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Wasser und Land brachten Kirgisien und Tadschiken zu bewaffnetem Konflikt


Am vergangenen Donnerstag hatte sich an der Grenze Kirgisiens und Tadschikistans die Situation akut zugespitzt. Zwischen den Militärs beider Länder war es zu einem Schusswechsel gekommen. Die Seiten hatte schwere Kampftechnik zur Grenze verlegt. Laut Angaben des kirgisischen Gesundheitsministeriums machte die Zahl der Opfer des zweitägigen Konflikts 54 Menschen aus, unter ihnen drei Tote. Insgesamt sind auf beiden Seiten rund 40 Tote und über 200 Verletzte zu beklagen. Beide Seiten bezichtigten einander der Eskalation der Spannungen. Laut Angaben der Verwaltung des Gebietes Batken wurden aus mehreren Grenzdörfern 848 Menschen evakuiert. Kirgisiens Premierminister Ulukbek Maripow und Tadschikistans Regierungschef Kochir Rasulsoda bekundeten am Donnerstag bei einem Treffen in Kasan die Bereitschaft zu einer schnellstmöglichen Lösung des Konflikts an der Grenze. Die Außenminister beider Länder einigten sich, das Feuer einzustellen und die Truppen abzuziehen.

Präsident Sadar Dschaparow führte am 29. April eine Sitzung des Sicherheitsrates im kleinen Kreis durch, bei der die Situation an der kirgisisch-tadschikischen Grenze erörtert wurde. Der am Vorabend begonnene Konflikt zwischen Einwohnern von Grenzdörfern war in einen lokalen Krieg der Grenztruppen unter Einsatz automatischer Waffen und Granatwerfer ausgeufert.

Zur Ursache des Konflikts war, wie im Grenzdienst des kirgisischen Staatskomitees für nationale Sicherheit mitgeteilt wurde, die Installierung einer Videobeobachtungskamera an einem Masten für elektrische Fernleitungen am Wasserverteilungspunkt „Golownoj“ durch die tadschikische Seite geworden. Dieser befindet sich im Dorf Kok-Tasch des Verwaltungskreises Batken und füllt den Tortkul-Stausee in Kirgisien auf. Da sich der Stausee auf dem Territorium Kirgisiens befindet, begannen die Kirgisen, aktiv ihren Protest zu bekunden. Später fingen die Kirgisen und Tadschiken an, sich mit Steinen zu bewerfen. Der Konflikt nahm einen großangelegten Charakter an, Grenzer griffen ein. Und es begannen Schießereien. Man begann, die Einwohner der Grenzdörfer zu evakuieren.

Es gelang, den Streit zu schlichten. Doch bereits am 29. April flammte der Konflikt mit neuer Stärke auf. Irgendwer hatte aus einem Jagdgewehr geschossen. Die gegenüberliegende Seite antwortete auf gleicher Weise. Grenzer beider Länder versuchten, die Schießereien zu unterbinden. Doch der Konflikt begann, sich noch stärker auszuweiten. Laut Angaben der kirgisischen bewaffneten Organe habe die tadschikische Seite Granatwerfer und Maschinengewehre eingesetzt.

Kirgisien war offenkundig nicht auf Kampfhandlungen an der Grenze vorbereitet. Der Leiter des Staatskomitees für nationale Sicherheit Kamtschibek Taschijew war am Vorabend zwecke einer Heilbehandlung nach Deutschland geflogen, wo er im Januar am Herzen operiert worden war. Auf seiner Twitter-Seite postete er, dass er kurzfristig ins Land zurückkehre. Premierminister Ulukbek Maripow befand sich zu einer Arbeitsreise in Kasan, wo er an der Tagung der Premierminister der Eurasischen Wirtschaftsunion teilnahm. Doch diese musste er kurzfristig abbrechen.

Die tadschikische Seite beeilte sich nicht mit Kommentaren und meldete nur sieben Verletzte. In den sozialen Netzwerken wurden jedoch Videos gepostet, die zeigten, wie Tadschikistan Militärtechnik an der Grenze zusammenzog. „Tadschikistan verstärkt die Militärpräsenz an der kirgisisch-tadschikischen Grenze. Spezialtechnik wird zusammengezogen. Doch die Anzahl ist unbekannt“, erklärte man gegenüber dem Informationsportal 24.kg in den Strukturen des Verteidigungsministeriums.

Derweil war in Bischkek am Regierungsgebäude ein Meeting zur Unterstützung der Bewohner des Gebietes Batken organisiert worden. Die Teilnehmer der Aktion forderten, dass Präsident Sadyr Dschaparow zu ihnen kommt. Sie erstellten eine Liste mit den Namen von 30 Freiwilligen, die bereit waren, gegen Tadschikistan zu kämpfen. „Wir brauchen keinerlei Politik. Wir schließen uns den Soldaten an und werden die Heimat verteidigen“, sagte einer der Teilnehmer der Aktion. Die Kundgebungsteilnehmer stellten den Offiziellen 14 Forderungen, unter denen eine Verlegung von Gefechtstechnik aus dem Landesnorden in den Süden, die Schließung der Grenze mit Tadschikistan, die Anerkennung mehrere Mitarbeiter der diplomatischen Vertretung Tadschikistans in Kirgisien als Persona non grata sowie die Einrichtung von Militärposten in einigen Grenzdörfern waren.

