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Warum es wichtig ist, die Erinnerungen an die einstigen russisch-deutschen Kontakte zu bewahren


In Sankt Petersburg ist am 30. Juli ein Denkmal für einen Prinzen des Herzogtums Oldenburg enthüllt worden. Bemerkenswert ist, dass es gerade zu einer Zeit der Öffentlichkeit präsentiert wurde, in der der Botschafter der BRD in Moskau Géza Andreas von Geyr, der die russische Hauptstadt verlässt, bei seinem Abschiedsempfang erklärte: „Russland möchte sich vom Westen, also von uns isolieren“.

Es steht außer Zweifel, dass der 24. Februar 2022 die Welt geteilt und das menschliche Wesen vieler Bürger Russlands und Deutscher offenbart hat. Das Problem des friedlichen Zusammenlebens, über das der Botschafter sprach, tangiert das weltanschauliche Wesen und die Herangehensweise an die Werte, die sich für die liberalen Demokratien des Westens und das heutige Russland als unterschiedliche erwiesen haben. Und das Begreifen des kompromisslosen Charakters des Kampfes zwischen diesen Werten durch den Westen, darunter auch durch die in Deutschland regierenden Parteien, erinnert in Vielem an die Situation vor Beginn der Umsetzung der neuen Ostpolitik von Willy Brandt, der in den 1970er Jahren sein Verständnis für die damaligen westlichen Werte in den Hintergrund stellen konnte.

Wir können nicht jene Tat des westdeutschen Bundeskanzlers und die Verewigung der Erinnerungen an den Prinzen (Konstantin Friedrich) Peter von Oldenburg (russische Version: Pjotr Georgijewitsch) in Russland vergleichen. Dies sind Ereignisse unterschiedlichen Maßstabs. Aber das Gemeinsame für sie ist der Versuch, den Dialog zu bewahren. Gerade so sollte auch die Einweihung dieses Denkmals heute verstanden werden.

Es sei daran erinnert, dass vor einigen Jahren das Komitee für Städtebau und Architektur der (Stadt-) Regierung von Sankt Petersburg an die Adresse des Vorsitzenden der internationalen gesellschaftlichen Organisation „Kaiserliche Orthodoxe Palästina-Gesellschaft“, an Sergej Stepaschin, ein Schreiben gesandt hatte, in dem mitgeteilt worden war, dass die Frage einer Verewigung der Erinnerungen an Prinz Peter von Oldenburg positiv entschieden worden sei. Auftraggeber für die Ausführung der Arbeiten zur Projektierung, Herstellung und Aufstellung des Denkmals ist die Internationale karitative D.-S.-Lichatschow-Stiftung. Aufgestellt wurde das Denkmal, wie aus einem Schreiben des Vorsitzenden des Komitees für Gesundheitswesen der Regierung von Sankt Petersburg, in einer Nische, die durch die Umzäunung des städtischen Marinskij-Krankenhauses gebildet wird. Es muss angemerkt werden, dass das projektierte Denkmal im Grunde genommen eine Kopie ist. Das Original war am 17. Juni 1889 in Sankt Petersburg vor der Hauptfassade des Marinskij-Krankenhauses enthüllt worden. Das Denkmal befand sich vor der Umzäunung des Krankenhauses seitens des Liteiny-Prospekts und war mit dem Gesicht der Straße zugewandt. Entfernt wurde es 1930 auf der Grundlage eines Dekrets vom 12. April 1918.

Nach der Oktoberrevolution hatten die Bolschewiken beschlossen, dass man in Russland alle Denkmäler für „Zaren und deren Bediensteten“ vernichten müsse. Am 12. April formulierten sie eine legitime Grundlage für den Abriss der entsprechenden Monumente. Zu der wurde das Dekret des Rates der Volkskommissare (RVK) der RSFSR „Über die Denkmäler der Republik“. Das Dokument hatten Wladimir Lenin, Anatolij Lunatscharskij, Iosif Stalin und der Sekretär des RVK, Nikolaj Gorbunow. 1929 hatte der Vertreter des Volkskommissariats für Bildungswesen in Leningrad, Boris Posern, vor dem Präsidium des Leningrader Stadtsowjets die Frage „nach einer Entfernung des Denkmals für den Prinzen (Peter) von Oldenburg am Wolodarskij-Prospekt und dessen Büste am Warschauer Bahnhof aufgeworfen. Diesen Vorschlag begründete er auf folgende Art und Weise:

„Der Prinz von Oldenburg war ein angesehener, aber kein reicher. Und nachdem er die Etablierung von karitativen Einrichtungen zu seinem „Beruf“ gemacht hatte, hat er sie mit Erfolg geplündert. Ein Verbleib seiner Denkmäler auf den Straßen von Leningrad ist völlig unangebracht“.

