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Weißrussische Diplomaten sollen sich künftig militärischer Sprache bedienen


Weißrussland stellt seine Teilnahme an der Aarhus-Konvention – einem internationalen Vertrag, der den Zugang zu Ökologie-Informationen regelt und jeder Person Rechte im Umweltschutz zuschreibt – ein. Parallel erfolgt in Minsk ein Seminar für Diplomaten. Bei dem Außenminister Wladimir Makei neue Vorgaben erteilt. Laut den Erklärungen des Ministers mache es für die Vertreter von Weißrussland im Ausland sind, es zu erlernen, von einer diplomatischen zu einer militärischen Sprache überzugehen. Experten sind der Auffassung, dass die Botschafter heute zu hörigen Instrumenten für eine Realisierung der Ideologie der Herrschenden geworden seien.

Weißrussland steigt aus der Aarhus-Konvention aus, die einen Zugang zu Informationen, eine Teilnahme der Öffentlichkeit am Prozess des Treffens von Entscheidungen und den Zugang zur Rechtsprechung hinsichtlich der Fragen, die die Umwelt betreffen, festschreibt. Ein entsprechender Erlass ist durch Präsident Alexander Lukaschenko unterzeichnet worden.

„Ungeachtet der erzielten Ergebnisse hinsichtlich der Umsetzung der übernommenen internationalen Verpflichtungen im entsprechenden Bereich wurde Belarus im Oktober des Jahres 2021 mit einer voreingenommenen und diskriminierenden Haltung seitens der Führungsorgane der Konvention sowie Fakten der Ausübung von Druck auf den souveränen Staat konfrontiert“, heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung. Der Druck lief darauf hinaus, dass die Rechte von Minsk hinsichtlich einer Teilnahme an der Leitung der einen oder anderen Organe der internationalen Organisation eingeschränkt wurden. Motiviert wurde dies mit Tatsachen einer Verfolgung unabhängiger ökologischer Strukturen in Weißrussland. Aber anstelle einer Reaktion auf die Forderungen der Führung der Konvention hatten die Offiziellen des Landes einfach beschlossen, die Tür zuzuschlagen.

Allem nach zu urteilen wird ein derartiger Stil des Zusammenwirkens mit internationalen Strukturen und den westlichen Ländern insgesamt zu einem bestimmenden für Minsk.

Derweil findet in diesen Tagen in Weißrusslands Hauptstadt eine wichtige Veranstaltung statt, das Jahresseminar der Leiter der diplomatischen Vertretungen und Konsular-Einrichtungen der Republik. Sie sind aus verschiedenen Ländern in die Heimat gekommen, um grundlegende Vorgaben hinsichtlich der Ziele und des Charakters ihrer Tätigkeit zu bekommen. Vor den Seminar-Teilnehmern trat Außenminister Wladimir Makei auf. Er betonte unter anderem: „Das heutige Seminar ist ein außerordentlich wichtiges, denn wir leben in einer sehr schwierigen Situation“. Wobei sich nach Meinung des Ministers diese Situation in der letzten Zeit sehr zugespitzt habe. Die Situation sei weitaus schwieriger geworden. „Ich würde sagen, weitaus unkomfortabler. Dies erfordert von uns neue durchdachte Antworthandlungen“, erklärte Herr Makei.

„Belarus, das sich an einer geopolitischen Bruchstelle befindet, wird bereits lange Zeit mit geringen Unterbrechungen einer aggressiven hybriden Beeinflussung seitens des kollektiven Westens ausgesetzt, die in den letzten zwei Jahren einen beispiellosen Charakter erlangt hat. Solche Attacken haben uns zweifellos geschult, wenn man sich einer militärischen Sprache bedient (die leider heute immer häufiger angebrachter ist als die diplomatische), zu verteidigen“, sagte Wladimir Makei.

Der Außenminister beschränkte sich nicht auf die Kontakte mit den Kollegen, sondern trat auch mit einer Reihe spektakulärer Erklärungen auf, als er Fragen von Journalisten beantwortete. Er sprach sich beispielsweise hinsichtlich der Tatsachen einer Festsetzung weißrussischen Besitzes im Ausland aus. „Die Handlungen werden in der Zukunft nicht ohne eine Antwort bleiben“, unterstrich der Minister. Außerdem umriss er die Perspektiven für jene Weißrussen, die in den Reihen der ukrainischen Streitkräfte kämpfen. Nach seinen Worten werde die Frage nach einer möglichen Ausweisung in Gefangenschaft geratener Bürger erörtert werden, Auf jeden Fall werde sie aber eine Strafe treffen.

Als der Minister darüber sprach, dass eine der Hauptaufgaben der Diplomaten sei, im Westen die Position der Offiziellen Weißrusslands hinsichtlich der Ereignisse des Großen Vaterländischen Krieges zu erläutern und zu begründen, erklärte er: „Ob die Partner auf unsere Initiativen reagieren werden – dies hängt von dem einen oder anderen Partner ab. Es gibt verständige Menschen. Sie nehmen dies absolut adäquat auf. Was aber die Unzurechnungsfähigen oder jene angeht, die heute nichts wahrnehmen wollen, so ist sehr Vieles damit zu erklären, dass seinerzeit diesen Genozid gerade Vertreter jener begangen hatten, die heute unseren Argumenten kein Gehör schenken wollen. Die Motivation ihres Verhaltens ist verständlich: „Wie kann ich das anerkennen, was ich in der Vergangenheit begangen habe?“.

Die Erklärungen des Ministers kommentierte auf dem Internetportal „Salidarnasz“ (deutsch: „Solidarität“) der frühere weißrussische Diplomat und Oberassistent des Zentrums für neue Ideen, Pawel Mazukjewitsch. Der Experte betonte, dass die „militärische“ Rhetorik bei weitem keine zufällige sei.

„Beim Studium im vergangenen Jahr, wenn ich mich richtig erinnere, hatte Lukaschenko von den Botschaftern gefordert, den Schändern der (Staats-) Flagge „eins aufs Maul zu geben“. Folglich sind das diplomatische Wörterbuch und die Manieren von Wladimir Makei nicht ad acta gelegt worden. Er verwendet nur mit einem hohen Maß an Vollstreckungsdisziplin die Lexik, die von oben aus zugelassen wurde. Dabei wählt er jedoch dennoch die Worte aus, denn er ist ein Diplomat. Und möglicherweise, um nicht in Mems durch den Kakao gezogen zu werden“, betonte der Politologe.

Er unterstrich, dass selbst „der verderbliche Einfluss des Westens“ die Umsetzung der „Generallinie“ nicht behindern könne. Der Experte ist sich sicher: „Das Außenministerium und die Botschaften sind lediglich ein Teil der (Macht-) Vertikale. Und dieser Teil spricht und zeigt Lukaschenko genauso wie auch das Kulturministerium oder das Industrieministerium, aber nur im Ausland. Mit seinen Nuancen natürlich und mit einer Spezifik, die vom Botschafter abhängen. Nun, und auch ein wenig vom Aufenthaltsland. Jeder Botschafter arbeitet unter den wachsamen Augen Lukaschenkos, unter dessen Porträt. Diese Verbindung ist stärker als die relaxierende und zersetzende Atmosphäre der westlichen Demokratien. Ich habe keine Zweifel, dass die beim Botschafterstudium erworbenen Lehren durch die Botschafter in Deutschland und Schweden genauso verantwortungsvoll umgesetzt werden wie durch den Chef unserer Mission – sagen wir einmal — in Turkmenistan, wo das gesellschaftspolitische Klima unserem nahe ist“.