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Washington ist mit der Wirkung des Öl-Preisdeckels zufrieden


Die russischen Offiziellen versprechen bereits die zweite Woche, Antwortschritte auf die vom Westen eingeführte Obergrenze für Öl-Preise bekanntzugeben. Die Ergebnisse der ersten Woche des formellen Wirkens der Preis-Beschränkungen haben sich als widersprüchliche erwiesen Russland hat die Exportlieferungen dieses Rohstoffs erhöht, wobei fast 90 Prozent deren Umfangs auf Länder Asiens entfielen. Und amerikanische Beamte versichern, dass alle Restriktionen richtig, wie es auch konzipiert worden war, arbeiten würden. Die Erdöl-Händler versetzt die Situation ganz und gar in eine sackgassenartige. Die Lieferungen des russischen Erdöls erfolgen entsprechend von Forward- oder flexiblen Verträgen, bei denen der endgültige Preis für das Frachtgut erst nach einigen Wochen nach dessen Erwerb bestimmt wird.

Der Erlass des Präsidenten der Russischen Föderation über Antwortmaßnahmen im Zusammenhang mit der Einführung einer Obergrenze der Preise für russisches Erdöl werde in den nächsten Tagen veröffentlicht, teilte Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des russischen Staatsoberhauptes mit. Er betonte gleichfalls, dass der Präsident der Russischen Föderation dieser Tage gesagt hätte, dass die Antwortmaßnahmen Moskaus auf die Einführung eines Preisdeckels durch den Westen in Form eines Präsidentenerlasses ausformuliert werden würden.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Verbot für den Verkauf von Erdöl in dem Fall verhängt wird, wenn im Vertrag ein Land ausgewiesen wird, dass sich dem Preisdeckel angeschlossen hat. Oder wenn in den Verträgen eine Obergrenze als Bedingung für die Preisbildung vorkommt. Es ist aber recht wahrscheinlich, dass die russischen Beamten auch zahlreiche Ausnahmen bei einer direkten Genehmigung der Regierung vorsehen. „Die Aussetzung der Lieferungen per Pipeline – noch eine Variante, die der Kreml vorsieht – wird solchen Ländern wie der Slowakei, Ungarn und Tschechien einen Schaden zufügen, spielt aber anderen Auftraggebern von Pipelines in Europa in die Hand – Deutschland und Polen, die bereits Formen suchen, um den Import bis zum Jahresende zu stoppen“, meldet die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Vor mehr als einer Woche hat die Europäische Union eine Preisobergrenze für russisches Erdöl auf einem Stand von 60 Dollar je Barrel zusammen mit einem Embargo für russische Erdöllieferungen in europäische Länder zur Wirkung gebracht. Analoge Verbote verhängen auch die G-7-Länder (Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada, Frankreich, Japan und die USA) und Australien.

Das Embargo für russische Erdöllieferungen auf dem Seeweg in die Europäische Union ist am 5. Dezember in Kraft getreten. Die EU-Länder habe eine regulierbare Preisobergrenze für das russische Erdöl, das auf dem Seeweg geliefert wird, auf dem Stand von 60 Dollar je Barrel abgestimmt. Eine analoge Entscheidung haben die G-7-Staaten und Australien bekanntgegeben. Außerdem haben die westlichen Länder für ihre Unternehmen das Verbot verhängt, Transport-, Finanz- und Versicherungsleistungen in Bezug auf die Tanker zu gewähren, die Erdöl aus Russland zu einem Preis über dem abgestimmten Preisdeckel befördern.

Die russischen Offiziellen hatten mehrfach mitgeteilt, dass sie Antwortmaßnahmen vorbereiten würden. Der für den Energiesektor zuständige Vizepremier der Russischen Föderation, Alexander Nowak, hatte gesagt, dass Russland plane, bis Ende des Jahres 2022 einen Mechanismus zu schaffen und in Gang zu setzen, der russischen Unternehmen untersagt, mit Ländern im Rahmen einer preislichen Obergrenze einen Ölhandel zu betreiben. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte am 9. Dezember, dass die Versuche, eine Preisobergrenze für Erdöl festzulegen, Russland keinen Schaden zufügen würden. Nach seinen Worten „ist dies ein dummer Vorschlag, der nicht durchdacht ist und nicht durchgerechnet wurde“. Er bezeichnete die Einführung eines Preisdeckels für eine für die internationalen Energiemärkte schädliche Entscheidung.

