dem Osten militärische Hilfe. Dies ist vor allem der mit dem Alexander-Newskij-Orden ausgezeichnete 102. Militärstützpunkt in Gjumri, aber auch der Flugplatz „Erebuni“, wo russische Kampfflugzeuge stationiert sind. Dies sind Waffen, die Jerewan im Rahmen der Organisation des kollektiven Sicherheitsvertrages zu russischen Inlandseinkaufspreisen erwerben kann. Und zu einer bestimmten Zeit der Herausbildung als Staat hat es sie überhaupt kostenlos erhalten. Die operativ-taktischen „Iskander“-Komplexe hatte man den Armeniern als erste unter den Verbündeten innerhalb der Organisation des kollektiven Sicherheitsvertrages geliefert. Sie hat bisher nicht einmal Alexander Lukaschenko. Obgleich er sie sehr haben wollte.

„Iskander“ ist eine mobile Startanlage mit zwei ballistischen Raketen. Die Zeit für ihre Entfaltung beträgt wenige Minuten. Die Reichweite beträgt 500 Kilometer. In einer der Varianten wird der Komplex mit zwei Flügelraketen großer Reichweite bestückt. Letztere erlauben, nicht nur Bodenobjekte zu treffen, sondern auch als Waffe gegen Schiffe eingesetzt zu werden. Auf dem Gefechtsfeld ist der Komplex unabhängig vom Vorhandensein von Aufklärungssatelliten oder der Luftwaffe. Die Zielanweisung für ihn kann sowohl von einer speziellen Truppenaufklärungsmaschine, von einem Soldaten in der Eigenschaft eines Artilleriefeuerrichtschützens als auch von einem Foto der Lage des Ziels im Territorium, das direkt an der Gefechtsposition per Scanner in den Bordrechner des Komplexes eingelesen wird, erhalten werden. Danach ist die Anlage gefechtsbereit. Es öffnen sich die Klappen des Fahrzeugaufbaus, die Startführungsschiene wird angehoben, und es erfolgt das Abfeuern der ersten Raketen, und nach weniger als einer Minute – der zweiten.

Zum Ziel der Rakete führt ein autonomer Selbstsuch-Funkkopf vom Korrelationstyp (wobei ein Gelände- und Kontur-Abgleich erfolgt – Anmerkung der Redaktion), der in seiner Konstruktion sowohl eine Zielsuch-Radarstation als auch ein System zur optischen Zielsuche verwendet. Derartige Prinzipien sind in den modernsten US-amerikanischen Flügelraketen Tomahawk und CALCM realisiert worden. Wie sie funktionieren, haben viele in Reportagen US-amerikanischer TV-Sender aus dem Irak, aus Jugoslawien und Syrien gesehen.

Derweil hat das russische Verteidigungsministerium erklärt, dass die „Iskander“-Komplexe im Verlauf des Karabach-Krieges… gar nicht eingesetzt worden seien.

Allerdings besteht das Wesen in einer anderen Sache. Die Superwaffe besitzend, hatte sich Jerewan nicht entschlossen, sie im Verlauf des Krieges in Bergkarabach einzusetzen. Andernfalls hätten die aserbaidschanischen Militärs mit Freude die nicht explodierten oder nicht bis zum Ziel gelangten russischen Raketen gezeigt. Im Internet gibt es keine solchen Bilder.

Mit der Kritik an den russischen Waffen sucht Herr Paschinian seine eigenen Fehler zu rechtfertigen. Die Nichtbereitschaft der Armee zu einer Abwehr der Aggression, die Unentschlossenheit beim Einsatz der Waffensysteme, die in der Lage sind, den Verlauf von militärischen Konflikten radikal zu beeinflussen. Der Grund ist banal: Es ist der Versuch, gleich auf zwei Stühlen zu sitzen. Hätte Armenien die „Iskander“-Komplexe eingesetzt, wäre der Westen zornig geworden. Russland aber werde alles dulden. Ja, nur der Zeitpunkt für das Statement über die Nutzlosigkeit dessen militärischer Hilfe war unglücklich ausgewählt worden.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten hat in dieser Zeit die Waffenmesse für Landstreitkräfte IDEX 2021 stattgefunden, ein wichtiges internationales Forum für die russischen Waffenbauer. Auf ihr wurden neueste russische Waffen vorgestellt, zum Beispiel der Panzer T-14 „Armata“. Nikol Paschinian hatte alles Mögliche getan, dass sowohl die Freundschaft mit Moskau, das faktisch Bergkarabach vor einer aserbaidschanischen Übernahme gerettet hat, als auch die Präsentation des perspektivreichen russischen Panzers vor die Hunde gegangen sind.