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Washington will den Erdöl-Preisdeckel für eine neue Schwächung des Rubels herabsetzen


Washington hat eine Herabsetzung der Preisobergrenze (price cap bzw. Preisdeckel) für russisches Erdöl, der zuvor auf einem Niveau von 60 Dollar je Barrel festgesetzt worden war, angekündigt. In den USA ist man damit zufrieden, wie diese Restriktion funktioniert, da die erste Woche des Wirkens der Preisobergrenze die Erdölausfuhr aus der Russischen Föderation angeblich bereits verringert habe. Einen Rückgang des russischen Exports kann man bezweifeln, doch die Abwertung des Rubels löst schon keine Zweifel aus.

Nach der Einführung des Preisdeckels für russisches Erdöl hat der Rubel rund zehn Prozent gegenüber dem Dollar und anderen internationalen Währungen verloren. Es scheint aber, dass dies nur der Anfang ist. Die Administration der Vereinigten Staaten plant, mit den Verbündeten und Partnern eine Reduzierung des maximalen Preises für russisches Erdöl abzustimmen, der bisher mit 60 Dollar je Barrel festgelegt worden war. Dies teilte der 1. Vizefinanzminister der USA, Adewale Adeyemo, mit.

Laut seiner Version hätte Russland im November durch den Verkauf von Erdöl weniger als im Oktober verdient, wobei der Umfang des geförderten Erdöls beinahe der gleiche geblieben sei. Nach Aussagen von Adeyemo würden sich die USA zusammen mit den Verbündeten und Partnern im Weiteren über noch geringere Preise für russisches Erdöl einigen. Er fügte hinzu, dass Washington weiterhin Sanktionen und eine Exportkontrolle nutzen werde, um der russischen Kette von Lieferungen und der Fähigkeit, Waffen herzustellen, „in die Quere zu kommen“.

Die Beschäftigten des russischen Erdölsektors hätten es im Jahr 2022 geschafft, gute Ergebnisse sowohl durch die Mengen als auch durch die Preise zu erzielen, betonen Analytiker. Die Ölkonzerne hätten die Förderung um drei Prozent (auf das Jahr hochgerechnet) gesteigert und für Öl der Marke Urals einen um sechs Prozent höheren Preis als im Vorjahr im Rubeläquivalent erhalten, berechnete man in der Investitionsfirma „Finam“.

Im November exportierte Russland beispielsweise 7,8 Millionen Tonnen Erdöl nach China und wurde für das Land der Mitte der größte Lieferung dieses Roh- und Brennstoffs, wobei es Saudi-Arabien überholte (solch ein Überholmanöver vollbrachte die Russische Föderation auf auf dem zweitgrößten Markt – in Indien). Im Verlauf von elf Monaten hat Russland die Lieferungen in die Volksrepublik China um 10,2 Prozent (bis auf 79,78 Millionen Tonnen) erhöht. Saudi-Arabien exportierte 80.38 Millionen Tonnen, wobei es jedoch weitaus mehr verdiente. Sein Erlös aus den Lieferungen ins Land der Mitte machte 60,2 Milliarden Dollar aus, der von Russland – 54,5 Milliarden Dollar (was allerdings um die Hälfte mehr als im vergangenen Jahr ist).

Die Vorsitzende des Föderationsrates (des russischen Oberhauses – Anmerkung der Redaktion), Valentina Matwijenko, erklärte am Mittwoch, dass auch die Länder, die auf Erdöl und Erdgas aus der Russischen Föderation verzichten wollen, diese russischen Rohstoffe über Zwischenhändler (weiterhin) kaufen würden. „Diejenigen, die verzichteten, kaufen unser Erdöl und Gas dennoch mit allen Wahrheiten und Unwahrheiten, über Zwischenhändler sowie teurer und werden sie kaufen, denn die Menge an Erdöl und Erdgas auf dem Markt ist eine bestimmte. Und wie immer man sie auch aufteilen mag, dadurch wird der Kuchen ja doch nicht größer“, sagte sie.