Für den Uneingeweihten ergeben sich Fragen: Wer ist dieser Prinz von Oldenburg? Und warum verewigt man in Russland erneut die Erinnerungen an ihn? (Konstantin Friedrich) Peter von Oldenburg gilt als ein russischer Militär und Staatsbeamter sowie Angehöriger des russischen Zarenhofs. Er ist ein Enkel von Zar Pawel I. Obgleich Prinz Peter Georgijewitsch am 14. August 1812 in Jaroslawl geboren wurde und in der frühen Kindheit am Hof von Zarin Maria Fjodorowna erzogen wurde, kam Peter nach der zweiten Eheschließung der Mutter (die zur Gattin des Königs von Württemberg geworden war) mit Bruder Alexander (1810-1829) nach Deutschland, nach Stuttgart.

Nach dem Ableben der Mutter fand sich Peter in Oldenburg wieder, beim Großvater, dem Regenten des Großherzogtums Oldenburg. Neben einer militärischen erhielt Peter eine juristische Ausbildung. Ihm hatte man die russische Geschichte gelehrt. Er beherrschte Griechisch und Latein. Im Weiteren erwarb Prinz Peter Georgijewitsch den wissenschaftlichen Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften. Als Griechenland sich von dem Jahrhunderte langen währenden Osmanischen Joch befreit hatte, wurde die Frage nach einer Kandidatur von Peter von Oldenburg für den griechischen Thron aufgeworfen. Aber er musste nicht zum König der Hellenen werden. Zar Nikolaj I. holte 1830 den Neffen zum Dienst nach Russland.

Seitdem hatte das Schicksal die Vertreter des Großherzogtums von Oldenburg mit Russland verbunden. Mit dem Marinskij-Krankenhaus verband den Prinzen eine Wohltätigkeitstätigkeit. Ab 1839 hatte sich dieses Krankenhaus für Arme unter seiner Schirmherrschaft befunden. Es wurde erweitert, und bei ihm wurde die beste Apotheke der Stadt organisiert. Mit seinen Geldern wurde gleichfalls ein Kinderkrankenhaus geschaffen (das heutige Carl-Andreas-Rauchfuss-Krankenhaus).

Lassen wir aber die kränkenden Worte über den Prinzen auf dem Gewissen der damaligen bolschewistischen Propagandisten. Der radikale Flügel der russischen Sozialdemokraten, die in Russland die Macht ergriffen hatten, setzte auf ein Anschwärzen seiner politischen Gegner. Zu denen hatte man zweifellos auch alle Anhänger des zaristischen Regimes gerechnet. Die Geschichte belegt jedoch, dass der Prinz all sein Vermögen für eine karitative Tätigkeit eingesetzt hatte.

Vor einigen Jahren hatte die Stiftung von Oleg Deripaska „Freie Sache“ an der Durchführung von Jubiläumsveranstaltungen zu Ehren des 200. Geburtstages des herausragenden russischen Mäzens, des Prinzen Peter von Oldenburg (1812-1881) teilgenommen. Im Rahmen der Veranstaltungen wurde an der Stelle der Familiengruft der Oldenburger im Sergius-Mönchskloster zur Heiligen Dreifaltigkeit in Strelna feierlich eine Büste für den Prinzen enthüllt. An der Zeremonie hatten seine Hoheit Huno, Herzog von Oldenburg mit Gattin Felicitas, Vertreter der Oldenburgisch-russischen Gesellschaft (aus der Bundesrepublik), aber auch der Gesellschaft der Freunde des Hauses Oldenburg, die die „Erben“ der Betreuten der Einrichtungen des Prinzen und seiner Familie vereint, teilgenommen. Die Präsentation des Buches „Prinz Peter Georgijewitsch von Oldenburg“, das mit Unterstützung der Stiftung herausgegeben wurde, erfolgte in der Russischen Nationalbibliothek und im Sankt Petersburger P.-G.-Oldenburg-Institut für Rechtswissenschaften.

Die Wiederherstellung des Denkmals und die Jubiläumsveranstaltungen, die mit dem Namen des Prinzen von Oldenburg verbunden waren, besitzen heute auch einen anderen wichtigen Aspekt. Es geht um ein Erinnern der Nachfahren an die überaus engen Verbindungen Russlands und Deutschlands in der Vergangenheit und vor diesem Hintergrund der Bedeutung der heutigen russisch-deutschen Beziehungen für die Zukunft Europas.