Die US-amerikanischen Offiziellen versichern, dass der Preisdeckel funktioniere, wie es auch gedacht war. US-Finanzministerin Janet Yellen erklärte in einem Interview für den Fernsehkanal CBS, dass die vom Westen eingeleitete Politik für eine Preisobergrenze für russisches Erdöl bisher entsprechend den Erwartungen Washingtons wirke. „Das erste Ziel (der Politik des Preisdeckels – „NG“) ist eine Begrenzung des Gewinns, den Russland erhält… Das zweite Ziel besteht darin, dass wir wollen, dass russisches Erdöl weiterhin (auf den Markt – „NG“) kommt, denn Russland ist ein bedeutsamer Erdöllieferant für den Markt“ sagte sie. „Die ist eine neue Politik. Der Preisdeckel hat erst Anfang der Woche zu wirken begonnen. Ich würde aber sagen, dass bisher alles normal verläuft“, meinte die Finanzministerin.

Das von den westlichen Ländern eingeführte Limit habe bereits zu einem Rückgang der Preise für russisches Erdöl geführt. Mit solch einer Behauptung war am Montag der Sprecher des US-Außenministeriums Ned Price bei einem Briefing aufgetreten. „Wir haben dieses Preislimit eingeführt, damit der globale Energiemarkt weiterhin ein stabiler bleibt, wobei er der Russischen Föderation keine Einnahmen verschafft. Eine Reihe von Ländern haben zugestimmt, die Obergrenze für die Preise einzuhalten. Aber selbst im Fall der Länder, die sich ihr formal nicht angeschlossen haben, übt das Limit einen Einfluss aus und fördert den Rückgang der Preise für russisches Erdöl. Selbst bis zu jenem Zeitpunkt, an dem das Limit in Kraft getreten ist, ist der Preis des russischen Erdöls schon gefallen“, sagte er.

Saudi-Arabiens Energieminister Abdulaziz bin Salman erklärte, dass der Einfluss der Sanktionen und der Maßnahmen zur Beschränkung der Preise für russisches Erdöl „bisher keine klaren Ergebnisse gebracht hat“. „Diese Instrumente wurden für das Erreichen politischer Ziele geschaffen. Und bisher ist unklar, ob sie diese politischen Ziele erreichen können“, betonte er.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg meldete auf der Grundlage einer Statistik der Seetransporte ganz und gar, dass in der Woche ab dem Zeitpunkt der Einführung der Obergrenze Russland sogar die Lieferungen des schwarzen Goldes aufgestockt hätte. Ausgewiesen wird, dass in der vergangenen Woche Tanker im Durchschnitt 3,5 Millionen Barrel Öl am Tag aus russischen Häfen abtransportiert hätten. Somit sei im Vergleich zur Vorwoche der Export um 16 Prozent oder rund 500.000 Barrel/Tag angestiegen. Und sein Gesamtvolumen sei zu einem der größten im letzten halben Jahr geworden. Die Agentur berichtet, dass der Öl-Export nach Europa praktisch eingestellt worden sei. Und 90 Prozent aller Lieferungen würden nach Asien gehen. In die asiatischen Länder habe der Export im Verlauf der Woche bis auf über drei Millionen Barrel/Tag zugenommen.

Fast ein Drittel dieses Umfangs hätten jene Tanker befördert, die den Endpunkt der Fahrtroute verheimlichen, meldet Bloomberg. Zugenommen habe die Anzahl der Schiffe, die als Zielhäfen Port Said oder Suez ausweisen.

Russland habe den Plan für den Erdölexport über die westlichen Häfen zusammengestrichen, behauptet die Nachrichtenagentur Reuters. So sei der Plan für den Export von Erdöl der Sorten Urals und Siberian Light über die Ostseehäfen und über Noworossisk чvon 8,5 Millionen Tonnen im November bis auf 7,7 – 7,9 Millionen Tonnen im Dezember verringert worden. Laut Angaben der Agentur sei in den Häfen Primorsk und Ust-Luga der Transit von Urals im Dezember auf einem Stand von 5,5 – 5,7 Millionen Tonnen im Vergleich zu den 6 Millionen Tonnen im November geplant. Das Verschiffen von Urals und Siberian Light über den Hafen Noworossisk soll von 2,47 Millionen Tonnen im November bis auf 2,4 Millionen Tonnen im Dezember verringert werden.