Jedoch haben zum Jahresende hin sowohl konjunkturelle Faktoren und der generelle Rückgang des Ölpreises aufgrund der Rezessionserwartungen als auch die Sanktionsrestriktionen begonnen, sich auf den Erlös des russischen Ölsektors und folglich auf deren Abführungen an den Landeshaushalt auszuwirken. Besonders das Embargo für Erdöllieferungen in die EU, aber auch eben jener ab dem 5. Dezember wirksam gewordene Preisdeckel von 60 Dollar je Barrel.

Die Nordsee-Sorte Brent ist seit Dezemberbeginn um acht Prozent billiger geworden und bis auf fast 80 Dollar je Barrel im Preis gefallen. Die russische Ölsorte Urals ist laut Angaben des Finanzministeriums der Russischen Föderation vom 15. November bis einschließlich 14. Dezember bis auf 57,50 Dollar eingebrochen, was um beinahe 20 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres ist. Dabei habe der Spread (der Unterschied) zwischen beiden Marken in den vergangenen letzten Monaten von 23 bis fast 27 Dollar je Barrel zugenommen, betonen die Autoren des Telegram-Kanals Macro Markets Inside (MMI).

Bei einem Ölpreis von 50 Dollar werde das Finanzministerium der Russischen Föderation im nächsten Jahr rund zwei Billionen Rubel an Erdöl- und Erdgaseinnahmen weniger erhalten. Und bei solch einem Preis werde es auch einen Einbruch aus den Nicht-Öl- und Nicht-Gas-Einnahmen geben. Im Ergebnis dessen könne das Haushaltsdefizit anstelle der geplanten 2,9 Billionen Rubel fünf Billionen Rubel übersteigen, schreiben die MMI-Autoren. Und ein Barrel-Preis von 40 Dollar „kann zu einer wahren Katastrophe für den Etat und die Wirtschaft werden“. Bei solch einer Konjunktur müsste sich das Finanzministerium über eine Etat-Konsolidierung Gedanken machen, meinen die Experten.

Laut Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg verringerte sich in der ersten Woche, die vollkommen im Zeitraum des Embargos und des Preisdeckels lag (sie endete am 16. Dezember), der Export aus der Russischen Föderation auf dem Seeweg um fast die Hälfte im Vergleich zu den durchschnittlichen Werten – bis auf 1,6 Millionen Barrel am Tag anstelle von drei Millionen Barrel. Dies sei das Minimum seit Jahresbeginn, betont Igor Galaktionow, Experte für den Effektenmarkt in der Firma „BKS Welt der Investitionen“.

Die Lieferungen aus den Schwarzmeerhäfen sind um 0,2 Millionen Barrel am Tag zurückgegangen. Rund 0,6 Millionen Tonnen wurden aufgrund von Reparaturarbeiten weniger aus dem entscheidenden Schlüsselhafen an der Ostsee Primorsk exportiert. D. h., anstelle der üblichen acht, wurden nur drei Tanker auf den Weg geschickt.

Um genau solch eine Menge sind jedoch auch die Lieferungen aus dem Hafen Kosmino im Fernen Osten gesunken. Und dies hänge möglicherweise mit der Wirkung des Preisdeckels zusammen, meint der Experte. Während Urals unterhalb der Obergrenze gehandelt wird (und folglich gibt es mit ihm vorerst keine Probleme), kostete die russische Fernost-Sorte ESPO mehr als 60 Dollar. Und mindestens zwei große Reedereien aus China und Griechenland hätten deren Transport abgelehnt, betont Galaktionow.

„Bisher ist es verfrüht, von einer stabilen Verringerung zu sprechen. Man kann aber schon davon sprechen, dass die Sanktionen nicht spurlos wirken“, meint der Experte. „Wenn Russland in seiner Absicht, kein Erdöl entsprechend dem Preisdeckel zu liefern, unbeugsam bleibt, sind zwei Varianten möglich: die Gestaltung einer alternativen Transportinfrastruktur (Tanker, Versicherung u. a.) oder eine Drosselung der Förderung. Im zweiten Fall können die Preise auf dem Weltmarkt hochschnellen. Wird dies aber unter den Bedingungen des Preisdeckels helfen, ist unklar“.

