Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Wegen geografischen Extremismus wird man in Russland 15 Tage Haft bekommen


In die Staatsduma (das Unterhaus des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) sind Initiativen zur Erweiterung des Begriffs „extremistische Materialien“ eingebracht worden. Jenes Verzeichnis der konkreten Verbote, für den das Justizministerium verantwortlich ist, sei unzureichend. Beschlossen wurde, neue Formen in allgemeiner Art im Basisgesetz auszuweisen. Die Volksvertreter haben bereits solch eine Neuerung wie Landkarten und andere Darstellungen, die die territoriale Integrität der Russischen Föderation in Frage stellen, vorgeschlagen. Wegen einer falschen Darstellung der offiziell deklarierten Landesgrenzen wird der Bürger vorerst maximal eine Haftstrafe von 15 Tagen bekommen, obgleich auch eine strafrechtliche Verfolgung nicht ausgeschlossen ist.

Unter den vorgeschlagenen Änderungen zum Gesetz „Über die Bekämpfung extremistischer Tätigkeiten“ und zum Artikel 20.29 des Ordnungsstrafrechts über die Bestrafung aufgrund einer Herstellung und Verbreitung verbotener Materialien steht die Unterschrift des Vorsitzenden des Duma-Ausschusses für Sicherheitsfrage, Wassilij Piskarjow (Kremlpartei „Einiges Russland“).

Er leitet, woran erinnert sei, auch die sattsam bekannte Kommission des Unterhauses für die Bekämpfung einer ausländischen Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Russischen Föderation. Zusammen mit ihm haben noch zwei weitere Abgeordnete die Gesetzesvorlagen unterschrieben, die sich schon lange auf das Aufspüren von Versuchen äußerer Feinde spezialisiert haben. Die Volksvertreter schlagen Alarm: „Gegenwärtig haben sich die Fälle der Verbreitung von Faltblättern, Broschüren, Landkarten und anderen Druckerzeugnissen auf dem Territorium unseres Landes, die die einen oder anderen Teile des Territoriums der Russischen Föderation (beispielsweise die Krim, die Südkurilen u. a.) anschaulich zu Territorien anderer Staaten rechnen und dementsprechend ausweisen, gehäuft“. Im Erklärungsschreiben wird direkt ausgewiesen, dass „derartige Informationsaktionen eine verdeckte Form von Propaganda sind, die in der Regel aus dem Ausland zwecks Ausprägung verzerrter Vorstellungen über die Staatsgrenze Russlands bei der russischen und internationalen Öffentlichkeit, zwecks Rechtfertigung territorialer Ansprüche angrenzender Staaten gegenüber unserem Land sowie Untergrabung der Souveränität und staatlichen Integrität der Russischen Föderation vorgenommen wird“.

Und es könne nicht sein, machen sich die Abgeordneten Sorgen, dass die Gesetzgebung keine Maßnahmen für ein Reagieren auf solche Tatsachen selbst in dem Falle vorsieht, wenn einheimische Unternehmen entstellte geografische Erzeugnisse gemäß einem Auftrag aus dem Ausland herstellen. Daher schlagen sie vor, im Schlüsselartikel 1 des Basisgesetzes festzuhalten, dass als extremistische Materialien „kartografische und andere Darstellungen sowie Erzeugnisse, die die territoriale Integrität der Russischen Föderation in Frage stellen“, angesehen werden. Dies werde erlauben, die von ausländischen Staaten organisierte Informations- und Propaganda-Tätigkeit, die mit einer „kartografischen Expansion“ verbunden ist, vorzubeugen und zu unterbinden, meinen die Duma-Vertreter.

Es ist verständlich, dass die neue Kategorie extremistischer Erscheinungen mit aller Strenge des Gesetzes geahndet wird. Freilich – wie sich aus der Gesetzesvorlage ergibt – gemäß dem Ordnungsstrafrecht und nicht laut dem Strafrecht. Im Artikel 20.29 des Ordnungsstrafrechts wird überhaupt das Spektrum der zu bestrafenden Taten erweitert. Gegenwärtig kann der Bürger eine Strafe von 1000 bis 3000 Rubel (zwischen umgerechnet mehr als 16,60 bis fast 50 Euro) oder gleiche eine Haftstrafe von bis zu 15 Tagen lediglich aufgrund der Herstellung und Verbreitung jener verbotenen Publikationen und Erklärungen erhalten, die im offiziellen Verzeichnis des Justizministeriums enthalten sind. Übrigens, Rechtspersonen werden für das Gleiche stärker zur Kasse gebeten – eine Strafe von 100.000 bis zu einer Million Rubel oder die Aussetzung der Tätigkeit bis zu drei Monaten. Und auf jeden Fall müssen bei jedem Straffälligen sowohl die eigentlichen Erzeugnisse als auch die Mittel zu ihrer Herstellung konfisziert werden.

Jetzt aber wird in diesem Artikel des Ordnungsstrafrechts der Verweis auch auf „andere Materialien, die zu den extremistischen entsprechend den föderalen Gesetzen gerechnet wurden“, auftauchen. In einem neuen Erläuterungsschreiben bedauern die Abgeordnete erneut die Trägheit der Offiziellen: „Für die Herstellung und Verbreitung der vom Gesetz ausgewiesenen verbotenen extremistischen Materialien ist halt keine Verantwortung vorgesehen worden, was Voraussetzungen für eine ungestrafte Vornahme einer extremistischen Tätigkeit auf Russlands Territorium schafft und die Effektivität der entsprechenden normativen Vorschriften auf ein Minimum reduziert“.

Generell ist nicht sehr verständlich, womit sich der Gesetzgeber früher befasste. Es ist aber durchaus klar, womit er sich jetzt beschäftigt. Erstens bekommt er freie Hand für ein direktes Ausweisen irgendeines Extremismus in dem einen oder anderen Gesetz. Und es wird ein generelles strafendes Fundament dafür geben. Zweitens, wenn man bereits konkret den geografischen Extremismus nimmt, so wird es wichtig sein zu bestimmen, was für Grenzen gemeint sind. Es ist eine Sache, für eine „Landkarten-Annexion“ der Krim, der Kurilen oder Kaliningrad zu bestrafen, eine andere – aufgrund einer Loslösung der Donbass-Republiken DVR und LVR oder irgendwelcher Verwaltungsgebiete Cherson und Saporoschje von der Russischen Föderation. Besonders, wenn sie ohnehin nicht faktisch, sondern nur juristisch angegliederte sein werden.

Es macht gleichfalls Sinn anzumerken, dass die neue Formulierung für die Norm des Ordnungsstrafrechts mit der Präzisierung endet – „wenn diese Handlungen keine Merkmale für eine strafrechtlich zu ahndende Tat enthalten“. Das heißt, die Perspektive für entsprechende Nachforschungen und Untersuchungen bleibt. Interessant ist, dass die Regierung den Abgeordneten empfohlen hatte, diese Worte einzufügen. Übrigens, aus dem Schriftwechsel der Staatsduma mit dem Ministerkabinett ergibt sich, dass die Abgeordneten-Initiative ganz und gar kein hitzköpfiges Beeilen ist, um ein aktuelles Problem zu lösen, sondern eine durchaus konsequente Arbeit ist. Die Gesetzesvorlagen waren bereits Anfang Mai zu einer Expertise durch die exekutive Gewalt übergeben worden.