Kleine unabhängige Erdölverarbeitungsbetriebe in China kaufen russisches Erdöl der Marke ESPO mit einer Lieferung im kommenden Januar für einen Preis von 67,11 Dollar je Barrel, das heißt teurer als der von der G-7 festgelegte maximale Preis, meldete Bloomberg. Um den Preisdeckel zu umgehen, befördern die russischen Händler das Erdöl mit ihren Tankern und nehmen Dienstleistungen russischer Versicherungsgesellschaft in Anspruch, berichtet die Presse.

Die Obergrenze für die Preise könne auf dem Erdölmarkt eine weitaus schwierigere Situation schaffen, als auf dem ersten Blick scheine, warnen Analytiker. Der Preisdeckel behindere die Arbeit der Trader (Händler), die nicht entsprechend fixierter Preise handeln, sagte John Driscoll, Chefstratege von JTD Energy Service. „Sie handeln unter Berücksichtigung von Formeln und der Differenz des Preises auf dem Spot-Markt zum Referenz-Öl für ein Handeln mit faktischen Frachtmengen, aber auch für ein Hedging“, berichtet er.

Die drei führenden russischen Erdölgemische — Urals, „Sokol“ (deutsch: „Falke“) und VSTO (englisch: ESPO, Gemisch aus dem Fernen Osten und Pazifikbereich Russlands – Anmerkung der Redaktion) – werden entsprechend von Forward- oder flexiblen Verträgen bewertet. Im Ergebnis dessen wird der endgültige Preis für das Frachtgut nur nach einigen Wochen nach dessen Erwerb bestimmt, erinnert Bloomberg. Im Fall mit dem jüngsten Kauf russischen Erdöls der Marke VSTO (ESPO) durch China wird der Preis für die Partie gemäß Vertrag durch einen Bonus zum Mittelwert der Futures für Erdöl der Marke Brent mit einer Lieferung im darauffolgenden Monat bestimmt. Das heißt: Dieser mittlere Preis wird nur am Monatsende berechnet werden.

Entsprechend den Ergebnissen der ersten Woche des Embargos und der restriktiven Maßnahmen sei es schwierig, irgendeine Bilanz zu ziehen, meinen die Experten der „NG“. „Derzeit wird immer noch Erdöl im Rahmen von Verträgen befördert, die vor dem 5. Dezember abgeschlossen wurden. Und vor dem Inkrafttreten der restriktiven Maßnahmen haben sich viele Käufer beeilt, für sich eine Reibungslosigkeit der Lieferungen zu sichern, indem sie die Einkäufe erhöhten“, sagt Artjom Kljukin, Experte aus dem Unternehmen „IVA Partners“.

„Aus Russland wurden um die 4,5 Millionen Barrel am Tag in die EU geliefert. Dies sind etwa 40 Prozent des gesamten Erdölexports von Russland. Davon wurden 2,2 Millionen Barrel auf dem Seeweg befördert. Auf dieses erstreckt sich auch das Embargo. Aber man kann all diese „wegfallenden“ Barrel nicht als komplette direkte Verluste ansehen. Ein Teil von ihnen wird auf andere Märkte umgeleitet. Zweitens kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Embargo und der „Preisdeckel“ auf unterschiedliche Art und Weise überwunden werden. Die europäischen Käufer können russisches Erdöl erwerben, indem sie es mit anderen Sorten in Häfen oder zwischen Tankern auf See vermischen. Diese Praxis ist bekannt und erhielt die Bezeichnung „lettisches Erdöl“. Außerdem können dritte Länder, die nicht unter das Embargo fallen, unser Erdöl erwerben und „von sich persönlich“ in der EU verkaufen. Somit wird man real die Ausmaße der Verluste Russlands durch das Embargo erst nach mehreren Monaten des praktischen Lebens des Marktes unter den neuen Bedingungen abschätzen können“, nimmt Mark Goichman, Chefanalytiker der Investitionsfirma „TeleTrade“, an.