Die Offiziellen der Russischen Föderation haben bisher offiziell keinen Mechanismus gegen den Preisdeckel bekanntgegeben, obgleich bereits im Oktober Präsident Wladimir Putin erklärt hatte, dass Russland kein Erdöl in die Länder liefern werde, die die Obergrenze einführen. Eben diesen Gedanken hatte auch der zuständige Vizepremier Alexander Nowak mehrfach formuliert. Er hatte versprochen, die Lieferungen zu den „marktwirtschaftlich orientierten Partnern“ umzuorientieren oder gar die Förderung zu verringern. „Wie dem auch immer sein mag, ein individueller Schaden für Russland, für die russische Wirtschaft, für den russischen Brennstoff- und Energiekomplex ist nicht auszumachen. Wir verkaufen auch etwa zu jenen Preise, die als Obergrenze ausgewiesen werden“, erklärte der Kremlchef vollmundig am Donnerstag, während man nach wie vor in den russischen Erdölkonzernen auf einen entsprechenden Erlass von ihm wartet.

Der letzten von Nowak angedeuteten Maßnahme würden die Wissenschaftler aus dem Institut für volkswirtschaftliche Prognostizierung der Russischen Akademie der Wissenschaften gern zustimmen, die bereits im Frühjahr aufgerufen hatten, sich auf solch eine Maßnahme einzulassen, indem die Förderung um 100 Millionen Tonnen reduziert wird. Jedoch auch aufgrund einer anderen Ursache: Sie verwiesen auf das gewaltige Plus der Russischen Föderation im internationalen Handel, d. h. das vom Wesen her Eintauschen der überaus wertvollen Brennstoffe Erdöl und Gas gerade gegen all jene „Papierchen“ oder Einträge in ausländischen Bankregistern.

Ausländische und russische Experten rätseln herum, wie denn nun die Antwort der Russischen Föderation auf die Einführung des Preisdeckels ausfallen werde. Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des Präsidenten, erklärte, dass bald eine russische Antwort auf die Preis-Obergrenze erwartet werde. Gegenwärtig würden die letzten Details abgestimmt werden. Nach Aussagen Nowaks würden Mechanismen für ein Verbot der Anwendung des Instruments price cap durchgearbeitet, unabhängig davon, was für eine Obergrenze festgelegt werde.

Gleichzeitig mit der Einführung des Ölpreisdeckels hat auch eine intensive Schwächephase des russischen Rubels begonnen. Die russische Währung schwächelte gegenüber dem Euro und Dollar um drei Rubel am Montag, wobei die Mai-Werte von 67,70 Rubel je Dollar und 72,10 Rubel je Euro erreicht wurden. Am Mittwoch setzte der Rubel seine Talfahrt fort und ging ins Wochenende mit folgenden Zentralbank-Kursen: 73,0407 Rubel für einen Euro und 68,6760 Rubel für einen US-Dollar. Seit Beginn des Monats sackte der Rubelkurs gegenüber dem Dollar um mehr als 15 Prozent ab, betont Georgij Wastschenko, stellvertretender Direktor des analytischen Departments der Firma Freedom Finance Global. Obgleich die Erdölpreise versuchten, Wochenspitzen zu erreichen: Brent legte um mehr als zwei Prozent zu und wurde mit rund 82 Dollar gehandelt.

„Die Preis-Obergrenze wird russisches Erdöl nicht vom Weltmarkt verdrängen, aber durch den Prozess einer Umverteilung der Mengen drastisch die Lage der russischen Unternehmen und dementsprechend des russischen Haushalts verschlechtern, was mit der Zeit zu einer Verschlechterung der Wirtschaftssituation in der Russischen Föderation führen wird“, sagte der „NG“ der „Finam“-Analytiker Alexander Potawin. Er erinnert daran, dass derzeit die Obergrenze für das russische Erdöl auf einem Stand von 60 Dollar je Barrel festgelegt worden sei. Die G-7-Länder hätten aber vereinbart, dass diese Obergrenze einmal in zwei Monate – beginnend ab Mitte Januar – überprüft wird. „Die westlichen Länder beabsichtigen, sie etwa um fünf Prozent unterhalb des durchschnittlichen Marktpreises für russisches Erdöl zu halten. Wenn bis Mitte Januar ein Barrel des russischen Erdöls der Marke Urals im Bereich von 58 Dollar kosten wird, so ist es offensichtlich, dass die Preisobergrenze im Bereich von 55 Dollar je Barrel festgelegt wird“, sagt der Experte.

