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Warum man Russland nicht die Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat nehmen kann


Russland erhielt einen Sitz im Sicherheitsrat der UNO absolut legitim, dem auch die Ukraine beipflichtete. Dies erklärte am Montag der ständige Vertreter der Russischen Föderation bei der UNO, Wassilij Nebensja, auf einer Pressekonferenz in New York bei der Beantwortung der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Präsenz unseres Landes im Sicherheitsrat. „Wir haben ihn erhalten, nachdem wir als Fortsetzer der Sowjetunion mit allen Bezeichnungen und Pflichten, die dazu gehören, anerkannt wurden. Diesbezüglich gab es ein Abkommen mit allen früheren Mitgliedsstaaten der Sowjetunion, darunter mit der Ukraine“, präzisierte er.

Solche Erklärungen mussten vorgenommen werden, weil in der Ukraine und im Westen eine mächtige antirussische Kampagne im Zusammenhang mit dem Vorsitz Russlands im Sicherheitsrat im April losgetreten wurde. Die Rotation wird durch die „Zeitweiligen Regeln für das Prozedere des Sicherheitsrates“ vorgesehen, denen entsprechend eines der 15 Mitglieder des Sicherheitsrates dieses Amt im Verlauf eines Monats entsprechend einer Reihenfolge einnimmt, die in alphabetischer Ordnung gemäß der englischsprachigen Bezeichnung des Landes festgelegt worden ist. Und es gibt da keinerlei politische Komponente. Vor Russland hatte im März Mozambique den Vorsitz im Sicherheitsrat inne.

In der Regel löst solch eine Rotation keine Diskussionen aus. Dieses Mal jedoch ist ihr verstärkte, wenn nicht gar eine skandalöse Aufmerksamkeit geschenkt worden. Unter den Gründen sind die anhaltenden Kampfhandlungen in der Ukraine und die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofes, einen Haftbefehl in Bezug auf den Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin und die Kinder-Ombudsfrau Russlands Maria Lwowa-Belowa auszustellen. Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij sprach von einer „Absurdität“ der Übernahme des Vorsitzes im Sicherheitsrat durch die Russische Föderation, die eine „vollkommene Insolvenz“ der UNO belege. Der ukrainische Außenminister Dmitrij Kuleba bezeichnete dieses Ereignis als den schlechtesten Aprilscherz und eine Ohrfeige für die internationale Staatengemeinschaft. Er rief alle übrigen Mitglieder des Sicherheitsrates, jegliche Versuche Moskaus zu durchkreuzen, seine Stellung zu missbrauchen, und sogar zu einem Boykott auf. Dafür ist es erforderlich, dass sieben Mitglieder des Sicherheitsrates bei jeder Tagung unter dem Vorsitz Russlands fehlen. Dann kann der Sicherheitsrat nicht eine einzige Resolution verabschieden, und die Arbeit des Hauptorgans der Vereinten Nationen kommt zum Stillstand.

Seit Beginn der militärischen Sonderoperation der Russischen Föderation in der Ukraine wurden gleichfalls mehrfach die Appelle laut, Russland aus dem Sicherheitsrat auszuschließen und ihm das Vetorecht zu nehmen. Angesichts der militärischen Sonderoperation, die bereits den 406. Tag andauert, haben amerikanische Kongress-Vertreter eine entsprechende Resolution verfasst. Charles Michel, der Präsident des Europäischen Rates, forderte auf, einen Mechanismus für ein Aussetzung der Mitgliedschaft Russlands im Sicherheitsrat auszuarbeiten, wobei er Moskau einer Verletzung des Völkerrechts bezichtigte. Dabei gesteht man in Washington und Brüssel ein, dass es bisher schwierig sei, die Russische Föderation aus dem Sicherheitsrat auszuschließen, da solch ein Schritt „das Sicherheitskonzept der UNO an sich in eine Sackgasse führt“.

Und der ständige Vertreter der Ukraine bei der UNO, Sergej Kisliza, ist in Co-Autorenschaft mit Professor Jeffrey Sonnenberg von der Yale-Universität in einem jüngsten Beitrag für das Magazin „Time“ weiter gegangen, indem beide einen 3-Etappen-Plan für einen Ausschluss der Russischen Föderation nicht nur aus dem Sicherheitsrat, sondern auch aus der Vollversammlung der UNO unterbreiteten. Und der Ex-US-Botschafter in Moskau, Jon Huntsman, hielt es für zeitgemäß, Russland zu übergehen und den Vorsitz im Sicherheitsrat von Mozambique sofort an die Schweiz zu übergeben, die entsprechend dem Rotationsprinzip im Mai den Sicherheitsrat leiten sollte.

Appelliert wird auch daran, dass Russland angeblich nicht über ein hinreichendes wirtschaftliches Gewicht verfüge, um ständiges Mitglied des Sicherheitsrates zu bleiben. Sonnenberg verwies darauf, dass der russische Beitrag zum UNO-Etat ganze zwei Prozent ausmache, weniger als die Hälfte des Beitrags von Italien. Und für einen Vergleich werden die Anteile der USA und Chinas am Haushalt der Weltorganisation angeführt – 22 und 12 Prozent.

Derartige „Herangehensweisen“ kann man für Moskau nicht als etwas Neues bezeichnen. Und diejenigen, die aufrufen, Russland seinen legitimen Rechtsstatus zu nehmen, sind ausgezeichnet über die rechtliche Seite der Frage informiert. Ein Ausschluss Russlands als Rechtsnachfolger der UdSSR aus dem Sicherheitsrat ist ohne die Vornahme von Änderungen an der UNO-Charta unmöglich. Wie es auch unmöglich ist, Russland das Recht zu nehmen, den Vorsitz in diesem Gremium zu führen. Ohne Russland verliert nicht nur die Tätigkeit des Sicherheitsrates, sondern auch insgesamt der UNO ihren Sinn. Dies aber wird eine Zerstörung der gesamten sich herausgebildeten, wenn auch nicht idealen Architektur der internationalen Beziehungen bedeuten