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Was stimmt nicht im Kampf gegen das Coronavirus?


Die Vakzinierung präsentiert man als eine Behandlung gegen COVID-19. Aber dem ist nicht so! Ein Vakzin ist ein effektives, aber lediglich eines der wichtigen Elemente im Kampf gegen die Pandemie. Im gesellschaftlichen Bewusstsein jedoch, ja und auch im Bewusstsein der Community der Wissenschaftsexperten erfolgte ein „Umswitchen“, eine Neubewertung und Neueinordnung: Man hat begonnen, Vakzine bestimmt mit Medikamenten zu assoziieren. Doch Vakzine heilen nicht, sie gewährleisten lediglich zusätzliche Schutzbarrieren und dementsprechend ein zusätzliches Maß an Freiheit für das Verhalten in der Gesellschaft.

Über Vakzine wissen wir bereits sehr viel. Sogar auf der Alltagsebene. Das US-amerikanische Bedeutungswörterbuch Merriam-Webster hat für die englische Sprache den Begriff „Vakzin“ zum Wort des Jahres 2021 erklärt („Wellenbrecher“ wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort dieses Jahres gekürt – Anmerkung der Redaktion). Die Anzahl der Suchanfragen entsprechend dem Wort „Vakzin“ ist um 601 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und um 1048 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019 angestiegen.

Ermittelt hat man die sozial-politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Vakzinierung gegen COVID-19. Bis Mitte Dezember haben die Bewohner unseres Planeten rund 8,5 Milliarden Impfstoff-Dosen erhalten. Das heißt: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Erde ist zumindest mit einer Komponente (einem Vektor) geimpft worden. Freilich, während in den entwickelten Ländern 65 Prozent der Bevölkerung vollkommen vakziniert worden sind, haben gerade einmal 4,1 Prozent der Bevölkerung in den ärmsten Ländern zumindest eine Dosis eines Vakzins erhalten. Und UNO-Experten haben berechnet, dass jede Million vakzinierter Menschen das globale BIP im Durchschnitt um fast acht Milliarden Dollar erhöht.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind allein in der Russischen Föderation sieben Vakzin-Präparate für die COVID-19-Prophylaxe registriert worden. Doch über genau solche effektiven Medikamente gibt es beinahe keine Informationen. Vor dem Hintergrund des Wettrennens bei der Entwicklung von Vakzinen sehen die „Abenteuer“ mit den klinischen Tests des einzigen russischen Antivirus-Präparates einer neuen Generation, das im Institut für organische Chemie der Ural-Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften entwickelt wurde, irgendwie merkwürdig aus. Derweil hat COVID-19 die Chance, „sich in eine gewöhnliche Grippe zu verwandeln“ (wie dies uns mehrere Experten bereits ganz am Anfang der Pandemie vorausgesagt hatten), aber nur unter der Bedingung der Entwicklung einer Antivirus-„Zaubertablette“, die gerade heilt. Das heißt, das Virus abtötet, das bereits in den Organismus eingedrungen ist.

Kommentare geben Epidemiologen, Molekular- und einfach Biologen, Immunologen, Virologen, sogar Physiker und Mathematiker… Die Chemiker verhalten sich erheblich bescheidener. Die alltägliche Frage „Wo ist die Tablette?“ bleibt vorerst unbeantwortet. Ja, und bei der wissenschaftlichen Dezember-Sitzung der Vollversammlung der Russischen Akademie der Wissenschaften, die vollkommen dem Problem des Kampfes gegen COVID-19 gewidmet war, sind zu konkreten Entwicklungsarbeiten oder zumindest zu den Richtungen, in deren Hinsicht Forschungsarbeiten für Präparate gegen COVID erfolgen, drei Vorträge gehalten worden. Insgesamt aber waren zu der Sitzung über 40 Beiträge angekündigt worden.

Weltweit nimmt die Zahl der Patente auf dem Gebiet der Pharmazeutik um vier Prozent im Jahr zu. In Russland stagniert praktisch dieser Wert die letzten zehn Jahre. Bei der Tagung des Präsidiums der Russischen Akademie der Wissenschaften vom 23. März 2021, die speziell der Entwicklung der Chemie und der chemischen Industrie gewidmet worden war, sind solche Zahlen genannt worden. Das Gesamtvolumen der weltweiten Chemieproduktion erreicht vier Billionen Dollar (8,3 Prozent des weltweiten BIP). Russland produziert chemische Erzeugnisse mit einem Wert von etwa 54 Milliarden Dollar. China kommt auf über eine Billion Dollar, die EU – auf 565 Milliarden und die USA – auf 530 Milliarden Dollar. China hat die Investitionen in die Chemie in den letzten zehn Jahren um mehr als das 3fache aufgestockt, die USA – um das 2fache. Der Anteil des Chemie-Komplexes am BIP Russlands liegt bei 1,1 Prozent (in China bei 8,9 Prozent, in Japan bei 8,2 Prozent, in der BRD bei 6,9 Prozent und in den USA bei 6,1 Prozent). „Der Zustand der Chemie-Industrie löst bereits aus der Sicht der nationalen Sicherheit Befürchtungen aus“, betonte Akademiemitglied Michail Jegorow. „So werden die meisten Waren, beispielsweise 100 Prozent der Katalysatoren und 90 Prozent der polymeren Materialien, aus dem Ausland eingeführt“.

Und dies ist nicht nur ein inneres Problem der Russischen Föderation. Der Zustand des Chemie-Komplexes des Landes ist möglicherweise eine der Ursachen dafür, dass sich die Weltgesundheitsorganisation in der Frage nach der Anerkennung der einheimischen Vakzine gegen COVID-19 so sträubt.