Da das Finanzministerium der Russischen Föderation in diesem Jahr doch keinen neuen Mechanismus für die Budget-Regel einführte, fing der Rubelkurs wieder an, mit den Ölpreisen zu korrelieren, erläutert Potawin. „Das heißt, bei mehr oder weniger stabilen Exportmengen und bei einem Preis für Erdöl der Marke Urals von 60 Dollar kann der Dollarkurs gerechtfertigt im Bereich von 67 bis 68 Rubel bewertet werden. Bei einem Rückgang des Erdölpreises bis auf 55 Dollar kann der Dollarkurs bis auf 70-71 Rubel ansteigen, und bei einem Rückgang bis auf 50 Dollar – auf 74-75 Rubel. Die Verringerung der Mengen des Erdöl- und Erdgasexports bringt ebenfalls hier Korrekturen ein“, sagt der Experte.

„Bisher entspricht der Einbruch des Rubelkurses etwa den Erwartungen des Marktes in Bezug auf einen Rückgang des russischen Exports. Die Ergebnisse des ersten Quartals des Jahres 2023 werden mehr statistische Daten liefern, was erlauben wird, adäquater den Beitrag der verschiedenen Faktoren zum Rückgang des Rubels zu beurteilen“, sagte der „NG“ Sergej Chestanow, Berater für Makroökonomie des Generaldirektors der Investitionsfirma „Otkrytie Investitionen“. Nach seiner Meinung sei die Taktik des Sanktionsdrucks bisher sehr vorsichtig.

„Der hauptsächliche Rückgang des Exports erfolgt nicht durch den Preisdeckel, sondern durch das Embargo der EU und der Preisnachlässe für die asiatischen Käufer. Dies wird sich in der nächsten Zeit kaum ändern“, meint er. Der Expert pflichtet nicht dem bei, dass eine künstliche Verringerung der Förderung und des Exports zu positiven Erscheinungen in der Wirtschaft der Russischen Föderation führen werde. „Das Minimum der Erdölausfuhr aus der Russischen Föderation fällt auf die 1990er Jahre. Jedoch hatte es damals keine besonders stürmische Entwicklung des Landes gegeben. Die Drosselung der Erdölausfuhr wird vor allem die Exporteinnahmen verringern. Fallen werden die Einnahmen des föderalen Haushalts und der Erlös der Erdölkonzerne der Russischen Föderation“, sagt er.

Potawin lenkt das Augenmerk darauf, dass sich überschüssiges Kapital ergebe, wenn es im Land ein stabiles Plus der Handels- und Zahlungsbilanz gebe. Die von der Zentralbank der Russischen Föderation veröffentlichten Schätzungen für die Parameter der Zahlungsbilanz zeigen jedoch eine starke Verschlechterung der Situation. Laut den November-Ergebnissen machte das Plus des Kontos der aktuellen Operationen 10,3 Milliarden Dollar gegenüber den 17,7 Milliarden Dollar im Oktober aus. „Im Dezember und Januar wird es augenscheinlich noch schwächere Zahlen geben, bis hin zu negativen“, schließt Potawin nicht aus.

Dabei wird der Kapitalabfluss aus Russland im Jahr 2022 dennoch zu einem Rekordabfluss in der gesamten Geschichte. „Die Prognose für den Abfluss von 251 Milliarden (Dollar) bedeutet, dass jeder siebte Dollar, der von der russischen Wirtschaft im Jahr 2022 verdient wurde (14 Prozent des BIP), ins Ausland gebracht wird“, sagt Potawin.