„Die Konflikte an der Grenze ergeben sich nicht aufgrund der Ressourcen – des Bodens und des Wassers -, sondern aufgrund des Unvermögens, sie so zu nutzen, dass alle zufrieden sind. Dieses Unvermögen demonstriert sowohl die kirgisische Seite als auch die andere, sei es die tadschikische oder die usbekische“, sagte gegenüber der „NG“ Dmitrij Orlow, Generaldirektor des analytischen Zentrums „Strategie Ost-West“. Die Konflikte würden sich aufgrund dessen ergeben, dass die Region sehr kriminalisiert sei. In die eine Richtung kommen Drogen, in die andere – Treib- und Schmierstoffe und anderes Schmuggelgut. Während von tadschikischer Seite aus diese Ströme und die illegale Tätigkeit nach Aussagen Orlows durch einzelne Vertreter der höchsten Elite kontrolliert werden würden, komme es auf der kirgisischen Seite aufgrund des Machtwechsels zu einer Neuaufteilung dieser Kontrolle. Orlow erinnerte daran, dass gemäß dem Abkommen der Organisation des kollektiven Sicherheitsvertrages (eine Art Warschauer Vertrag im Rahmen der GUS – Anmerkung der Redaktion), deren Mitglieder Kirgisien und Tadschikistan sind, die Länder kein Recht haben, an der Grenze gegeneinander Waffen einzusetzen. Sadyr Dschaparow erklärte, dass er sich nicht zwecks Hilfe an die Organisation des kollektiven Sicherheitsvertrages wenden werde.

Alexander Knjasew, Experte für Zentralasien und den Mittleren Osten, ist der Auffassung, dass das Grenzproblem ein vernachlässigtes sei. Dies betreffe besonders Kirgisien, wo man aufgrund des häufigen Wechsels der Führung beginnen müsse, jedes Mal vom Nullpunkt an alle sich angehäuften Probleme zu lösen. „Insgesamt sind weder Kirgisien noch Tadschikistan zu einer Lösung der Grenzprobleme bereit. Die Grenzregionen auf beiden Seiten sind aus sozial-ökonomischer Sicht depressive. Das Fergana-Tal zeichnen sich durch einen Mangel an landwirtschaftlichen Ressourcen aus. Es fehlt an Boden und besonders an Wasser. Daher werden der Boden und das Wasser zur Hauptursache aller Konflikte. Im Verlauf der gesamten postsowjetischen Zeit hat unter der Bevölkerung sowohl der kirgisischen als auch der tadschikischen Seite der aggressive Nationalismus in Bezug aufeinander zugenommen. Die junge Generation ist in einer Atmosphäre von Aggression gegenüber den Nachbarn aufgewachsen. Daher werden keinerlei zivilisierten Methoden zur Lösung dieses Problems, selbst wenn die Seiten versuchen würden, diese Methoden anzuwenden, in der überschaubaren Perspektive effektiv sein. Notwendig ist eine lange und mühselige Arbeit“, sagte Alexander Knjasew der „NG“.

Seiner Meinung nach lasse die Fähigkeit beider Seiten zu Vereinbarungen Besseres zu wünschen übrig. Beispielsweise wurde dieser Tage durch die kirgisische Seite das Abkommen zum Kempir-Abad-Stausee, der unter die Kontrolle Usbekistans kommen sollte, desavouiert (in Abrede gestellt). Der Chef des Staatskomitees für nationale Sicherheit Kamtschibek Taschijew, der die kirgisische Delegation bei den Verhandlungen zur Demarkation und Delimitation der Grenze leitet, hat unter dem Druck der Menge bereits seine Unterschrift zurückgezogen. Obwohl er sich tatsächlich mit der Arbeit mit seiner Bevölkerung hätte befassen und eine adäquate Wiedergutmachung vorbereiten müssen. Dann hätte dieser Grenzabschnitt aufgehört, ein umstrittener und konfliktgeladener zu sein.

„Während die kirgisisch-usbekische Grenze dank der abwartenden Haltung von Taschkent ruhig ist, ist am Abschnitt der kirgisisch-tadschikischen Grenze in den Gebieten von Batken und Isfar die Spannung zu groß. Die kirgisische Seite fordert, ihnen Waffen zu übergeben. Von kirgisischer Seite aus, wo die Bevölkerung weniger durch die staatlichen Institutionen kontrolliert wird, können erste Aktion erfolgen, die dazu angetan sind, einen großen Konflikt hervorzubringen“, meint Knjasew. Seinen Angaben zufolge würde Kirgisien bereits Militärtechnik an die Grenze mit Tadschikistan verlegen.

Derweil haben sich Kirgisien und Tadschikistan doch geeinigt, die Beschreibung der Grenze beider Länder zu aktivieren, wie am Sonntag im Pressedienst des kirgisischen Ministerkabinetts mitgeteilt wurde. Dort wurde erklärt, dass im Gebiet Batken eine Sitzung von Regierungsdelegationen beider Länder zur Delimitation und Demarkation der Staatsgrenze zwischen den Staaten erfolgte, in deren Verlauf ein „ausführlicher Meinungsaustausch zu den weiteren Handlungen stattfand, die auf eine Regelung der Situation an der kirgisisch-tadschikischen Staatsgrenze abzielen“. „Erzielt wurde eine Vereinbarung über die Aktivierung der Beschreibung des Verlaufs der projektierten Linie der kirgisisch-tadschikischen Staatsgrenze an den verbliebenen Abschnitten der Staatsgrenze“, erklärte ein Vertreter des Pressedienstes. Seinen Worten zufolge ist zu den Ergebnissen der Gespräche ein gemeinsames Protokoll unterzeichnet worden. „Die Leiter der Delegationen der Republik Kirgisien und der Republik Tadschikistan bekundete vollkommenes beiderseitiges Einvernehmen hinsichtlich der Notwendigkeit einer friedlichen Beilegung des Konflikts an der kirgisisch-tadschikischen Staatsgrenze“, unterstrich man am Sonntag im Ministerkabinett.